
Handel (1966)
Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979
Der überwiegende Teil des Groß- und Einzelhandels wird von staatlichen Handelsorganen durchgeführt (Großhandelsgesellschaften, Deutsche ➝Handelszentralen, Staatliche Kontore, HO, Konsumgenossenschaften, VVEAB). Im Außenhandel sind ausschließlich staatliche Gesellschaften tätig (Deutscher ➝Innen- und Außenhandel).
Mit einem ganz geringfügigen Anteil am gesamten Großhandelsumsatz hat der private Großhandel seine volkswirtschaftliche Bedeutung verloren. Schon 1949/50 wurden mit Gründung der DIIZ die Privatbetriebe vom Versorgungshandel der Produktion und vom Großhandel mit Industriewaren weitgehend ausgeschaltet. Dagegen konnte sich der private Einzelhandel gegenüber HO und Konsumgenossenschaften mit einem Anteil von 22,4 v. H. am Einzelhandelsumsatz Ende 1964 behaupten, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß hiervon 8,7 v. H. auf den Einzelhandel mit Kommissionsverträgen entfallen. Bei einem Verhältnis von 13,7 v. H. Warenumsatzanteil müssen sich der private Einzelhandel, Handelsumsatz des Handwerkes und der Gaststätten mit 81.782 Verkaufsstellen in 6,7 Mrd. MDN teilen.
Durch mangelhafte Warenbelieferung und die niedrigen Handelsspannen von 15 v. H. im Durchschnitt, die auch noch von der Industrie- und Handelskammer festgesetzt werden, wurde der Einzelhändler für den Sozialismus gefügig gemacht und immer mehr in den sozialistischen Handelsapparat einbezogen. Die organisatorischen Unzulänglichkeiten und die Unterdrückung der persönlichen Initiative des Einzelhändlers trugen zu den regional auftretenden Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung bei. Diese Schwierigkeiten konnten auch nicht durch das Dispatchersystem und durch die staatliche Kontrolle beseitigt werden. Zur Auflockerung des Handelsnetzes richteten die Großhandelsorgane eigene Läden ein, die wie die Industrieläden zusätzlich den Bedarf und die Ansprüche der Bevölkerung testen sollten.
Im sozialistischen Handelssystem wurden 1964 17.299 Selbstbedienungsverkaufsstellen, deren Ursprung auf 1956/57 zurückgeht, mit einem Umsatz von 8,9 Mrd. DM Ost angegeben. In den Konsumgenossenschaften werden etwa die Hälfte und in der HO ein Viertel aller Lebens[S. 190]mittel in Selbstbedienungsläden umgesetzt. Neueren Datums sind die „Kaufhallen“, die als Großraumverkaufsstellen überwiegend als Selbstbedienungsläden Sortimente aller Nahrungsmittel und Teilsortimente der Industrie waren anbieten. Vergleichbar sind sie mit den Supermärkten in der BRD.
Das SED-Regime hat die Bedeutung eines gut funktionierenden Handelsapparates als politischen Wettermacher erkannt und ist bemüht, mit dem Volkswirtschaftsplan 1964 auch im Binnenhandel die Prinzipien des Neuen ökonomischen Systems zur Verbesserung der Handelssysteme endgültig durchzusetzen. Hierzu ist vor allem erforderlich, von dem Stückwerk der bisherigen administrativen Reorganisationsmaßnahmen abzugehen und nach Ausweitung und Auswertung einer exakten Bedarfsforschung die Beziehungen zwischen Handel und Produktion beweglicher zu gestalten. Es muß durch bessere Zusammenarbeit zwischen Handel und Produktion die Möglichkeit geschaffen werden, auch innerhalb des Jahresplanes eine Anpassung an die Veränderung des Marktes zur Befriedigung der Konsumentenwünsche bei der Industrie zu erreichen. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit der Industrie und Erzielung besserer Losgrößen experimentiert die SBZ mit einem Rabattsystem zwischen dem VVB und den Großhandelsgesellschaften.
Der Warenumsatz erhöhte sich 1965 um 4,0 v. H. auf 51 Mrd. DM Ost gegenüber 1963 und hat die 50-Milliardengrenze überschritten.
Die SBZ hat Inter-shops (internationale Läden) an einigen Kontrollpunkten und in der Messestadt Leipzig eingerichtet, die an Reisende aus der BRD oder dem westlichen Ausland ausländische Waren, speziell Genußmittel nur gegen Devisen zu besonders günstigen Preisen abgeben, um den Devisenbestand aufzubessern. Zum Einkauf dieser Waren wurde die Intershop-G.m.b.H. gegründet, die dem Ministerium für Verkehrswesen unterstellt ist. An den Messetagen werden die Inter-shops von der Genex GmbH in Leipzig unterstützt.
Die Ausschaltung der freien Konkurrenz zwingt zur staatlichen Überwachung durch Güteinspektionen, die in allen Eigentumsformen des Groß- und Einzelhandels tätig werden und sich um Qualität im Wareneingang und Warenausgang zu kümmern haben. Stark propagiert wird das „Geschäft ohne Verkäufer“, d.h. eine Automatenstraße ohne bestimmte Geschäftszeiten. Die Durchführung stößt jedoch noch auf Schwierigkeiten bei den angesprochenen Produktionszweigen.
Literaturangaben
- *: Der Einzelhandel in der Versorgung der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone. (Mat.) 1953. 64 S. m. 15 Tab. u. 22 Anlagen.
- Pöhler, Felix: Der Untergang des privaten Einzelhandels in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1952. 64 S. m. 11 Anlagen.
- Pöhler, Felix: Die Vernichtung des privaten Großhandels in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1952. 80 S. m. 15 Anlagen.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 189–190