
Produktionsfondsabgabe (PFA) (1966)
Siehe auch:
Im Rahmen des Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft wird der Verwendung der Kapitalgüter in den WB und VEB besondere Bedeutung beigemessen. Bisher erfolgte die Bereitstellung der Anlagengüter, die ganz überwiegend aus dem Staatshaushalt finanziert wurden, für die Betriebe kostenlos (zinslos). Nun sollen die Betriebe die PFA, praktisch eine Art Zins, zahlen. Die Bemessungsgrundlage für diese Abgabe, der Produktionsfonds, ist der Bruttowert aller für den Produktionsablauf unmittelbar notwendigen Investitionen (jeweiliger Bestand an Produktionsmitteln) eines Betriebes.
Erhebungsmethode und Höhe der PFA waren trotz der in der SBZ seit fast vier Jahren zu dieser Frage geführten Diskussion — bei Redaktionsschluß noch nicht endgültig bekannt, obwohl die PFA seit Anfang 1964 in einzelnen Betrieben versuchsweise eingeführt wurde und ab Januar 1966 in der zentralgeleiteten „volkseigenen“ Industrie und anschließend in der „volkseigenen“ örtlichen Wirtschaft schrittweise aber generell erhoben werden soll. Wahrscheinlich wird der Abgabesatz etwa 3 v. H. betragen.
Mit der Einführung der PFA wird die Kapitalknappheit von den Wirtschaftsbehörden der SBZ bestätigt. Der Sinn der PFA ist es, die Betriebe zu einer sparsameren Verwendung des Sachkapitals zu veranlassen. Die Investitionen sollen auf das für den Produktionsprozeß notwendige Maß beschränkt werden, und eine sinnvolle Kom[S. 369]bination von Kapitalgütern soll erreicht werden. Dadurch soll eine größere Rationalität des volkswirtschaftlichen Produktionsprozesses, also die Steigerung des Nutzeffektes des investierten Sachkapitals (Produktivitätssteigerung), erzielt werden. Diese wohnt der PFA deswegen inne, weil sie den Gewinn der Betriebe schmälert; sie schmälert ihn aber um so weniger, je geringer der abzuführende Betrag, je geringer also der Wert der in Anspruch genommenen Produktionsgüter ist („materieller Anreiz“, „ökonomischer Hebel“).
Die PFA könnte also durchaus ein Instrument zur Förderung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität sein, wie es in der Marktwirtschaft Zins und Dividende schon immer gewesen sind. Die Diskussion um die PFA zeigt jedoch, daß die Wirkungsweise dieses Instrumentes wahrscheinlich sehr verwässert werden wird: man will die PFA-Sätze nach Industrie- bzw. Erzeugnisgruppen sowie nach der Quantität und Qualität der Produktionsfondsausstattung differenzieren. Damit bleibt für den einzelnen Betrieb zwar ein gewisser Anreiz zur sparsamen Verwendung von Kapitalgütern erhalten, eine rationelle Kapitalverwendung im volkswirtschaftlichen Rahmen jedoch wird verhindert, die Lenkung der Kapitalströme in den Bereich optimalen Nutzens ist nicht möglich. Schwierigkeiten, die der Wirksamkeit der PFA entgegenstehen, ergeben sich auch aus dem mitteldeutschen Preissystem (Preispolitik). Schließlich hat die Einführung der PFA auch Rückwirkungen auf das Steuersystem (Steuern) und den Staatshaushalt. Die PFA führt dem Haushalt zwar Mittel zu, jedoch muß das bisherige System der Gewinnabführung (Gewinn) geändert werden; die dem Haushalt zufließenden Beträge werden sich verringern.
Es ist bemerkenswert, daß die SBZ die Einführung der PFA beschlossen hat, ohne die Entwicklung in der SU abzuwarten, wo über die PFA zwar diskutiert wird, an deren Einführung jedoch vorläufig nicht gedacht ist.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 368–369
Produktionsfaktoren | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | Produktionsgenossenschaften des Handwerks |