
Erziehungswissenschaft (1966)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979
[S. 126]Die sowjetzonale E. bzw. „pädagogische Wissenschaft“ oder Pädagogik gehört nach der marxistisch-leninistischen Wissenschaftstheorie zu den Gesellschaftswissenschaften. Ihr Gegenstand ist das erzieheri[S. 130]sche Geschehen, das in der Stalin-Ära mit den planmäßigen, von Erziehern geleiteten direkten und indirekten Einwirkungen auf Kinder und Jugendliche und den aus ihnen resultierenden Veränderungen identifiziert wurde.
In den letzten Jahren ist jedoch die Einschränkung des Gegenstandes der Erziehung auf „den Heranwachsenden“, den Erzieher und die „bewußte Einwirkung“ gelockert worden. Es wird zugegeben, daß es auch eine „funktionale“ Erziehung gibt, wenn auch die theoretischen Konsequenzen dieser Einsicht noch auf sich warten lassen.
Aufgabe der E. ist es, die Gesetzmäßigkeit der Erziehung und Bildung (Erziehungs- und Bildungswesen) unter dem Aspekt der Entwicklung der bestehenden Sozial- und Herrschaftsstruktur — in Richtung auf die Endphase des Kommunismus — zu erforschen. Diese Aufgabe hat die E. in strenger Bindung an den vom Dialektischen und Historischen Materialismus geformten Aspekt der Weltbetrachtung zu bewältigen, d. h. auch unter Anwendung [S. 131]der dialektischen Methode. Bei der Gliederung des Gegenstandes ihrer Forschung verfährt die E. reichlich unproblematisch. Man unterscheidet: Grundlagen der Pädagogik, allgemeine Theorie der Erziehung und des Unterrichts (Didaktik, Methodik). Dazu kommt die Geschichte der Pädagogik. Seit einigen Jahren laufen verstärkte Bemühungen um die Entwicklung einer pädagogischen Psychologie. Verpflichtet auf das Prinzip der Parteilichkeit liefert die sowjetzonale E. alles andere als objektive Analysen des erzieherischen Geschehens. Von ihr wird vielmehr erwartet, daß sie der pädagogischen Praxis bewußt hilft, die ihr gesetzten politisch-pädagogischen Ziele in Übereinstimmung mit der Politik der SBZ erfolgreich zu realisieren.
Die Zahl der Publikationen hat sich in den letzten Jahren vermehrt (z. B. methodische Handbücher, Beiträge zur Geschichte der Erziehung und zur Auseinandersetzung mit der pädagogischen Entwicklung in der BRD). Trotz mehrfacher Ansätze ist es dem Regime bisher nicht gelungen, zu einem funktionierenden System der Planung, Organisation und Leitung der pädagogischen Forschung zu gelangen. Z. Z. wird die Lösung folgender Hauptaufgaben gefordert: Herausarbeitung der nationalen Rolle des sozialistischen Schulwesens und Auseinandersetzung mit der imperialistischen Pädagogik; Verbesserung der sozialistischen Erziehung der Schuljugend, ins besondere der staatsbürgerlichen, der Arbeitserziehung und der körperlichen Erziehung; Klärung der Probleme der Tagesschule; Untersuchungen zum Inhalt und der Methodik des Unterrichts; Verbesserung des polytechnischen Unterrichts; Verbesserung der Leitungstätigkeit an der Schule; Probleme der Vorschulerziehung; weitere Erschließung der schulpolitischen und pädagogischen Erkenntnisse und Erfahrungen der SU und anderer sozialistischer Länder sowie des progressiven nationalen pädagogischen Erbes.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 126–131
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