
Verlagswesen (1966)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979 1985
Wie jeder andere Wirtschaftszweig unterliegt auch das V. der zentralen Wirtschaftsplanung (Wirtschaft). Der erste Siebenjahrplan sah vor, „daß wir 70 v. H. mehr und natürlich gute Bücher herausbringen müssen“ (der damalige Staatssekretär Erich ➝Wendt auf der Konferenz des V. im Febr. 1960). „Unsere Verlage müssen zu sozialistischen Verlagen werden, das heißt voll verantwortlich dafür sein, daß in ihrem Bereich vor allem die für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt, für die Qualifizierung unserer Werktätigen, für die Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus unentbehrliche Literatur erscheint“ (ebenda).
Angeleitet und kontrolliert wird das V. durch das Ministerium für Kultur, dem es (nach seinem Statut von 1964) obliegt, „auf die Entwicklung einer vielseitigen, sozialistischen, schöngeistigen Literatur zu orientieren und insbesondere jene literarischen Werke zu fördern, die die Gegenwart in fortschrittlichem Geiste darstellen; das literarische deutsche und ausländische kulturelle Erbe zu pflegen; die Bewegung der schreibenden ➝Arbeiter und Bauern zu unterstützen, um im Geiste des Bitterfelder Weges die breite künstlerische Selbstbetätigung auf literarischem Gebiet zu fördern“. Zuständig für die einschlägigen Aufgaben des Ministeriums ist seit Anfang 1963 die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel (Leiter: Bruno Haid); sie übernahm die Aufgaben der bisherigen Abteilung Literatur und Buchwesen sowie der VVB Verlage und des Druckerei- und Verlagskontors. Die graphische Industrie untersteht seit 1958 dagegen der Staatlichen ➝Plankommission; Zensur und Papierzuteilung sind also der Kompetenz nach getrennt. Die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel hat „die Verlage zu lizenzieren, die unterstellten Verlage anzuleiten und für eine zweckentsprechende Arbeitsteilung zwischen den Verlagen (Profilierung) Sorge zu tragen; die thematische Jahres- und Perspektivplanung der Verlage anzuleiten, zu koordinieren und ihre Erfüllung zu kontrollieren; die Manuskripte der Buchverlage und die Erzeugnisse der nicht lizenzierten Verlage (Gelegenheitspublikationen, lokale Festschriften, Heimatblätter usw. D. Red.) zu begutachten und Druckgenehmigungen zu erteilen“; sie leitet ferner auch den Buchhandel, vornehmlich den Volksbuchhandel, und das allgemeinbildende Bibliothekswesen fachlich und ideologisch an. Nach dem „Perspektivprogramm“ der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel, das im Febr. 1965 veröffentlicht wurde, sollen die „staatlichen Organe“ die Voraussetzungen dafür schaffen, „daß zu gegebener Zeit eine allmähliche Ersetzung der staatlichen Kontrolle durch die gesellschaftliche Kontrolle und die volle Eigenverantwortlichkeit der Verlage erfolgen kann“.
Um „breite Kreise der Bevölkerung zu beteiligen“, wurden insgesamt 21 ständige Arbeitsgemeinschaften gebildet, die nicht nur „passiv“ begutachten, sondern „wichtige Helfer“ „bei der Aufstellung und Erfüllung komplexer Literatur-Entwicklungsprogramme“ werden sollen. Die Editionspläne sind außerdem auf Verlegerkonferenzen Gegenstand von Kritik und Selbstkritik. Die „Begutachtung“ der Verlagsprogramme zielt u.a. auf deren klare Abgrenzung durch Zuweisung thematischer Zuständigkeiten ab; auch werden „Schwerpunkttitel“ festgelegt, deren Produktion unter Hintanstellung aller sonstiger Vorhaben besonders zu fördern ist. Um das System der Steuerung zu vervollständigen, werden Autorenverpflichtungen im Sinne des Vertragsgesetzes angestrebt. Die schöngeistigen Verlage werden angehalten, die „Bewegung der schreibenden Arbeiter“ zu unterstützen. Am 1. 4. 1964 wurde ein Musterverlagsvertrag bekanntgegeben, der das Verhältnis zwischen Autor und Verlag normieren soll.
1963 waren an der Buch-, Zeitschriften-, Kunstblätter- und Musikalien-Produktion annähernd 120 Verlage beteiligt, viele davon, vor allem private, jedoch nur mit wenigen Titeln. Obschon nachprüfbare Angaben über die Eigentumsverhältnisse im V. nicht veröffentlicht werden, lassen sich etwa 60 Verlage, darunter alle größeren, einwandfrei als entweder „volkseigen“ (d.h. [S. 501]Staatsverlage) oder „organisationseigen“ (d.h. im Besitz von Parteien, Massenorganisationen usw.) identifizieren. Kaum mehr als 12 Verlage waren (von den drei kirchlichen abgesehen) wahrscheinlich noch Privateigentum; ihr Anteil an der Produktion dürfte (nach Titeln) unter 5 v. H. gelegen haben. Alle staats- und organisationseigenen Verlage wurden 1959 in einer WB Verlage zusammengeschlossen; diese WB wurde 1962 aufgelöst und in die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur überführt. Zu den „volkseigenen“ Verlagen (Volkseigentum) gehören u.a. das Bibliographische Institut, die Verlage Breitkopf & Härtel, Brockhaus, Gustav Fischer, Niemeyer, Reclam, Seemann, Teubner, Thieme, die widerrechtlich enteignet wurden; die meisten produzieren trotzdem unter dem gleichen Namen wie in der BRD. Einzelne Ministerien haben eigene Verlage; ein Staatsverlag bringt seit Anfang 1963 die amtlichen Veröffentlichungen der Volkskammer, des Staatsrates usw. heraus. Die gesamte Literatur des Nationalrates (Nationale Front) erscheint im Kongreßverlag. Der sowjetzonale Dietz-Verlag gehört der SED, der Aufbau-Verlag dem Deutschen ➝Kulturbund, der Verlag Neues Leben der FDJ, der Verlag Kultur und Fortschritt der Gesellschaft für ➝deutsch-sowjetische Freundschaft, der Urania-Verlag der Urania (bis 1966: Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse) und der Verlag Tribüne dem FDGB.
Die Buchproduktion der Verlage wuchs bis 1958 von Jahr zu Jahr an. Auch in der technischen Qualität holte die Produktion auf, befriedigt im übrigen aber auch heute noch weder die Leserwünsche noch die dirigierenden Stellen des Regimes. Westliche Literatur in Lizenzausgaben und Übersetzungen wird neuerdings etwas großzügiger, aber immer noch in streng gesteuerter Auswahl und völlig unzureichendem Ausmaß zugelassen; Unterhaltungsliteratur jeden Niveaus ohne politischen Einschlag ist daher meist schnell vergriffen. Titel, die dem sozialistischen Aufbau und der Erfüllung der Wirtschaftspläne dienen, genießen in der Produktion ohne Rücksicht auf Leserwünsche den Vorzug. Die Auflagenbemessung ist daher auch unabhängig von der Nachfrage, abgesehen von der der Bibliotheken, die ihren Plansoll-Bedarf sogar gesetzlich gesichert sehen möchten. Da der Plan den Umschlag eines bestimmten Prozentsatzes der Lagerbestände innerhalb bestimmter Fristen vorschreibt, werden „Überplanbestände“ nach relativ kurzer Zeit makuliert. Die durchschnittlichen Bücherpreise liegen bei der schönen Literatur geringfügig, bei der Fachliteratur teilweise beträchtlich unter den westdeutschen. Der Buchexport ist monopolisiert. (Deutscher ➝Buch-Export und -Import); im Verkehr mit der BRD vollzieht er sich im Rahmen des Interzonenhandels. (Kulturpolitik, Literatur, Zeitschriften)
Literaturangaben
- Taubert, Sigfred: Buchproduktion und Verlagswesen der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands im Jahre 1955. (BMG) 1956. 34 S. m. 17 Tab.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 500–501