DDR von A-Z, Band 1966

Außenpolitik (1966)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979 1985

 

[S. 51]

 

1. Grundzüge

 

 

Das Scheinstaats-Gebilde DDR kann infolge seiner Abhängigkeit von der SU, vor allem aber auf Grund der engen Bindung der das SBZ-Regime führenden SED an die KPdSU nur scheinbar eine eigene A. treiben, obwohl es sich seit 7. 10. 1948 darum bemüht. Gemäß Verfassung soll der Außenminister die auswärtige Politik „selbständig unter eigener Verantwortung“ gegenüber der Volkskammer (Art. 98,2) leiten. Die SBZ unterhält diplomatische Beziehungen zu den Staaten des Ostblocks, ferner zu Jugoslawien und Kuba. Ihre Botschafter und Gesandten haben im wesentlichen nur repräsentative Pflichten. Wie im gesamten Ostblock ist die A. auch der SBZ zweigleisig, da unabhängig vom Außenministerium die SED (Abt. Außenpolitik und Internationale Verbindungen im ZK der SED) mit den kommun. Parteien des Auslandes Fragen der A. behandelt.

 

Für das Verhältnis der SBZ zur BRD ist kennzeichnend, daß SED und Regierung der SBZ seit Okt. 1949 versuchen, diese Beziehung in den Bereich des Völkerrechtes und der A. zu verlagern, da sie für die „DDR“ volle Souveränität fordern. Die enge Bindung ihrer A. an die SU trat schon in der Regierungserklärung vom 22. 2. 1949 hervor, in der betont wurde, daß „die Freundschaft mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Ausgangspunkt und Eckstein unserer außenpolitischen Orientierung überhaupt“ sei.

 

Von zahlreichen Verträgen, vorwiegend mit kommun. Staaten, sind zu nennen:

 

1. jene mit Polen vom 6. 6. und 6. 7. 1950 über technisch-wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit sowie die Oder-Neiße-Linie, 2. der Vertrag mit der Tschechoslowakei vom 23. 6. 1950, der erklärt, „daß es zwischen beiden Staaten keine Streitigkeiten und offenen Fragen gibt“ und daß die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei „unabänderlich, gerecht und endgültig“ sei. Diese Abkommen wurden durch Wirtschaftsverträge ergänzt (Außenhandel).

 

2. Bindungen an SU und Ostblock

 

 

Bedeutsam war die Aufnahme der SBZ in den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (28. 9. 1950), ein Werkzeug sowjetischer Politik. Die in ihm bzw. im Ostblock vereinten Staaten zogen die SBZ zu der Konferenz von Prag hinzu. Diese Konferenz verwarf am 21. 10. 1950 das Deutschland-Programm der drei Westmächte, das die New Yorker Außenministertagung vom 19. 9. 1950 beschlossen hatte, und äußerte sich zu einem Friedensvertrag. Die Prager Konferenz erhob zur Deutschlandfrage (Spaltung und Wiedervereinigung Deutschlands) u.a. folgende Forderungen: „Unverzüglicher Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland … mit der Maßgabe, daß die Besatzungstruppen aller Mächte in Jahresfrist nach Abschluß des Friedensvertrages aus Deutschland zurückgezogen werden“ (§ 3); „Bildung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates unter paritätischer Zusammensetzung aus Vertretern Ost- und Westdeutschlands, der die Bildung einer gesamtdeutschen souveränen, demokratischen und friedliebenden provisorischen Regierung vorbereitet und zur Ausarbeitung des Friedensvertrages heranzuziehen ist“ (§ 4). — Von vorherigen geheimen Wahlen zu einer Nationalversammlung, die die gesamtdeutsche Regierung zu bilden hat, sprach die Prager Konferenz nicht. — Diese Forderungen wiederholen die SU und die SBZ seitdem unaufhörlich, z. B. die SU am 10. 3. 1952. Sie zeigen, wie sehr der Deutschlandkurs der SBZ-Regierung, die ja in Prag mitbeschloß, mit der A. der SU und des Sowjetlagers verknüpft ist.

 

Am 25. 3. 1954 billigte die SU der „DDR“ eine „Souveränität“ zu, doch blieb sie einschließlich ihrer A. von der SU abhängig. Als die SBZ im Dez. 1954 mit Polen und der Tschechoslowakei Rüstungsvorkehrungen gegen Westeuropas Verteidigungsorganisation beschloß, band sie sich noch stärker an den Sowjetblock. Nur eine formale Geste war es, als die SU den Kriegszustand mit Deutschland für beendet erklärte (25. 1. 1955) und ihre Satelliten folgten. Am 14. 5. 1955 schlossen die Staaten des Sowjetblocks, zu denen als 8. Partner die SBZ hinzutrat, einen Beistands- und Rüstungspakt (Warschauer Beistandspakt) gegen die Abwehrbemühungen der nichtkommun. Staaten Europas und unterstellten sich offen dem Oberbefehl eines Sowjetmarschalls. Weil die SU an der Zuverlässigkeit der Waffenträger der SBZ zweifelte, wurde die „DDR“ noch nicht offen in die Abmachungen einbezogen. Dies [S. 52]wurde am 28. 1. 1956 nachgeholt. So wurde die „DDR“ noch fester an die SU gebunden und die Wiedervereinigung erschwert.

 

Der Moskauer Vertrag zwischen der SU und der SBZ (20. 9. 1955) bestätigte die „Souveränität“ der „DDR“ und nannte sie „frei in der Entscheidung über Fragen ihrer Innenpolitik und Außenpolitik“. Der Aufenthalt der Sowjetischen ➝Besatzungstruppen in der SBZ wurde als „zeitweilig … mit Zustimmung der Regierung der DDR“ bezeichnet. Damit wollte die SU 1. die Stellung der SED stärken; 2. nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur BRD (13. 9. 1955) ihr die SBZ als gleichberechtigten Verhandlungspartner hinstellen; 3. in bezug auf die „entspannende“ Konferenz der Regierungschefs in Genf (Aug. 1955) der SBZ eine internationale souveräne Rolle zu spielen. — Um die Finanz- und Wirtschaftsnot der SBZ zu beheben und sie neben der BRD wettbewerbsfähig zu machen, erließ die SU ihr am 17. 7. 1956 die Hälfte der Besatzungskosten und gewährte ihr beträchtliche Kredite. Wie auf allen internationalen Konferenzen seit 1954 betonte die Regierung der SU auch bei dieser Gelegenheit, die „DDR“ müsse, unberührt von gesamtdeutschen Wahlen und bereits vor solchen, als rechtmäßiger und gleichberechtigter deutscher Teilstaat anerkannt werden. Das Regime der SBZ ist ständig bemüht, auch mit nichtkommun. Staaten Handelsabkommen abzuschließen, um auf diesem Wege allmählich auch als souveräner diplomatischer Partner anerkannt zu werden.

 

3. Bemühungen um Anerkennung --- Rolle der Konsulate

 

 

Unermüdlich erhebt die „DDR“ den Anspruch, als Nachfolgestaat des Deutschen Reiches anerkannt zu werden. Ihre Bemühungen, in möglichst vielen Staaten, die der SBZ diplomatische Beziehungen verweigern, wenigstens regierungsamtlich anerkannte Handelsvertretungen zu errichten, blieben nicht erfolglos. Doch nur vier nichtkommunistische Staaten errichteten ihrerseits Handelsvertretungen, wenn auch teilweise unter anderer Bezeichnung, in der SBZ, die aber keine vollwertigen diplomatischen Vertretungen (Botschaften o.ä.) sind: Ägypten (= VAR), Jemen und Syrien unterhalten Generalkonsulate, Finnland hat Handelsmission, Ghana löste Handelsvertretung am 24. 3. 1966 auf.

 

„Handelsvertretungen der DDR“ im engeren Sinne bestehen nunmehr in Ägypten, Algerien, Argentinien (am 13. 9. 1962 als unerwünscht geschlossen), Burma, Ceylon, Finnland, Ghana (am 24. 3. 1966 als unerwünscht geschlossen), Guinea, Indien, Indonesien, Irak, Jemen, Kambodscha, Libanon, Mali, Marokko, Sudan, Syrien, Tansania, Tunesien, Zypern. In einigen anderen Staaten erreichte die SBZ nur die Zulassung von Vertretungen der Kammer für ➝Außenhandel: in Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Island, Italien, in den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schweden, Türkei. — In drei Staaten erlangte die SBZ Vertretungen auf Grund von Abkommen der Staatsbanken: Brasilien, Columbien, Uruguay.

 

Das Regime kann die Tatsache nicht verheimlichen, daß es bisher nur von 13 kommun. Staaten anerkannt wurde. Deshalb griff Ende 1964 das regierungsamtliche Handbuch „DDR — 300 Fragen, 300 Antworten“ (auf S. 294) nach Aufzählung der diplomat. Beziehungen zu den 13 Staaten zu der gewundenen Erklärung: „Die DDR hat außerdem zahlreiche weitere offizielle Beziehungen.“ „Generalkonsulate der DDR“ bestehen in Burma, Ceylon, Indonesien, Irak, Ägypten (VAR), Jemen, Kambodscha. (Dazu sind je eines in Tansania [April 1965] und Syrien [Sept. 1965] gekommen.)

 

Die SBZ sucht den Eindruck zu erwecken, schon mit diesen meist einseitigen konsularischen Vertretungen hätte sie vollwertige diplomatische Beziehungen erreicht. Dies trifft nicht zu. Diese technisch-reiseverkehrsmäßigen Einrichtungen stellen ebensowenig diplomatische Vertretungen dar, wie die Handelsvertretungen verschiedener Abstufungen.

 

4. Forderungen 1957--1961

 

 

Die A. der SBZ verfolgt ihr Ziel, im Sinne des sowjet. Imperialismus zu wirken, auch mit jener propagandistischen Form außenpolitischer Aktivität, die der Ausschuß für deutsche Einheit z. B. wie folgt umschrieb: „Ein wichtiger Grundsatz der Außenpolitik der DDR ist die Zusammenarbeit mit den friedliebenden, demokratischen Kräften in allen Ländern und vor allem die Aktionseinheit der deutschen [S. 53]Arbeiterklasse mit der internationalen Arbeiterklasse.“ A. und parteipolitische Klassenkampf-Agitation sind, wie in allen Staaten des Sowjetblocks, auch in der SBZ eng miteinander verbunden.

 

Seit dem Frühjahr 1957 zielt die unter dem Schlagwort Koexistenz geführte sowjet. Propaganda darauf ab, die defensiven Atomwaffen der NATO zu diffamieren. Seitdem ist die A. der SBZ noch enger als vorher mit dem „Friedenskampf“ (Frieden) des Sowjetblocks verknüpft. So schlug die Regierung der SBZ am 3. 4. 1957 der Bundesregierung vor, sie solle alle Atomwaffen ablehnen, einschließlich derer, die zur Ausrüstung von nichtdeutschen NATO-Truppen auf dem Boden der BRD gehören. Am 27. 7. 1957 legte sie diesen Plan der Bundesregierung noch einmal vor und forderte als Voraussetzung für eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa das „Ausscheiden der beiden deutschen Staaten aus der NATO und aus dem Warschauer Vertrag, Aufhebung der Wehrpflicht und Vereinbarung über die beiderseitige Truppenstärke; gemeinsames oder einzelnes Ersuchen an die vier Mächte auf baldige schrittweise Zurückziehung ihrer Truppen aus ganz Deutschland“.

 

Auf dieser Linie stützte sich die SBZ am 5. 10. und 11. 12. 1957 auf jenen Vorschlag für eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa, den der polnische Außenminister Rapacki vertritt. Dabei übernahmen Regierung und Volkskammer das von der KPdSU diktierte Moskauer „Friedensmanifest der kommunistischen und Arbeiterparteien“ und forderten „eine breite atomwaffenfreie Zone im Herzen Europas“.

 

Das SBZ-Regime versucht ständig, seine Forderungen zur A. vorzutragen. Eine Gelegenheit bot die Genfer Außenministerkonferenz der vier Mächte vom Mai bis Juli 1959, die durch die ultimativen Erklärungen der SU (seit 10. 11. 1958) gegen den Vier-Mächte-Status Berlins herbeigeführt worden war. Wie die Regierungserklärung vom 9. 9. 1959 rückblickend betonte, suchte die SBZ zu erreichen, „daß Verhandlungen über Deutschland ohne die Teilnahme beider deutschen Staaten unmöglich sind“. Sie erstrebte „ihre De-facto-Anerkennung durch die Westmächte“. Dabei vermied das Regime wohlweislich die Probe, wie die Bevölkerung sich in geheimen, international kontrollierten Wahlen, vor allem in Mehrlistenwahlen, zu seiner Politik stellen würde. Es versuchte, die Bundesregierung als gefährliche militaristische und chauvinistische Angriffsmacht hinzustellen. (Auslandspropaganda)

 

Seit der Sprengung der Pariser „Gipfelkonferenz“ (Mai 1960) durch die SU agitiert das Regime der SBZ noch heftiger für atomare und nichtatomare Abrüstung und bezeichnet die Bundesrepublik als einzigen Störenfried. Die SBZ wolle, so beteuerte Walter ➝Ulbricht am 26. 9. 1960, „die Sicherung des Friedens und die Abrüstung“. Weiter behauptete Ulbricht in dieser Erklärung zur A.: „Es stehen sich … gegenüber: die friedliebende DDR und die Friedenskräfte in Westdeutschland auf der einen Seite, die Revanchisten und Militaristen mit ihrer Bundesregierung in Westdeutschen auf der anderen Seite.“

 

Ferner erstrebt die SED seit Ende 1956 nicht nur eine Koexistenz im Sinne der SU und eine Konföderation zwischen der „DDR“ und der Bundesrepublik. Sie tritt auch immer wieder (gemäß Vorschlag der SU vom 10. 1. 1959) für einen Friedensvertrag ein, der die BRD (ohne vorherige geheime gesamtdeutsche Wahlen) von westlichen Truppen entblößten, aus der NATO lösen und ihr rasch das Schicksal der SBZ bereiten würde. Ein solcher Vertrag soll auch den Westteil Berlins zur „Freien Stadt“ machen, als Beginn zur Einverleibung in die SBZ.

 

Um den Ostblock zu stärken und ihre eigene Stellung zu festigen, versucht die SBZ, vor allem in Afrika und Vorderasien, Hilfe für Entwicklungsländer zu geben. Diese Versuche sollen der A. und dem Außenhandel dienen. Ihre Wirksamkeit in Übersee ergänzt sie durch die propagandistische Behauptung, die Bundesrepublik entfalte einen Neukolonialismus, der durch seine Tarnung doppelt gefährlich sei.

 

Die Propaganda-Stichworte und Ziele, mit denen die SBZ seit Errichtung der Mauer A. zu betreiben versucht, faßte die Regierung in der Denkschrift zusammen, die sie am 27. 9. 1961 an die 16. Vollversammlung der UN richtete. Sie behauptete dort, die Bundesregierung treibe Revanchismus, indem sie die Wiedereroberung der 1945 abgerissenen deutschen Ostgebiete plane. Auch erscheint dort die lächerliche Mär, Bonn verlange die 1919 abgetretenen Kolonien zurück. Das Regime der SBZ forderte, die Bundesregierung solle der Neutralisierung (Bündnisfreiheit) beider [S. 54]Teile Deutschlands zustimmen. Denn „die militärische Neutralität beider deutscher Staaten würde durch die Heraushaltung ganz Deutschlands aus dem atomaren Rüsten, durch den Abzug der ausländischen Truppen und die Beseitigung ihrer Stützpunkte sowie durch den schließlichen Austritt der beiden deutschen Staaten aus den jeweiligen Militärgruppierungen gewährleistet“ werden. (Damit sollen die nicht von der SED beherrschten drei Viertel des deutschen Volkes schutzlos der Übermacht des Ostblocks ausgeliefert werden.) Die Bundesregierung solle darauf verzichten, Selbstbestimmung für die Bevölkerung der SBZ und Berlins zu verlangen, da sie damit nur ihre gewalttätigen Absichten gegen die SBZ tarne. Die Bundesrepublik müsse einem Friedensvertrag (natürlich nach den sowjetischen Richtlinien vom 10. 1. 1959) zustimmen, der alle die Veränderungen bekräftigt, die die SU und die SED seit 1945 in Deutschland bewirkt haben.

 

5. Ansprüche und Bemühungen seit 1962

 

 

Immer wieder wird seitens des Regimes (so von Otto ➝Winzer am 27. 5. 1962 im „Neuen Deutschland“) „die Anerkennung der Souveränität der DDR“ für notwendig erklärt. Am 3. 10. 1962 wagte es Ulbricht (auf der 17. Volltagung des ZK der SED), die Sperrmauer in Berlin und die mörderische Abschnürung der SBZ von der BRD als „Maßnahmen zum Schutze der Grenzen“ zu bezeichnen. Der „Ausbau der DDR als Bastion des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus“, so bemerkte er, habe in Westdeutschland jene Kräfte gestärkt, die die „Anerkennung der Existenz zweier deutscher Staaten“ wünschen. — Die Machthaber der SBZ versuchen immer wieder, für ihre Gewaltpolitik gegen den sowjetzonalen Teil des deutschen Volkes eine völkerrechtliche Anerkennung zu erlangen. Sie wollen vor allem gleichberechtigt neben die BRD treten, obwohl ihr weiteres Ziel die Aushöhlung und Gewinnung der BRD ist. Auch 1962 bemühte sich die SBZ, durch Propaganda und diplomatischen Druck einen „Friedensvertrag für Deutschland“ durchzusetzen. Anfang 1963 wurden diese Bemühungen durch eine neue Phase von Koexistenz- und Entspannungsgesten der SU gedämpft und überlagert, ohne daß damit die Forderungen nach der pax sovietica für ganz Deutschland aufgegeben worden wären. — Am 8. 8. 1963 trat die SBZ in Moskau dem „Abkommen über die Einstellung der Atomversuche“ bei; sie wertete dies als wichtigen Schritt zur diplomatischen Anerkennung, durfte jedoch, entsprechend den Bedingungen der USA und Großbritanniens, zum Unterschied von der BRD nur bei einem der Depositärstaaten, bei der SU, unterzeichnete. Die USA und Großbritannien nahmen völkerrechtlich-diplomatisch nicht Kenntnis vom Beitritt der SBZ.

 

Am 30. 7. 1963 bezog das ZK der SED offen Stellung in der Auseinandersetzung, die zwischen der KPdSU und der KP Chinas über die Taktik im Kampf gegen den „Kapitalismus“ ausgebrochen war (Polyzentrismus). Das ZK der SED verwarf den offen revolutionären, harten Kurs der KP Chinas, weil er „den Kampf gegen den Imperialismus erschweren“ würde (Sozialistisches Weltsystem). Dieses Eintreten für die taktisch etwas weichere und verdecktere Kampfweise der KPdSU ist nicht nur parteipolitisch bedeutsam. Es zeigt zugleich, daß die A. der SBZ auch durch parteipolitische Erwägungen nicht von der SU gelöst werden konnte. Diese Haltung behielt die SED in der weiteren Entwicklung des Chinesisch-Sowjetischen Konfliktes bei.

 

Der Austausch von Handelsvertretungen und die handelspolitischen Abmachungen, die Satellitenstaaten wie Polen, Rumänien, Ungarn u.a. seit 1963 mit der BRD vereinbaren, verletzen das außenpolitische Prestige der SBZ nicht unerheblich, weil diese Verbindungen über den Kopf der SBZ hinweg Zustandekommen.

 

Die Modifizierung des Rapacki-Planes im sogenannten Gomulka-Plan fand am 10. 5. 1964 den vollen Beifall der SBZ. Nach diesem Plan soll es West- und Mitteldeutschland, der Tschechoslowakei und Polen verboten sein, atomare wie nichtatomare Waffen zu modernisieren; dagegen berührt er nicht das atomare wie nichtatomare Weiterrüsten der SU. Da die BRD somit zugunsten der SU geschwächt würde, ist die Zustimmung der SU wie der SBZ begreiflich.

 

Der sogenannte „Freundschaftsvertrag“, den die SU am 12. 6. 1964 mit der SBZ schloß, bestätigte zunächst das bisherige Verhältnis zwischen beiden und ihre Zugehörigkeit zum Warschauer Beistandspakt. Der Vertrag enthält keine direkte [S. 55]Drohung gegen West-Berlin und bekräftigt in § 9 das Potsdamer Abkommen, doch behauptet der Vorspruch, die „DDR“ habe „die Grundsätze des Potsdamer Abkommens verwirklicht“, und § 2 verlangt wiederum „den Abschluß eines deutschen Friedensvertrages und die Normalisierung der Lage in West-Berlin auf seiner Grundlage“. Laut § 4 ist die „Unantastbarkeit der Staatsgrenzen der DDR einer der Grundfaktoren der europäischen Sicherheit“. Damit wird von den Vertragspartnern neuerdings proklamiert, daß Entspannung in Europa und Erörterungen über Deutschland nur vom Status quo ausgehen sollen.

 

Am 19. 11. 1964 stellte die Regierung (durch Außenminister Lothar ➝Bolz) 4 Hauptgedanken für ihre A. heraus, denen die Volkskammer zustimmte: „Grundlage unserer Außenpolitik ist das Bündnis mit unseren Sozialistischen Bruderländern, an ihrer Spitze die Sowjetunion … Um den Ausbau unserer Beziehungen — besonders zu den Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sowie zu den internationalen Organisationen — werden wir uns weiter bemühen.“

 

Anschließend wurden das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes und die lebensnotwendige Verteidigungsrüstung der Bundesrepublik scharf abgelehnt: „Der Übergang vom Ende der Nachkriegszeit zu einer stabilen Friedensordnung muß erzwungen werden. Dabei kommt der Unschädlichmachung des Bonner Revanchismus und der Verhinderung seiner Atomrüstungspläne sowie dem Abschluß des deutschen Friedensvertrages und der friedlichen Regelung des Westberlinproblems auf seiner Grundlage erstrangige Bedeutung zu. Gegen den verschärften Widerstand der verhandlungsfeindlichen aggressiven Kräfte des Revanchismus und der Atomaufrüstung muß eine Periode der friedlichen Verhandlungen und der offiziellen Kontakte zwischen den deutschen Staaten durchgesetzt werden.“

 

Auf derselben Linie brachte Ende 1964 das regierungsamtliche Handbuch „DDR — 300 Fragen, 300 Antworten“ (S. 285) folgende Äußerung: Die „DDR“ unterstützt „das Recht auf Selbstbestimmung … als das Recht aller Völker, ihr politisches, ökonomisches und soziales System nach ihrem eigenen Willen, frei von ausländischer Einmischung und neokolonistischer Unterdrückung zu wählen“. — Mit dieser Propagandathese ihrer A. entlarven die SED und ihr SBZ-Regime selbst ihren eigenen Verrat an der Selbstbestimmung des sowjetzonalen Teiles des deutschen Gesamtvolkes. Obwohl die Politik der SBZ die Grundsätze echter Demokratie ständig verletzt, versucht das Regime, als demokratisch anerkannt zu werden. So kam es zu dem Antrag der Aufnahme in die Vereinten Nationen, den die Regierung der SBZ am 1. 3. 1966 stellte.

 

6. Hilfsmittel der Außenpolitik

 

 

Seit 1964 versucht das Regime noch stärker als bisher, durch wirtschaftliche, technische und kulturell-wissenschaftliche Auslandsbeziehungen das politische Ansehen der „DDR“ zu heben und für Anerkennung der Souveränität zu werben. Vor allem wirkt das Regime wie bisher in den arabischen Ländern, in Afrika und im Süden und Südosten Asiens, seit 1965 stärker auch in Südamerika. Dort wurde Uruguay ihr taktisch günstiges Aufmarsch- und Anlaufsgebiet. Zahlreiche Reisen, die Minister und führende Funktionäre als „Sonderbotschafter des Staatsratsvorsitzenden“ (Ulbrichts) unternahmen und unternehmen, unterstützen diese Bemühungen.

 

Unter geschickter Ausnutzung der Verstimmungen und Mißverständnisse, die zwischen der BRD und den arabischen Staaten entstanden waren, erreichte es Ulbricht, zu einem sechstägigen Staatsbesuch (24.–29. 2. [sic! richtig: 2. 3.] 1965) bei dem Staatspräsidenten der VAR (Ägyptens) zugelassen zu werden. Zwar gab dieses Ereignis der Propaganda und den diplomatischen Bemühungen der A. der SBZ einen Auftrieb, doch kam das Regime nicht zu seinem Ziel, zur Anerkennung der Legitimität der „DDR“ durch Ägypten und zur Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen.

 

Mit allen Mitteln setzt die SBZ ihre Anstrengungen in den blockfreien „jungen Nationalstaaten“ Asiens und Afrikas und in Südamerika fort. Sie bietet Studienförderung für Gaststudenten, langfristige Kredite zu niedrigem Zins (Entwicklungsländer), medizinische Einrichtungen und technische Anleitungen (teils unter Preis, teils unentgeltlich); sie organisiert Delegations- und Studienreisen, nach Möglichkeit sogar gegenseitig. Überall bedient sie sich dabei demokratischer, „friedensfördernder“ und rein humanitärer Tarnformeln, nicht zuletzt auf internationalen Fach- und Wissenschaftstagungen.

 

Literaturangaben

  • Dallin, David J.: Die sowjetische Außenpolitik seit Stalins Tod (a. d. Amerik.). Köln 1961, Kiepenheuer und Witsch. 640 S.
  • Meissner, Boris: Das Ostpaktsystem (Dokumente, hrsg. v. d. Forschungsstelle für Völkerrecht … der Universität Hamburg, H. 18). Frankfurt a. M. 1955, Alfred Metzner. 208 S.
  • Wannenmacher, Walther: Das Land der Schreibtischpyramiden — ein Nationalökonom erlebt den Osten als Schwerarbeiter (Tschechoslowakei 1945 bis 1955) 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1956, Wolf-Rode. 280 S., 1 Taf.
  • : Die Bemühungen der Bundesrepublik um Wiederherstellung der Einheit Deutschlands durch gesamtdeutsche Wahlen. Dokumente und Akten. (BMG), I. Teil (4., erw. Aufl.) 1958. 153 S.; II. Teil (erw. Neuaufl.) 1958. 290 S.; III. Teil: Systemat. Regist. 2., verb. Aufl. 1961. 58 S. Je eine englische und eine französische Ausgabe in einem Bande enthält die Dokumente bis Januar 1954.
  • Bürger, G. A.: Die Legende von 1952 — zur sowjetischen März-Note … 3. Aufl., Leer 1962, G. Rautenberg. 76 S.
  • Deuerlein, Ernst: Deutschland, wie Chruschtschow es will… Sowjetische Deutschlandpolitik 1955 bis 1961. Bonn 1961, Berto-Verlag. 217 S.
  • Dokumente zur Deutschlandpolitik, III. Reihe, Bd. 1 (5. Mai bis 31. Dez. 1955), bearb. v. Ernst Deuerlein und Hansjürgen Schierbaum. (BMG) Frankfurt a. M. 1960, Alfred Metzner. 952 S.
  • Dokumente zur Deutschlandpolitik, III. Reihe, Bd. 2 (1956), in 2 Halbbänden (1963), zus. 1295 S.
  • Erfurt, Werner: Die sowjetrussische Deutschlandpolitik. 6., erw. Aufl., Eßlingen 1962, Bechtle. 275 S.
  • Meissner, Boris: Rußland, die Westmächte und Deutschland. Die sowjetische Deutschlandpolitik 1943–1953. Hamburg, Nölke. 375 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 51–55


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.