DDR von A-Z, Band 1966

HO (1966)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975


 

Abk. für Handelsorganisation; staat[S. 199]liches Einzelhandelsunternehmen, das zu überhöhten Preisen Mangelwaren verkaufte. Die HO wurde durch VO der DWK im Nov. 1948 angeblich zur Bekämpfung des Schwarzmarktes errichtet. Ihr Hauptzweck war aber, „währungsgefährdende“ überschüssige Kaufkraft abzuschöpfen (Akzise) und zur Finanzierung der Staatsausgaben beizutragen. Trotz Verbesserung der Versorgungslage und des Verschwindens des Schwarzmarkts wurde die HO nicht aufgelöst, sondern vor Abschaffung der Lebensmittelkarten sogar noch in den Vertrieb von bewirtschafteten Waren eingeschaltet. Preissenkungen, veranlaßt durch Produktionssteigerung bei Lebensmitteln und Verbrauchsgütern, führten bislang nicht zu einer Verminderung der Staatseinnahmen aus der HO, da zum Ausgleich dafür immer mehr HO-Verkaufsstellen, -Kaufhäuser, -Gaststätten errichtet und immer mehr Warengattungen bevorzugt der HO für den Verkauf zur Verfügung gestellt werden.

 

1961/62 wurden Exquisit-Verkaufsstellen eingeführt, die der HO bzw. den Konsumgenossenschaften unterstehen und das „HO-Prinzip“ von 1948 wieder aufleben ließen. In diesen Luxusgeschäften werden modische Waren bester Qualität, vorwiegend aus Importen, zu stark überhöhten Preisen gegenüber den regulären Handelspreisen verkauft. Neben der finanzkräftigen Klasse der Funktionäre treten als Käufer besonders junge Leute auf, die sich modisch kleiden wollen und dafür ihre Ersparnisse opfern.

 

1955 wurde für HO und Konsum der Teilzahlungsverkauf für hochwertige Konsumgüter zugelassen, wegen der allgemeinen Warenknappheit aber nur für listenmäßig bestimmte Waren. Nach der letzten Regelung dürfen Teilzahlungskredite nur noch von der Sparkasse eingeräumt werden. Die Beschränkung der Kreditkaufsumme auf DM 2.000,– wurde aufgehoben. Importwaren sind nach wie vor ausgeschlossen wie auch Waren, deren Bedarf nicht voll befriedigt werden kann. Freigegeben sind im wesentlichen solche Waren, deren Absatz nicht den Erwartungen des Handels entsprochen hat. Hierzu gehören u.a. Möbel und Polstermöbel, die mit 50 bis 60 v. H. an den Teilzahlungskäufen beteiligt sind, und Fernsehapparate, deren Absatz auf diesem Wege besonders gefördert wird. Die Anzahlungsraten wurden je nach Bildröhre teilweise bis zu 10 v. H. des Preises herabgesetzt, und gebrauchte Apparate in Zahlung genommen. Eine Überproduktion soll damit aufgefangen und den niedrigen Einkommensschichten trotz der hohen Preise (rund dreifach gegenüber der BRD) die Anschaffung ermöglicht werden. Diese Tendenz macht sich auch bei Leichtmotorrädern bemerkbar, bei denen zusätzlich noch ein Winterrabatt gewährt wird. Der „staatliche“ Bankenapparat ist angehalten, mit seinen Kontrollmaßnahmen in finanzieller Sicht das Entstehen von Überplanbeständen von vornherein zu unterbinden. Leitungsorgane der HO sind die HO-Hauptdirektion und die HO-Bezirksdirektionen, die nach dem Vorbild der Bezirksverbände der Konsumgenossenschaften aufgezogen wurden, um ein geschlossenes Handelssystem zu schaffen und die Kontrolle der einzelnen HO-Betriebe zu verbessern. Die HO-Kreisbetriebe — z. Zt. 300 — sind die organisatorische Zusammenfassung einer bestimmten Anzahl von Verkaufsstellen, Gaststätten sowie Kauf- und Warenhäusern zu einem wirtschaftlich und juristisch selbständigen Handelsbetrieb.

 

Zur Versorgung der Betriebsangehörigen der deutsch-sowjetischen Wismut-AG. besteht als besonderer Zweig die HO-Wismut, die der Hauptdirektion HO-Wismut im Ministerium für Handel und Versorgung direkt unterstellt ist. Auch der HO-Spezialhandel und das HO-Versandhaus in Leipzig (Versandhandel) unterstehen direkt dem Ministerium.

 

Die Zahlen der Tabelle bringen die mengenmäßige Umsatzsteigerung nicht voll zum Ausdruck, da die HO-Preise seit 1948 mehrmals gesenkt worden sind. Auf die Handelstätigkeit der HO entfällt z. Z. über ein Drittel der gesamten Einzelhandelsumsätze. (Handel)

 

Entwicklung des Einzelhandelsumsatzes der HO:

 

 

Mit dieser Umsatzentwicklung gleichen sich die beiden sozialistischen Handelssäulen einander an. Bei den Konsumgenossenschaften resultiert die höhere Umsatzsteigerung 1964 aus der Struktur des Handelsnetzes, das seit Gründung im wesentlichen auf den Lebensmittelsektor ausgerichtet war, und 1964 waren die Nahrungs- u. Genußgüter am Gesamtumsatz mit 57 v. H. beteiligt. Ursprünglich war die HO hauptsächlich auf den Verkauf von Industriemangelwaren und bestimmter Lebensmittel eingestellt. Sie hatte bis 1958 das Monopol für den freien Verkauf bewirtschafteter Waren. Inhaber privater Läden wurden durch ungenügende Warenzuteilungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht und veranlaßt, ihre Geschäfte zu Spottpreisen an die HO zu verkaufen. Man gab ihnen dann häufig die Möglichkeit, als HO-Angestellte in ihren eigenen Läden tätig zu werden. Auf diese Weise übernahm die HO seit 1951 u.a. Drogerien, Fleischerläden, Friseurgeschäfte, Blumenläden, Modesalons, Juwelierläden usw. Die HO ist somit nicht nur Instrument der Währungspolitik, sondern gleichzeitig Werkzeug des Regimes zur systematischen Vernichtung des privaten Einzelhandels.

 

Eine Konzession an das Neue ökonomische System ist die Bildung der Vereinigung volkseigener Warenhäuser „Centrum“ (VVW) als ökonomisches Führungsorgan der unterstellten Warenhäuser. Sitz ist Leipzig. Kernstück ist der Zentraleinkauf und damit der Einfluß auf die Industrie zur Sortiments- und Qualitätsverbesserung.

 

[S. 200]Die VVW ist ein leitendes Handelsorgan mit den Aufgaben ähnlich einer VVB, dem aber zudem als Binnenhandelsorgan noch Importaufgaben zugestanden wurden. Der VVW gehören zunächst die sechs größten Warenhäuser Ostberlins und einiger Bezirksstädte an. Entsprechend der Entwicklung ist die Einbeziehung weiterer Warenhäuser geplant. Vergleichbar wäre dieser Zusammenschluß einem Kaufhauskonzern in der BRD.

 

Bei dem unzureichenden Aufkommen haben HO und Konsum einen Ausleihdienst besonders für Campingausrüstungen eingeführt.

 

Die VVB soll immer mehr in den Industrievertrieb im Binnenhandel eingeschaltet werden, der dem Charakter nach zu einem einer VVB zugeordneten „volkseigenen“ Handelsbetrieb werden würde.

 

Literaturangaben

  • *: Der Einzelhandel in der Versorgung der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone. (Mat.) 1953. 64 S. m. 15 Tab. u. 22 Anlagen.
  • Pöhler, Felix: Der Untergang des privaten Einzelhandels in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1952. 64 S. m. 11 Anlagen.
  • Schlenk, Hans: Der Binnenhandel in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. (BB) 1960. 207 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 198–200


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.