Musik (1966)
Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979 1985
Nach der in der SBZ maßgebenden sowjet. M.-Auffassung kann „das Wesen der M. unmöglich im inhaltlosen ‚Spiel reiner Klangformen‘ bestehen …, sondern darin, die Vielfalt der Wirklichkeit in das M.-Gestalten einfließen zu lassen. M., in diesem Sinne aufgefaßt, spiegelt nicht nur Wirklichkeiten, sondern vermag auch aktiv in die Lebenszusammenhänge einzugreifen und somit zur Veränderung und Umgestaltung der gesellschaftlichen Zustände beizutragen“. Mit diesen Sätzen (aus dem sowjetzonalen „Lexikon A–Z in einem Band“) wird die Norm des sozialistischen Realismus auch für die M. gesetzt, zugleich die ideologische Rechtfertigung für die hemmungslose Politisierung der M., vor allem der Volks-M. und in ihrem Bereich wiederum des Liedes, gegeben. „Unter entschiedener Absage an die musikfremde Zersetzung der europäischen Musiktradition“ soll eine Musik „hervorgebracht“ werden, „die im Streben nach einer neuen kunstvollen Einfachheit Ideentiefe, melodischen und harmonischen Reichtum, Volkstümlichkeit und Verständlichkeit der musikalischen Aussage in sich vereint“ (Entschließung der Kulturkonferenz 1960 der SED).
Teils der bewußtseinsbildenden Wirkung wegen, teils auch aus Motiven staatlicher Repräsentation, die in allen totalitären Herrschaftsformen das Kulturleben beeinflussen, wird das öffentliche M.-Leben mit beträchtlichen Mitteln gefördert, wobei Institute von großer Tradition (Leipziger Gewandhaus, Dresdener Philharmonie, Berliner Staatsoper, Thomaner- und Kreuz-Chor) mehr als ihren Namen einzusetzen hatten. 1965 gab es 32 „Kultur- und Sinfonie-“, 43 Theater- und 8 Rundfunkorchester. Der Pflege des Kulturellen Erbes dienen Musikfeste, die u.a. Bach und Händel, 1960 während der Arbeiterfestspiele Robert Schumann gewidmet waren. Die seit 1959 im Abstand von 2 Jahren veranstalteten Festtage zeitgenössischer Musik sollen ab 1967 zu internationalen Musikfesten erweitert werden. Das zeitgenössische Musikschaffen, das bisher vorwiegend von Komponisten der älteren Generation (Hanns Eisler, Ottmar ➝Gerster, Paul ➝Dessau, E. H. Meyer) repräsentiert wurde, hat eine Auffrischung durch jüngere Komponisten (Johannes Cilensek, Kurt Schwaen, Herbert Collum, Rainer Kunad) [S. 326]erfahren, die bemüht sind, mit ihren Werken Anschluß an eine gemäßigt moderne Musik zu finden. Man bemüht sich, das Konzertleben, das von der Deutschen ➝Künstler-Agentur und den Deutschen ➝Konzert- und Gastspieldirektionen monopolistisch gesteuert wird, weitgehend zu dezentralisieren. Die Einsetzung eines Musikrates, der das Musikleben der SBZ zugleich repräsentieren und steuern soll, erfolgte im Mai 1962.
Auf musikwissenschaftlichem Gebiet, vor allem bei großen Editionen, gibt es noch Beispiele gesamtdeutscher Zusammenarbeit. Die großen M.-Verlage, wie der weltberühmte von Breitkopf & Härtel, wurden enteignet und verstaatlicht oder sind verschwunden. (Verlagswesen)
Wie alle Sparten der Laienkunst, erfreut sich auch die Volks-M. der besonderen Beachtung von Partei und Staat, denen es dabei ebensowohl um die Kontrolle des Vereinswesens wie auch um die bewußtseinsbildende Kraft der gemeinschaftlichen M.-ausübung zu tun ist. Volksmusikschulen dienen der Förderung und Ausrichtung des Nachwuchses, das Institut für Volksmusikforschung in Weimar veranstaltet Wanderausstellungen und gibt Liederblätter und Volkstanzhefte heraus, das Zentralhaus für Kulturarbeit sorgt für sozialistisches Liedgut (Kampflied), das zusammen mit Volkstanz, Kabarett und Agitprop die Veranstaltungen der Kulturellen Massenarbeit auszufüllen hat. „Ernstes Zurückbleiben“ wird immer von neuem auf dem Gebiete der Tanz- und Unterhaltungs-M. kritisiert, wo die eigene Produktion im Urteil des meist jugendlichen Publikums gegen „imperialistische Einflüsse“ aus dem Westen nicht aufzukommen vermag und man daher 1959 zu einer administrativen Drosselung des Verbrauchs westlicher M. schreiten mußte. 1964 und 1965 mußten neue Anordnungen über die Ausübung von Tanz- und Unterhaltungsmusik ergehen, um die unerwünschte Verbreitung von Beat-Musik zu verhindern. 1965 gab es 5.100 Chöre, 4.600 Laientanzkapellen und 1.500 Volkstanzgruppen. (Kulturpolitik, Verband deutscher ➝Komponisten und Musikwissenschaftler, AWA, Schallplatten)
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 325–326
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