
Neutralismus (1966)
Siehe auch die Jahre 1963 1965 1969 1975 1979
[S. 337]In der Deutschlandfrage häufig verwandtes, insbesondere bolschewistisches Schlagwort von wechselndem Kurswert. Ursprünglich, Anfang der 50er Jahre, in positivem Sinn für westdeutsche Politiker verwandt, die der Meinung waren, Deutschland müsse sich im Interesse der Wiedervereinigung aus dem Ost-West-Konflikt heraushalten und neutral sein (Neutralität), wurde der Begriff alsbald diffamierend gebraucht, als die „Neutralisten“ die „parteiliche“ Ordnung der SBZ stärker zu kritisieren begannen und als insbesondere Angehörige der Intelligenz der SBZ sich auf die Thesen des N. beriefen in der Hoffnung, auf diese Weise ihrem Regime zu entrinnen (Widerstand). Seitdem hat die bolschewistische Führung insbesondere mit ihrer These, daß auch im Zeichen der Politik der Koexistenz ein ideologischer Kompromiß nicht statthaft sei (Konföderation, Nationaler Kompromiß), den N. in der deutschen Frage durchweg abgelehnt; bejaht wird lediglich ein Status der Neutralität, etwa nach Art Österreichs, wie ihn insbesondere der sog. Rapacki-Plan vorsieht — mit „militärischer Verdünnung“, Atomwaffenfreiheit u.ä. —, wobei aber aus durchsichtigen Gründen beide Teile Deutschlands in ihren Militärblöcken verbleiben sollen, da nur die Anwesenheit der 20 sowjetischen Divisionen das Regime der SBZ aufrechtzuerhalten vermag. Doch wird der vom polnischen Außenminister Rapacki angestrebte Status auch gelegentlich als N. bezeichnet.
Literaturangaben
- Jänicke, Martin: Der dritte Weg — Die antistalinistische Opposition gegen Ulbricht seit 1953. Köln 1964, Neuer Deutscher Verlag. 267 S.
- Kopp, Fritz: Kurs auf ganz Deutschland? Die Deutschlandpolitik der SED. Stuttgart 1965, Seewald. 346 S.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 337
Neumann, Alfred 1927 | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | Neutralität |