DDR von A-Z, Band 1966

Konfliktkommission (1966)

 

 

Siehe auch:


 

Seit 1953 bestehen K. in den Volkseigenen Betrieben und Verwaltungen. Sie hatten ursprünglich nur die Aufgabe, Arbeitsstreitigkeiten im Betrieb zu entscheiden. — Auf dem 4. Plenum des ZK der SED forderte Ulbricht, den K. größere Verantwortung und größere Rechte zu übertragen. Ohne gesetzliche Grundlage wurden daraufhin in vielen Betrieben erweiterte K. gebildet, die sich mit Verstößen gegen die sozialistische ➝Arbeitsmoral, gegen die Arbeitsdisziplin und mit kleineren kriminellen Delikten, die mit dem Betrieb in Zusammenhang standen, befaßten. Durch eine VO vom 28. 4. 1960 (GBl. I, S. 347) wurde sodann eine Richtlinie, die zwischen dem FDGB und der Staatlichen ➝Plankommission vereinbart war, bestätigt, gleichzeitig wurde die VO vom 30. 4. 1953 (GBl. I, S. 695) aufgehoben. Gesetzliche Grundlage sind seit 1. 7. 1961 §§ 142–146 Gesetzbuch der Arbeit, ab 18. 4. 1963 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzbuches der Arbeit vom 17. 4. 1963 (GBl. I, S. 63) und dazu ab 1. 6. 1963 die VO vom 17. 4. 1963 mit Richtlinie vom 30. 3. 1963 (GBl. II, S. 237).

 

In die Zuständigkeit der K. fällt nunmehr die Entscheidung über Verstöße gegen die sozialistische ➝Moral und die Arbeitsdisziplin. Sie behandelt ferner Einsprüche gegen Disziplinarmaßnahmen der Betriebsleitung, Streitfälle mit der Sozialversicherung über kurzfristige Barleistungen (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen) und mit der Kasse der gegenseitigen Hilfe. Wie seit 1953 entscheidet sie über Arbeitsstreitigkeiten im Betrieb. Ferner hat die K. über geringfügige Straftaten zu entscheiden. Voraussetzung ist, daß der Schaden geringfügig und die Schuld gering ist, der Täter geständig und der Sachverhalt aufgeklärt und einfach ist. Solche Straftaten sind: Vergehen gegen das sozialistische oder persönliche Eigentum, leichte Körperverletzungen, Beleidigungen, Vergehen auf dem Gebiete des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, Sachbeschädigungen, Verkehrsdelikte, leichte Wirtschaftsvergehen sowie andere erstmalig begangene geringfügige Straftaten, bei denen auf Grund der Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Werktätigen das Erziehungsziel erreicht werden kann.

 

Die K. kann nur Erziehungsmaßnahmen auferlegen, jedoch keine fristlosen Entlassungen anordnen oder Geld- oder Freiheitsstrafen verhängen. Sie kann u. a. eine gesellschaftliche Mißbilligung aussprechen, einen Beschuldigten verpflichten, sich beim Geschädigten oder vor dem gesamten Kollektiv zu entschuldigen, und ihn verpflichten, einen Schaden durch eigene Arbeit zu beheben. Ferner haben sie auf An[S. 250]trag über folgende Streitigkeiten unter Betriebsangehörigen zur gütlichen Beilegung zu beraten: a) wegen Geldforderungen bis zur Höhe von 500,– DM, b) vom einfachen Sachverhalt, die im täglichen Leben der Bürger aus Verletzungen ihrer Rechte und Pflichten entstehen, c) wegen Erfüllung rechtsverbindlich festgestellter Unterhaltsverpflichtungen.

 

Die K. werden als „gesellschaftliche Organe“ bezeichnet, die hervorragende Mittel der Erziehung der Arbeiter und Angestellten zu Menschen mit sozialistischem ➝Bewußtsein (Bewußtseinsbildung) seien. Ihre Schaffung wird als Zeichen für das allmähliche Absterben des Staates nach Errichtung der sozialistisch/kommun. Gesellschaftsordnung ausgegeben. (Marxismus-Leninismus). Die K. werden von der Belegschaft gewählt. Sie können jetzt auch in halbstaatlichen Betrieben errichtet werden. Die Wahl erfolgt auf zwei Jahre und soll mit den Gewerkschaftswahlen koordiniert werden.

 

Die K. bestehen aus 8–12 Mitgliedern, von denen mindestens 4 an den Beratungen teilzunehmen haben. Die Beratungen der K. sind öffentlich und sollen im großen Kreis stattfinden. Auf jeden Fall sollen die Angehörigen des Kollektivs teilnehmen, die mit dem betr. Werktätigen zusammenarbeiten. Jeder Teilnehmer an der Beratung ist berechtigt, vor der K. seine Auffassung darzulegen. Im übrigen wird die Verhandlung formlos geführt. Sio findet außerhalb der Arbeitszeit statt. Für die Entscheidung ist eine einfache Mehrheit erforderlich. Beschlüsse in Arbeitsstreitigkeiten können beim Kreisgericht (Arbeitsgericht) angefochten werden. Das gleiche gilt für Streitigkeiten mit der Kasse der gegenseitigen Hilfe und für den Fall, daß der Betriebsleiter der Empfehlung der K. nicht entspricht, eine Disziplinarmaßnahme aufzuheben. Beschlüsse in Sozialversicherungssachen können bei der Kreisbeschwerdekommission angefochten werden. Im Falle eines Moralverstoßes kann der Betroffene gegen einen solchen Beschluß binnen 14 Tagen Einspruch bei der BGL bzw. AGL einlegen. Diese kann den Beschluß aufheben und die K. beauftragen, die Sache erneut und endgültig zu beraten. Im Falle eines Beschlusses wegen einer geringfügigen Straftat hat der Betroffene das Recht, binnen 14 Tagen Einspruch beim zuständigen Kreisgericht einzulegen. Dieses kann den Einspruch als unbegründet zurückweisen oder die Sache mit entsprechenden Empfehlungen an die K. zurückgeben. Die dann ergehende Entscheidung der K. ist endgültig. Der Staatsanwalt kann innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung Anklage erheben, wenn sich nachträglich Umstände herausstellen, aus denen sich ergibt, daß es sich um keine geringfügige Straftat handelte. Der Grundsatz „ne bis in idem“ gilt hier also nicht. (Gesellschaftliche Erziehung, Gesellschaftliche Gerichte)

 

Literaturangaben

  • Mampel, Siegfried, und Karl Hauck: Sozialpolitik in Mitteldeutschland (Sozialpolitik in Deutschland, H. 48, hrsg. v. Bundesmin. f. Arbeit …). Stuttgart usw. 1961, Kohlhammer. 87 S.
  • Mampel, Siegfried: Das Gesetzbuch der Arbeit der Sowjetzone und das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland — ein Vergleich. 5. Aufl. (hrsg. v. Bundesmin. für Arbeit …). Bonn 1962. 64 S.
  • Mampel, Siegfried: Beiträge zum Arbeitsrecht der sowjetischen Besatzungszone (BMG) 1963. 135 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 249–250


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.