DDR von A-Z, Band 1966

Planung (1966)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979 1985


 

Die im Laufe der Jahre entwickelte P. umfaßt sämtliche Wirtschaftsbereiche; sie bezieht auch die Genossenschaften und die Reste der Privatwirtschaft ein. Man unterscheidet Perspektivpläne (Fünfjahrplan, Siebenjahrplan) und Jahrespläne (Volkswirtschaftsplan). Die Wirtschaftspläne werden nach vorangegangenen Absprachen mit den obersten sowjet. Planungsinstanzen durch das ZK der SED (genauer: die Wirtschaftskommission beim Politbüro des ZK) in ihren Grundzügen festgelegt und sodann in der Staatlichen ➝Plankommission entworfen. Die Weisungen des ZK betreffen das Entwicklungstempo der Industrie und der übrigen Wirtschaftsbereiche, das Verhältnis der Produktionsgütererzeugung zur Konsumgüterherstellung (Produktionsmittelprimat), das Verhältnis zwischen Investitionen und Verbrauch, die Bildung der Staatsreserven, die Bestimmung industrieller Schwerpunkte usw. Bis Ende 1965 war der Planungsweg folgender:

 

Nach diesen Weisungen arbeitete die Staatliche Plankommission Plandirektiven aus, die Orientierungsziffern über die wichtigsten Planziele der Planungsperiode enthielten. Nach formeller Bestätigung durch den Ministerrat wurden die Plandirektiven in der Plankommission einerseits nach Wirtschaftsbereichen und Industriezweigen, andererseits nach Bezirken aufgegliedert.

 

Die Direktiven gingen an den Volkswirtschaftsrat und von dort an die Mittelinstanzen (VVB, Räte der Bezirke) zur Stellungnahme. Die Mittelinstanzen gliederten die Entwürfe weiter auf die ihnen unterstellten Betriebe usw. auf und legten jedem Betrieb die für ihn vorgesehenen Produktionsaufgaben usw. in Form von Orientierungsziffern vor. Diese Orientierungsziffern waren der Rahmen für die Planvorschläge der Betriebsleitungen für ihre Betriebspläne. Diese Planvorschläge liefen dann an die Mittelinstanzen und den Volkswirtschaftsrat zurück, wo sie zusammengefaßt und als deren eigene Planvorschläge an die Staatliche Plankommission zurückgegeben wurden. Dort wurden die Vorschläge zu Gruppen zusammengefaßt und aufeinander abgestimmt. Hierbei entstand der Entwurf für das Gesetz über den Volkswirtschaftsplan und in Verbindung damit das Gesetz über den Staatshaushalt. Beide Gesetze bildeten nach der Bestätigung durch den Ministerrat und der formalen „Beschlußfassung“ der Volkskammer die Grundlage für die Produktionsauflagen, die unter der Bezeichnung Kennziffern über die Mittelinstanzen wiederum an die Produktionsbetriebe gegeben wurden. Nun hatten die Betriebe detaillierte Betriebs-; plane aufzustellen (z. B. für Material, Arbeitskräfte, Kosten, Maschinenausnutzung, Produktion, Umlaufmittel, Absatz, Finanzergebnis usw.) und den Mittelinstanzen zur Bestätigung vorzulegen. Dieser Planungs-, Vorgang wurde als „Feinplanung“ bezeichnet. Bestätigte Betriebspläne hatten Gesetzescharakter.

 

Das P.-System beruhte nicht auf wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern wurde ausschließlich nach poli[S. 359]tischen Erwägungen praktiziert. Ausdruck dafür waren die häufigen Änderungen in den Methoden der P. und der Organisation der Wirtschaft. Das Nichtfunktionieren der Plandurchführung — besonders als Folge der Unmöglichkeit, exakt funktionierende Pläne überhaupt aufzustellen —, wurde dadurch deutlich, daß die oberen Planungs- und Verwaltungsstellen immer wieder „operativ eingreifen“ mußten, um die ständig auftretenden Stockungen im Wirtschaftsablauf zu beheben. Beim obersten Leitungsorgan für die Industrie, dem Volkswirtschaftsrat, bestand zu diesem Zweck ein besonderer Dispatcherdienst, der „den kontinuierlichen Verlauf des Produktions- und Zirkulationsprozesses in der zentral- und örtlich geleiteten Industrie sicherstellen“ mußte. (Wirtschaft, Dispatchersystem) Das Mißlingen aller bisherigen Wirtschaftspläne bereits nach wenigen Jahren ihrer Laufzeit war — im Zusammenhang mit gleichartigen negativen Entwicklungen in der SU — der Anlaß für ständige Experimente des Zonenregimes.

 

Mitte Dez. 1965 gab Ulbricht auf einer Tagung des ZK der SED bekannt, daß die Methoden der Wirtschaftsplanung, beginnend mit dem Planjahr 1967, grundlegend geändert werden sollen. Es soll künftig überhaupt keine konkret ausgearbeiteten langfristigen Pläne mit Gesetzescharakter mehr geben. Die langfristigen Pläne der Zukunft sollen vielmehr variable Rahmenpläne sein mit Richtwerten und Empfehlungen in Form globaler wertmäßiger Größen. Auch bei der Aufstellung der Jahrespläne sollen neue Grundsätze und Methoden eingeführt werden. Die Staatliche Plankommission soll künftig zur Einleitung des Planungsvorganges nicht mehr verbindliche Orientierungsziffern herausgeben, sondern „staatliche ➝Vorgaben mit nur wenigen Kennziffern“. Den Betrieben, Vereinigungen Volkseigener Betriebe und Industrieministerien soll künftig mehr Spielraum für eigene Planvorschläge gegeben werden. Die neuen Planungsmethoden sollen dazu verhelfen, unrealistische Pläne zu vermeiden, und die Effektivität der Wirtschaft erhöhen.

 

Diese grundlegenden Änderungen der P. sind ein Eingeständnis der Unzulänglichkeit aller praktizierten Methoden der zentralen P. Ob die neuen Methoden nach ihrer Einführung die Effektivität der Wirtschaft tatsächlich zu erhöhen geeignet sind, bleibt abzuwarten.

 

Literaturangaben

  • Walther, Otto: Verwaltung, Lenkung und Planung der Wirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1953. 59 S. m. 6 Anlagen. (Wesentlich geänd. und erw. Neuaufl. des Berichtes von 1952: „Grundlagen und Technik der Plan-Erstellung in der SBZ“.)

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 358–359


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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