DDR von A-Z, Band 1966

Kreis (1966)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979 1985


 

Unselbständige gebiets- und verwaltungsmäßige Einheit der SBZ. Gegenwärtig bestehen 215 Kreise (191 Land- und 23 Stadtkreise). Im Art. 139, 142 der Verfassung wird den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht der kommunalen Selbstverwaltung garantiert. Dieses Recht ist jedoch immer mehr eingeschränkt und im Zuge der Verwaltungsneugliederung völlig aufgehoben worden. Nach der vom Staatsrat erlassenen „Ordnung über die Aufgaben und die Arbeitsweise des Kreistages und seiner Organe“ vom 28. 6. 1961 (GBl. I, S. 75 bzw. 99), die in Verbindung mit dem „Erlaß des Staatsrates über Aufgaben und Arbeitsweise der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe unter den Bedingungen des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ vom 2. 7. 1964 (GBl. I, S. 159) gelten, sind auch die Organe der K. nur noch „örtliche Organe der Staatsmacht“. Träger von Rechten ist nicht mehr der K., der daher auch nicht mehr als Gebietskörperschaft anzusehen ist, sondern die im K. bestehende Dienststelle der staatlichen Verwaltung (staatliche Unterbehörde), der Rat des K. (Rat der Stadt). Dieser ist Haushaltsorganisation, als solche juristische Person und Verwalter von „Volkseigentum“.

 

1. Landkreise

 

 

Oberstes Organ der Staatsmacht im K. ist der Kreistag, die durch Scheinwahlen nach einer Einheitsliste gebildete örtliche Volksvertretung ohne ständigen Vorsitzenden, die je nach der Einwohnerzahl des K. 45 bis 120 Abgeordnete hat. Der Kreistag ist „für die Durchführung der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, der Beschlüsse und Erlasse des Staatsrates, der Beschlüsse und Verordnungen des Ministerrates sowie der Beschlüsse des Bezirkstages“ in seinem Gebiet verantwortlich. Er leitet den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen „Aufbau des Sozialismus“ im K. Er ist dabei fest an die Weisungen der zentralen Stellen und der Bezirke gebunden, soll aber innerhalb des demokratischen Zentralismus die örtlichen Belange berücksichtigen und die Bevölkerung in die Durchführung der erhaltenen Weisungen einbeziehen. Die Arbeitsordnung legt hierzu fest, daß der Kreistag „unter der Führung der Partei der Arbeiterklasse und in enger Zusammenarbeit mit der Nationalen Front des demokratischen Deutschland die Aktivität und Schöpferkraft der Werktätigen“ entwickeln soll. Der Kreistag und seine Organe haben mit den übrigen staatlichen und wirtschaftlichen Organen, Einrichtungen oder Betrieben eng zusammenzuarbeiten. Der Kreistag wählt die Richter des Kreisgerichts und beruft sie ggf. auch ab.

 

Der Kreistag leitet und kontrolliert die Gemeindevertretungen und die Stadtverordnetenversammlungen der kreisangehörigen Städte. Organe des Kreistages sind neben dem Rat des K. die Ständigen Kommissionen mit den Aktivs.

 

Der Rat des K. ist die der Dienstaufsicht aller höheren Räte und des Ministerrates unterstellte untere staatliche Verwaltungsstelle mit allgemeiner Zuständigkeit (örtlicher Rat), die fiktiv auch den Charakter eines „vollziehend-verfügenden“ Organs des Kreistages hat (doppelte Unterstellung, Rechenschaftslegung). Am 4. Juni 1964 ist unter Leitung von Kurt ➝Seibt ein neues Ministerium „für die Anleitung und Kontrolle der Bezirks- und Kreisräte“ gebildet worden. Hierdurch wird die zentrale Anweisungsbefugnis auch gegenüber den Kreisräten besonders betont, und es wird erkennbar, daß der örtliche Rat in erster Linie den Weisungen des Ministerrates bzw. des übergeordneten Rates zu folgen hat. Der Rat besteht aus dem Vorsitzenden, dem 1. Stellv. des Vors., dem Stellv. für Inneres, mehreren weiteren Stellv., dem Stellv. und Vors. der Kreisplankommission, dem Vors. des Kreislandwirtschaftsrates, dem Sekretär sowie einigen Fachabteilungsleitern. Die bisherigen ehrenamtlichen Ratsmitglieder gibt es seit 1964 nicht mehr. Auch daraus wird eine stärkere Hinwendung zur Fachverwaltung erkennbar.

 

Der Rat wird durch den Kreistag gewählt und abberufen. Die Arbeits-Ordnung vom 28. 6. 1961 legt fest, daß der Vors. dafür zu sorgen hat, daß im Rat des K. „die Beschlüsse der Partei der Arbeiterklasse sowie die Gesetze und die Beschlüsse der Organe der Staatsmacht“ der gesamten Tätigkeit des Rates zugrunde gelegt werden. Die K.-Verwaltung ist in Fachabt. gegliedert, für die je ein Mitgl. des Rates verantwortlich ist.

 

2. Stadtkreise

 

 

Hier heißt die örtliche Volksvertretung Stadtverordnetenversammlung, das Organ der staatlichen Verwaltung Rat der Stadt. Ihre Aufgaben entsprechen denen der gleichartigen Organe im Landkreis. Die Stadtverordnetenversammlung besteht je nach der Einwohnerzahl aus 45 bis 200 Abgeordneten. Der Vors. des Rates der Stadt trägt die Dienstbezeichnung Oberbürgermeister, seine Stellvertreter nennen sich Stadtrat. Die Struktur des Rates ist die gleiche wie beim Rat des Kreises.

 

Die Städte Magdeburg, Leipzig, Dresden, Chemnitz, Halle und Erfurt sind (wie Ostberlin) in Stadtbezirke mit Stadtbezirksversammlungen als unterste örtliche Volksvertretung und Räte der Stadtbezirke als unterste staatliche Verwaltungsbehörde unterteilt.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 260


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.