DDR von A-Z, Band 1966

Filmwesen (1966)

 

 

Siehe auch:


 

Im Sinne der Worte Stalins: „Der Film ist das gewaltigste Mittel zur Einwirkung auf die Massen. Wir müssen ihn in die Hand bekommen“, wird das F. auch in der SBZ als ein Hauptinstrument der Bewußtseinsbildung, der Agitation und Propaganda betrachtet und behandelt. Partei und Regime sicherten sich daher frühzeitig entscheidenden Einfluß und bauten ihn entsprechend der Entwicklung von der antifaschistisch-demokratischen Ordnung zum Aufbau des Sozialismus aus.

 

Seit Okt. 1958 lag die gesamte Steuerung des F. bei der VVB Film, die dem Ministerium für Kultur unterstand; im März 1958 trat an deren Stelle eine Hauptverwaltung Film dieses Ministeriums. Zu den von der VVB Film gelenkten Betrieben und Instituten gehörten nicht nur die fünf Studios der DEFA, die das Filmherstellungsmonopol innehat, einige weitere „volkseigene“ technische Betriebe, der VEB Progress Film-Vertrieb, der VEB DEFA-Außenhandel (beide ebenfalls als Monopole arbeitend), sondern auch das Staatliche ➝Filmarchiv, die Deutsche Hochschule für Filmkunst mit der Ingenieurschule für Filmtechnik in Babelsberg sowie die Zentralschule für Lichtspielwesen in Neustrelitz (mit Außenstelle in Wernigerode) für Theaterleiter, Filmvorführer und „Meister der Wiedergabetechnik“. Die DEFA produzierte 1964 insgesamt 15 Spielfilme, 22 Dokumentar-, 137 populärwissenschaftliche, Lehr- und Instruktionsfilme sowie 22 Trickfilme, ferner rd. 70 Wochen- und Monatsschauen und 26 Folgen „Stacheltier“. Außerdem wurden 36 Spielfilme für den Fernsehfunk (Fernsehen) hergestellt. In den Filmtheatern der SBZ wurden 1964 insgesamt 148 Spielfilme gezeigt; davon waren 13 aus der BRD, 37 aus dem westlichen Ausland und 111 aus den Ländern des Ostblocks importiert worden.

 

1964 gab es 1.024 (1961: 1.327) Filmtheater; fast alle Theater sind entschädigungslos enteignet worden; die „volkseigenen“ (Volkseigentum) sind zum kleineren Teil im VEB Filmtheater, zum weitaus größeren in den „Volkseigenen Kreislichtspielbetrieben“ zusammengefaßt. — Mit Nachdruck wird das Landfilmwesen ausgebaut; 1957 sollen über 10.000 „Spielstellen“ mindestens einmal wöchentlich gespielt haben. Im ganzen fanden 1964 in der SBZ 1.513.730 Vorstellungen mit rd. 141 Mill. Besuchern (1962 noch rd. 2 Mill. Vorstellungen mit rd. 191 Mill. Besuchern) statt. Der Rückgang der Zahlen der Theater, Vorstellungen und Besucher entspricht der allgemeinen, vornehmlich durch das Fernsehen bestimmten Tendenz. Die Frequenz wie auch die Auswertung „fortschrittlicher“ Filme soll durch die Filmaktivs (Aktiv) unterstützt werden.

 

Die Lage der monopolisierten und staatlich gegängelten Filmproduktion zwischen den ideologischen Anforderungen auf der einen Seite und dem Auftrag, das Publikum zu unterhalten und die Theater zu füllen, auf der anderen ist prekär und ein Anlaß zu immer wiederkehrenden Krisen und Auseinandersetzungen. Im Jahre 1958 riefen besonders die Ausstrahlungen des Neorealismus die SED auf den Plan; eine von ihr einberufene Filmkonferenz (Juli 1958), von Alexander ➝Abusch als „Kampfkonferenz für die Höherentwicklung unserer sozialistischen Filmkunst“ bezeichnet, forderte im Anschluß an Empfehlungen der Kulturkommission beim ZK die Rückkehr zur „schöpferischen Methode des sozialistischen Realismus“. Die Verhärtung des kulturpolitischen Kurses der SED führte um die Jahreswende 1965/66 dazu, daß die DEFA mehrere fertige Filme absetzen mußte; der Regisseur Kurt ➝Maetzig übte Selbstkritik. Die ideologische Linie des sowjetzonalen Spielfilms muß sich neuerdings nicht nur gegen den Westen, sondern auch gegen die undoktrinäre Entwicklung und das beachtliche Niveau östlicher, vor allem polnischer und tschechischer Produktionen behaupten. Das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums und die Rentabilität der Theater erfordern nach wie vor die Einfuhr westlicher Filme; die Produktion der Ostblockstaaten belegt natürlich einen beträchtlichen Teil des Spielplanes, der der Verfügung der einzelnen Filmtheater im übrigen völlig entzogen ist. Von der DEFA-Spielfilm-Produktion des Jahres 1964 war nur „Der geteilte Himmel“ (nach dem Roman von Christa ➝Wolf) als Filmkunstwerk diskutabel.

 

Als wichtigstes Mittel kommun. Agitation und Propaganda werden neben der Wochenschau „Der Augenzeuge“ und satirischen Kurzfilmen unter dem Sammelnamen „Das Stacheltier“ auch populärwissenschaftliche und Dokumentarfilme eingesetzt. Ein besonders obskures, von Fälschungen strotzendes Machwerk, „Unternehmen Teutonenschwert“, erhielt auf den Filmfestspielen in Karlsbad den ersten Hauptpreis. Der Mangel an Filmen von „Weltniveau“ trat auch bei den XI. Westdeutschen Kulturfilmtagen in Oberhausen (Februar 1965) hervor, wo die DEFA mit dem teilweise im Garnisonmilieu von Baumholder spielenden Agitationsfilm „O.K.“ (oder „Okay“) durchfiel.

 

Obschon nicht wenige Filme sowjetzonaler Produktion zum Vertrieb in der Bundesrepublik zugelassen werden, hat das Publikum nur selten Gelegenheit, solche zu sehen, da die zugelassenen Spielfilme westdeutschen Ansprüchen häufig nicht genügen. Dem angestrebten Export in die Länder des Westens stehen ebenfalls ten[S. 142]denziöse Einschläge selbst bei scheinbar unverfänglichen Themen entgegen. — Zeitschriften: „Deutsche Filmkunst“, „Filmspiegel“, „Filmkurier“.

 

Literaturangaben

  • Kersten, Heinz: Das Filmwesen in der Sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1962. Teil I (Text) 405 S. m. 43 Abb. u. 9 Tab., Teil II (Anlagen) 164 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 141–142


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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