
Schule (1966)
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Das „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“ (1946) bildete bis 1959 die gesetzliche Grundlage der Organisation des Schulwesens (Einheitsschule). An seine Stelle trat das „Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der DDR“ (Schulgesetz) vom 2. Dez. 1959, das mit der Verkündung des „Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ (Bildungsgesetz) vom 25. Febr. 1965 außer Kraft gesetzt wurde.
Mit dem Gesetz von 1946 wurde ein Einheitsschulsystem geschaffen, dessen erste Stufe der (nicht obligatorische) Kindergarten bildete. Auf die 8klassige Grundschule (mit obligatorischem Fremdsprachenunterricht in Russisch vom 5. Schuljahr an), die von allen Kindern vom 6. bis 14. Lebensjahr besucht wurde, baute die 2- klassige Mittelschule und die zum Abitur führende 4klassige Oberschule auf. Die Privat-Sch. wurden aufgelöst. Schrittweise erfolgte der Abbau der einklassigen Land-Sch., der 1960 abgeschlossen war. An ihre Stelle traten Zentralschulen, in denen die Schüler der Stufen 5 bis 8 aus mehreren benachbarten Orten zusammengefaßt und in Einstufenklassen unterrichtet wurden. Mit der Gründung der „DDR“ und dem Beschluß über die Durchführung des ersten „Fünfjahrplanes zur Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR“ (1950) begann die zweite Phase des sowjetzonalen Schulwesens: der Aufbau der „sozialistischen Schule“, die aufs engste mit der „sozialistischen Produktion“ verbunden und die Grundlage für die berufliche Tätigkeit sowie für alle weiterführenden Bildungseinrichtungen sein sollte. Dieser neue Schultyp erhielt im § 1 des Schulgesetzes die Bezeichnung „Zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule“ (Ober-Sch.). Aus der ehemaligen Ober-Sch. wurde die aus 4 Klassen bestehende „Zwölfklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule“ (erweiterte Ober-Sch.). Wesentlichster Bestandteil des Unterrichts in allen Schuljahren ist die polytechnische Bildung. Im Mittelpunkt des polytechnischen Unterrichts steht der Unterrichtstag in der Sozialistischen Produktion (vom 7. Schuljahr an).
Die Ober-Sch. gliederte sich bisher in eine Unterstufe (Klassen 1–4) und eine Oberstufe Klassen 5–10); nach § 13 des Bildungsgesetzes ist eine Unterteilung in Unterstufe (Kl. 1–3), Mittelstufe (Kl. 4–6) und Oberstufe (Kl. 7–10) vorgesehen. Die zweite Fremdsprache (in der Regel Englisch), bisher fakultativ ab 7. Kl., soll in Zukunft obligatorisch gelehrt werden. Ab Sept. 1964 wurde die Stundenzahl im Schulgartenunterricht der 1.–4. Kl. heraufgesetzt. Im Werkunterricht der Kl. 1–6 sollen bereits elementare Kenntnisse über wichtige Produktionsprozesse in Industrie und Landwirtschaft vermittelt werden. Im Werkunterricht der 4.–6. Kl. haben die Sch.-Arbeitsaufträge von Betrieben und Genossenschaften durchzuführen. In der 9. Kl. beginnt die berufliche Grundausbildung. Besondere Aufmerksamkeit wird der Tageserziehung (Tagesschule) geschenkt sowie dem Auf- und Ausbau von Spezialschulen und Spezialklassen.
Die erweiterte Ober-Sch. baut auf die 8. Klasse der Ober-Sch. auf und umfaßt 4 Schuljahre. Sie gliedert sich in einen neusprachlichen (A-Klassen), mathematischnaturwissenschaftlichen (B-Klassen) und altsprachlichen (C-Klassen) Zweig. Die B-Klassen werden z. Z. von 70 v. H. der Schüler der erweiterten Ober-Sch. besucht. Nach mehrjähriger Versuchsarbeit an 75 erweiterten Ober-Sch., die mit dem Abitur einen Facharbeiterbrief vermittelten, wurde im Schuljahr 1962/63 die volle Berufsausbildung eingeführt, für die ein voller Ausbildungstag je Woche und während des Schuljahres Praktika angesetzt sind, in denen die Schüler „produktionswirksam“ eingesetzt werden. Das Bildungsgesetz bringt für die erweiterte Ober-Sch. einschneidende Veränderungen. Sie wird nur noch aus der 11. u. 12. Klasse bestehen. Die bisherige Aufteilung in den mathematisch-naturwiss., neu- u. altsprachl. Zweig ist noch umstritten, da sie angeblich den neuen Anforderungen nicht mehr entspricht. Es ist daran gedacht, entsprechend den Erfordernissen des Hochschulstudiums [S. 417]nach Gruppen verwandter Fachrichtungen zu differenzieren.
Ab 1. Jan. 1965 erhalten die Schüler der 10klassigen Ober-Sch., die eine berufliche Grundausbildung, und Schüler der erweiterten Ober-Sch. bzw. Spezial-Sch. techn. Richtungen, die eine volle Berufsausbildung absolvieren, vom jeweiligen Betrieb ein monatliches Entgelt, das für Oberschüler der 9. Kl. 40, der 10. Kl. 50, der 11. Kl. 60 und der 12. Kl. 70 DM Ost beträgt. Gleichzeitig wird Versicherungsschutz gewährt. In den Sonder-Sch. beginnen Unterrichtstag und Einführung in die Sozialistische Produktion mit der 8. Klasse.
Die Berufsausbildung (Berufsschulen) knüpft an den polytechn. und berufsvorbereitenden Unterricht der Ober-Sch. an und hat die Aufgabe, die Schüler und Lehrlinge zu „sozialistischen Facharbeitern“ zu erziehen bzw. ihnen eine Ausbildung zu vermitteln, die sie befähigt, eine ihrem Beruf entsprechende Fachschule zu besuchen. Der allgemeinbildende Unterricht wird als wesentlicher Bestandteil der berufl. Ausbildung angesehen und hat für die Lehrlinge, die nach Abschluß der 8. Kl. der Ober-Sch. die Berufsausbildung aufnehmen, die Aufgabe, ihnen das Niveau der 9. und 10. Klasse zu vermitteln. Seit dem 1. Sept. 1965 gibt es Berufsschulklassen mit Abitur. Die Stundentafel, die weitgehend der des mathemat.-naturwiss. (B) Zweiges der erweiterten Ober-Sch. angepaßt ist, sieht noch eine dreijährige Ausbildungszeit vor, die jedoch auf zwei Jahre verkürzt werden soll. Die Erwachsenenqualifizierung (Erwachsenenbildung), auch „Qualifizierung der Werktätigen“ (Qualifizierung) genannt, wird als eine der „größten volkswirtschaftlichen Reserven zur Steigerung der Arbeitsproduktivität“ angesehen. Es bestehen folgende Qualifizierungseinrichtungen: Betriebsakademien, Dorfakademien und Volkshochschulen. (Erziehungs- und Bildungswesen) Zahlenangaben: Schüler an allgemeinbildenden Sch. der Klassen I–X im Jahre 1964: 2.247.557 in 8.285 Sch.; 81.097 Schüler in 303 erweiterten Ober-Sch.; 67.018 in 567 Sonder-Sch. An den allgemeinbildenden polytechnischen Ober-Sch. (einschl. Ober-Sch. und Sonder-Sch.) unterrichteten 118.005 vollbeschäftigte Lehrkräfte. In den letzten Jahren wurden rund 20.000 Schüler pro Jahr den erweiterten Ober-Sch. zugeführt, im Schuljahr 1964/65 waren es 23.700. Teilnehmer an den Reifeprüfungen der erweiterten Ober-Sch.: 1962: 20.378; 1963: 16.917; 1964: 15.677.
Literaturangaben
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- Möbus, Gerhard: Klassenkampf im Kindergarten — Das Kindesalter in der Sicht der kommunistischen Pädagogik. Berlin 1956, Morus-Verlag. 110 S.
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- Möbus, Gerhard: Psychagogie und Pädagogik des Kommunismus. Köln 1959, Westdeutscher Verlag. 184 S.
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- Säuberlich, Erwin: Vom Humanismus zum demokratischen Patriotismus. — Schule und Jugenderziehung in der sowjetischen Besatzungszone (Rote Weißbücher 13). Köln 1954, Kiepenheuer und Witsch. 170 S.
- Schlette, Heinz Robert: „Sowjet-Humanismus“ — Prämissen und Maximen kommunistischer Pädagogik. München 1960, Kösel. 136 S.
- Schröter, Gerhard: Jugendliche Flüchtlinge aus der SBZ. München 1958, Infratest-Verlag. 70 S.
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- Wendt, Emil: Die Entwicklung der Lehrerbildung in der sowjetischen Besatzungszone seit 1945. 2., erg. Aufl. (BB) 1959. 131 S.
- Wiederkehr, Emil: Jugend im Bannkreis der roten Moral — Dokumente … über … Jugenderziehung in den Oststaaten. 2. Aufl. (hrsg. v. Hilfskomitee f. d. Opfer des Kommunismus). Bern 1958. 287 S. m. 70 Abb.
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Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 416–417
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