DDR von A-Z, Band 1966

Besatzungstruppen, Sowjetische (1966)

 

 

Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1969 1975 1979


 

Der Geburtshelfer und Hüter des kommun. Regimes waren und sind die SB. viel mehr als in Polen, Ungarn und anderen Satellitenstaaten. Die SED gibt die Abhängigkeit ihrer Herrschaft von den SB. offen zu; denn sie begeht seit 1950 den 8. Mai unter dem Titel Tag der Befreiung als staatlichen Feiertag. Das ZK der SED dankte am 8. 5. 1958 „den tapferen Helden der Sowjetarmee, die … die Voraussetzung für die Gründung des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates in der Geschichte Deutschlands schufen“. Während des Juni-Aufstandes und im November 1956 wurde deutlich, wie sehr die Herrschaft der SED auf die SB. angewiesen ist. Das amtliche Blatt „Die Volksarmee“ erklärte zur Stellung der SB. am 16. 9. 1958: „Die Sowjetarmee … sichert gemeinsam mit uns, der Nationalen Volksarmee, den Aufbau des Sozialismus in der DDR.“

 

Erst seit 9. 5. 1957 (also lange nach der formellen Beendigung der Besatzungspolitik) gilt für die SB. der (am 12. 3.) zwischen der SU und der „DDR“ abgeschlossene [S. 75]Truppenvertrag. In dessen Einleitung findet sich die formelhafte Erklärung, er regele die „zeitweilige Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR“. Im Vertrag wird u.a. behauptet, 1. die Anwesenheit der SB. beeinträchtige nicht die „Souveränität der DDR“; 2. die Stärken, Standorte und zusätzliche Manövergebiete der SB. würden mit der Regierung der „DDR“ beraten und vereinbart; 3. strafbare Handlungen von Angehörigen der SB. (und von deren Familienmitgliedern) würden von Gerichten der „DDR“ abgeurteilt, sofern sie nicht bei Dienstobliegenheiten geschähen. Diese Scheinzugeständnisse entwertet der § 18: „Im Falle der Bedrohung der Sicherheit der sowjetischen Streitkräfte, die auf dem Territorium der DDR stationiert sind, kann das Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte in der DDR bei entsprechender Konsultation der Regierung der DDR und unter Berücksichtigung der entstandenen Lage … Maßnahmen zur Beseitigung einer derartigen Bedrohung treffen.“ Dieser § 18 legt auch formell die Macht in die Hand der SB., sofern deren Oberkommando oder die Sowjetregierung es für notwendig halten.

 

Die strenge Geheimhaltung der SB. und ihre Absperrung gegen die Bevölkerung machen genaue Angaben über Stärke und Standorte unmöglich. „Die zeitweilig in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte“ (Hauptquartier Wünsdorf südl. Berlin) zählen unter General Koschewoi (seit Febr. 1965) mindestens 350.000 Mann; einschließlich aller Nachschubverbände, Stabs- und Verwaltungskräfte wahrscheinlich sogar 400.000 Köpfe. So sind die SB. doppelt so stark wie die NVA. Ihre Zahl entspricht 2,3 v. H. der Bevölkerung der SBZ, während ein Wehrpflicht-Heer herkömmlich etwa 1 v. H. der Bevölkerung ausmacht. Ende 1965 umfaßten die SB. 10 Panzer- und 10 mot. Schützen-Divisionen (mit rd. 7.500 Panzern, einschließlich der leichten); 1 Luftarmee (mit rd. 900 Flugzeugen); ferner viele Raketen-Einheiten. Die Ausstattung der SB. mit Atomwaffen ist seit etwa Anfang 1965 beträchtlich verstärkt worden. Dies wiegt die ohnehin geringe Abnahme der Kopfstärke der SB. bei weitem auf.

 

Teile der SB. führten im Sept. 1963 mit Truppen der SBZ, Polens und der Tschechoslowakei sechstägige Feldmanöver mit rd. 40.000 Mann (Leitwort „Quartett“) unter kriegsmäßigen Bedingungen durch. — Im April 1965 fand ein großes Manöver der SB. statt, zusammen mit Teilen der Nationalen Volksarmee nahmen 45.000 Mann teil.

 

Es galt der blitzartigen Abschnürung Berlins unter eiliger Massierung von Angriffskräften an der Demarkationslinie zur BRD. — Im Okt. 1965 hielten die SB. wieder ein gemeinsames Manöver mit Streitkräften der SBZ, Polens und der CSSR ab. Unter dem Leitwort „Oktobersturm“ übten ca. 60.000 Mann kriegsmäßig hart.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 74–75


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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