Nationale Geschichtsbetrachtung (1966)
Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979 1985
Seit Mitte 1952 werden nationale Elemente der deutschen Geschichte, die in den Jahren nach 1945 zunächst bewußt vernachlässigt, wenn nicht diffamiert worden waren, in mehr oder weniger entstellter [S. 329]Form neu gewürdigt: „Die vornehmste Aufgabe aller wahrhaft patriotischen deutschen Historiker besteht darin, das Nationalbewußtsein des deutschen Volkes, vor allem der deutschen Arbeiterklasse als der führenden Kraft der deutschen Nation, zu wecken und zu entwickeln“ (Leo Stern in der „Täglichen Rundschau“ vom 14. 12. 1953). Als nationale Geschichtsleistungen stellt man vor allem dar: Reformation und Bauernkrieg, die Stein-Hardenbergschen Reformen, die Befreiungskriege und radikaldemokratisch-nationale Züge der Bewegung für Wiederherstellung der Reichseinheit zwischen 1817 und 1871.
Neben Ulbricht sind dabei besonders hervorgetreten die Universitätsprofessoren Leo ➝Stern, Meusel, Kamnitzer, seit 1962 auch Engelberg; und die SED-Politiker Norden und Fritz Lange.
Durch Erweckung nationaler Gefühle und eines neuen deutschen Selbstbewußtseins sucht die SED bei der Bevölkerung der SBZ und der Bundesrepublik den Eindruck hervorzurufen, als ob der Bolschewismus einem gesunden Nationalbewußtsein Raum ließe. Auch will die SED für die Nationale Volksarmee, die beim Volk verhaßt ist, werben. — Wenngleich in dieser NG. die Klassengegensätze eine bedeutsame Rolle spielen, steht sie in unversöhnlichem Widerspruch zum Historischen Materialismus. — Zum handfesten Einsatz kam die NG. im Nationalen Dokument (Deutschlandpolitik). — Auf dem II. Kongreß der Deutschen ➝Historikergesellschaft (Okt. 1962) forderte Prof. Engelberg, die Historiker sollten „die Ausarbeitung eines neuen nationalen Geschichtsbildes und der Geschichte der deutschen Arbeiterklasse“ fortführen („Neues Deutschland“ v. 24. 10. 1962).
Literaturangaben
- Kopp, Fritz: Die Wendung zur „nationalen“ Geschichtsbetrachtung in der Sowjetzone. 2., erw. Aufl., München 1962, Günter Olzog. 120 S.
- Rauch, Georg von: Das Geschichtsbild der Sowjetzone (aus
- Stadtmüller, Georg: Die Umdeutung der deutschen Geschichte in der Sowjetzone (Sonderdr. aus „Sowjetstudien“, München, 1957, H. 3) 1958. 36 S.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 328–329
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