DDR von A-Z, Band 1966

Bedingte Verurteilung (1966)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979


 

Neue Strafart, die durch das Strafrechtsergänzungsgesetz mit Wirkung vom 1. 2. 1958 in das Strafensystem eingeführt wurde: „Eine Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren kann bedingt ausgesprochen werden, wenn der Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat, die Umstände, unter denen sie begangen wurde, und das Verhalten des Täters vor und nach Begehung der Straftat dies rechtfertigen“ (§ 1 StEG). Die festgesetzte Strafe wird nur dann vollstreckt, wenn der Verurteilte während einer Bewährungszeit von ein bis fünf Jahren eine neue Straftat begeht, für die mehr als drei Monate Gefängnis verhängt werden. Läuft die Bewährungszeit ohne Eintritt der Bedingung ab, so wird durch Gerichtsbeschluß festgestellt, daß der Verurteilte als nicht bestraft gilt. An diesem Beschluß wirken auch Schöffen mit.

 

Bei Staatsverbrechen ist BV. grundsätzlich ausgeschlossen. (OG in „Neue Justiz“ 1958, S. 489). Die diese Auffassung ausdrücklich bestätigende Richtlinie Nr. 12 des OG vom 22. 4. 1961 (GBl. III, S. 223) wurde zwar durch Beschluß des Plenums des OG vom 6. 5. 1964 (GBl. II, S. 422) aufgehoben, „weil sie zur Anwendung der Strafen ohne Freiheitsentziehung einengende Kriterien enthält und schematisch auf die Anwendung kurzer Freiheitsstrafen unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Strafart orientiert“, die Rechtsprechung blieb jedoch trotzdem dabei, daß BV. bei Staatsverbrechen grundsätzlich nicht zu verhängen sei. Lediglich bei Staatsverleumdung wird BV. für möglich gehalten.

 

Mit Unklarheiten und Fehlern bei Anwendung der BV. beschäftigte sich die 2. Plenartagung des OG am 1. 7. 1964: „Die richtige Anwendung des § 1 StEG auf der Grundlage des Rechtspflegeerlasses setzt völlige Klarheit darüber voraus, welche gesellschaftlichen Bedingungen herangereift sind, die die Tätigkeit der Rechtspflegeorgane in besonderem Maße beeinflussen. … Die wachsende Kraft der Gesellschaft, ihre Bereitschaft, bei der Bekämpfung und schrittweisen Zurückdrängung der Kriminalität mitzuwirken, lassen es zu, daß heute in starkem Maße Strafen ohne Freiheitsentzug ausgesprochen werden können. … Bei der Einschätzung des Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit sind das Gesamtverhalten des Täters vor, während und nach der Tat sowie seine Persönlichkeit und die Folgen und Schwere der Tat zu berücksichtigen.“ Die in einem früheren Urteil des OG vertretene Auffassung, daß BV. nur bei dem Täter gerechtfertigt sei, der im allgemeinen ein verantwortungsbewußtes Verhalten gezeigt habe und dessen Straftat eine einmalige Entgleisung darstelle, wird angesichts der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse für falsch erklärt („Neue Justiz“ 1964, S. 459). Die Möglichkeit einer BV. soll in jedem Verfahren geprüft werden, soweit eine Gefängnisstrafe bis zu 2 Jahren in Betracht kommt. Dabei sind der Grad der Schuld, die Motive, der Schutz der Interessen der Bürger und des „Staates“ ausschlaggebend.

 

Nach der jüngsten Justizstatistik der SBZ („Neue Justiz“ 1965, S. 401 u. 435) ist der Anteil derjenigen gerichtlich Verurteilten, gegen die Strafen ohne Freiheitsentzug (BV., öffentlicher Tadel, gerichtlich angeordnete Erziehungsmaßnahmen bei Jugendlichen und Geldstrafe) verhängt wurden, seit 1961 schnell gewachsen, und zwar von 47,2 v. H. 1961 auf 69 v. H. 1964. Den weitaus größten Teil bilden zweifellos die BV.

 

Die BV. kann, um ihre erzieherische Wirkung zu erhöhen, mit der dem Verurteilten durch das Gericht auf erlegten Verpflichtung verbunden werden, seinen bisherigen oder einen ihm zugewiesenen Arbeitsplatz nicht zu wechseln. Ferner können sich „sozialistische“ Kollektive durch Übernahme einer Bürgschaft verpflichten, die Erziehung des bedingt Verurteilten zu gewährleisten. Für besonders wichtig wird erklärt, daß es im Anschluß an eine BV. zu einer wirksamen gesellschaftlichen Erziehung kommt, denn „das gerichtliche Urteil und die moralisch-politische Verurteilung der Tat durch das Kollektiv als Einheit sind die Basis für eine wirksame Umerziehung des Täters“ („Neue Justiz“ 1964, S. 462).

 

Literaturangaben

  • Rosenthal, Walther: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands — Aufgaben, Methoden und Aufbau. (BB) 1962. 175 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 62


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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