DDR von A-Z, Band 1966

Schiedskommission (1966)

 

 

Siehe auch:


 

In seinem Erlaß über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege vom 4. 4. 1963 (GBl. I, S. 21) ordnete der Staatsrat an, daß als gesellschaftliche Gerichte in Gemeinden, Städten, LPG, PGH und privaten Betrieben Sch. gebildet werden können. Dasselbe bestimmte die Richtlinie des Staatsrates über die Bildung und Tätigkeit von Sch. vom 21. 8. 1964 (GBl. I, S. 115). Danach sind die Sch. „gewählte gesellschaftliche Organe der Rechtspflege und fester Bestandteil des einheitlichen Systems der sozialistischen Rechtspflege“. Als „Organe der Erziehung und Selbsterziehung der Bürger“ sollen sie durch ihre Tätigkeit „die freiwillige Einhaltung des sozialistischen Rechts, der Grundsätze der sozialistischen Moral und die Herausbildung neuer, sozialistischer Beziehungen im Zusammenleben der Bürger“ fördern. Ihre Bildung erfolgt schrittweise und soll bis Ende des Jahres 1966 abgeschlossen sein. Die Befugnisse der Sch. entsprechen denen der Konfliktkommissionen bei der Behandlung geringfügiger Straftaten und kleinerer zivilrechtlicher Streitigkeiten. Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten haben die Sch. im Unterschied zu den Konfliktkommissionen nicht zu behandeln. Während die Konfliktkommissionen neben der Behandlung straf-, zivil- und arbeitsrechtlicher Konflikte auch für die Behandlung aller Verstöße gegen die Gebote der sozialistischen ➝Moral zuständig sind, erstreckt sich die Zuständigkeit der Sch. auf diesem Gebiet zunächst nur auf 2 besondere Komplexe: „das Verhalten von Bürgern, die aus Arbeitsscheu keine gesellschaftlich nützliche Arbeit leisten“ und „das Verhalten von Bürgern, die als Erziehungspflichtige nicht dafür sorgen, daß ihre schulpflichtigen Kinder regelmäßig die Schule besuchen“.

 

Die Mitglieder der Sch. werden in den Städten und Gemeinden durch die jeweilige örtliche Volksvertretung, in den Genossenschaften durch die Mitgliederversammlung und in den privaten Betrieben auf Vorschlag der Betriebsgewerkschaftsleitung in Betriebsversammlungen für die Dauer von 2 Jahren gewählt. Sie können, sofern sie das in sie gesetzte Vertrauen nicht rechtfertigen, von denselben Gremien abberufen werden. Bis zum 30. 9. 1965 waren 1.300 Sch. mit rd. 15.000 Mitgliedern gebildet („Neue Justiz“ 1965, S. 594). In der Praxis überwogen bisher bei Strafsachen die Beratungen wegen Beleidigungen und bei den Beratungen über kleinere Zivilrechtsstreitigkeiten Konflikte, die in der Haus- und Wohngemeinschaft entstehen. Die örtliche Zuständigkeit der Sch. richtet sich nach dem Wohnsitz oder Arbeitsplatz des „Rechtsverletzers“ oder Antragsgegners. Während bei Entscheidungen der Konfliktkommissionen über Moralverstöße dem Betroffenen ein Einspruchsrecht an die BGL oder AGL zusteht, entscheidet über Einsprüche gegen die Entscheidungen der Sch. das Kreisgericht. Wird dem Einspruch stattgegeben, so hat das Gericht die Sache zur erneuten und nunmehr endgültigen Entscheidung an die Sch. zurückzugeben.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 412


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.