
Rechtsstudium (1966)
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Das R. an den juristischen Fakultäten der Universitäten Berlin, Leipzig, Halle und Jena wurde durch die Anweisung Nr. 11 des Staatssekretariats für Hochschulwesen mit Wirkung vom 1. 9. 1951 völlig umgestaltet. Weitere Reformen der juristischen Ausbildung erfolgten in den Jahren 1955 und 1959. Einen Unterschied in der Ausbildung zwischen akademischen Juristen und Volksrichtern gibt es nicht mehr. Nach dem in Auswertung einer rechtswissenschaftlichen Konferenz im April 1958 vom Staatssekretariat für Hochschulwesen gemeinsam mit dem ZK der SED im Jahre 1959 erstellten Studienplan sollten die Studenten befähigt werden, „die wissenschaftlichen Lehren des Marxismus-Leninismus in ihrem Tätigkeitsbereich schöpferisch anzuwenden, die Reinheit der marxistisch-leninistischen Theorie zu wahren, unduldsam gegen bürgerliche Ideologien zu kämpfen, Erscheinungen des Revisionismus zu entlarven, bürgerliche und kleinbürgerliche Auffassungen zu überwinden“.
Durch einen (nicht veröffentlichten) Beschluß vom 10. 10. 1963 hat das Präsidium des Ministerrates eine erneute Änderung in der juristischen Ausbildung angeordnet (vgl. „Neue Justiz“ 1964, S. 33), die von folgenden Grundgedanken getragen ist: 1. Den Studenten der Rechtswissenschaft müssen weitaus mehr als bisher gründliche Kenntnisse über die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung, über die Ausnutzung der ökonomischen Gesetze des Sozialismus und über das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft vermittelt werden, 2. alle Bewerber zum juristischen Studium sollen schon eine abgeschlossene Berufsausbildung haben, 3. das juristische Studium wird in eine Grundausbildung und eine Spezialausbildung für Justizjuristen und Wirtschaftsjuristen getrennt, 4. die bisherige Praktikantenzeit wird in das Studium in Form von zwei praktischen Semestern einbezogen.
Um diese Prinzipien durchzusetzen, wurde angeordnet, die gesamte Ausbildung orga[S. 383]nisch mit der gesellschaftlichen Praxis zu verbinden. Neben einer bereits abgeschlossenen anderen Berufsausbildung (Erziehungs- und Bildungswesen) sollen die für die Rechtspflege vorgesehenen Bewerber mindestens zwei Jahre als Facharbeiter tätig gewesen sein und sich in dieser Tätigkeit zum „Spezialisten“ qualifiziert haben. Gleichzeitig sollen sie sich die für ihren späteren Beruf notwendigen Kenntnisse über das ökonomische Grundgesetz des Sozialismus aneignen. Der juristische Beruf wird damit in der Regel also zu einem zweiten Beruf.
Das R. beginnt mit einer einheitlichen Grundausbildung, die fünf Semester dauert und mit einem Vorexamen abschließt. Sie umfaßt das gesellschaftswissenschaftliche Grundstudium, eine gründliche Ausbildung in den Fächern „Staatsrecht“ und „Theorie des Staates und des Rechts“ und die Vermittlung von Grundkenntnissen in einzelnen Rechtszweigen. Von entscheidender Bedeutung in diesem, Abschnitt ist die Vorlesung „Politische Ökonomie des Sozialismus“, aus der hervorgehen soll, daß während des gesamten Studiums die Einheit zwischen der juristischen Fachausbildung und der ökonomischen Ausbildung herzustellen ist.
In dem nach bestandenem Vorexamen weitergeführten spezialisierten Studium werden die künftigen Justizjuristen vor allem auf den Gebieten Gerichtsverfassung, Zivilrecht, Zivilprozeßrecht, LPG-Recht, Arbeitsrecht, Strafrecht und Strafprozeßrecht ausgebildet. Hinzu kommen Vorlesungen über Neuerer- und Patentrecht, Urheber- und Verlagsrecht, Internationales Privatrecht, Kriminalistik, Psychologie und gerichtliche Psychiatrie. In diese Ausbildung sind in geeigneter Weise Probleme der Ökonomie, insbesondere der Planung und Leitung der Volkswirtschaft, einzubeziehen. Dieses Studium für die für den Bereich der Rechtspflege vorgesehenen Juristen vollzieht sich nunmehr ausschließlich an den Juristischen Fakultäten der Universitäten in Ostberlin und Leipzig, während die anderen beiden Juristischen Fakultäten in Jena und Halle das Studium für die künftigen Wirtschaftsjuristen durchführen. In diesem Studium sollen Kenntnisse über die speziellen staatlichen und rechtlichen Fragen des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft und der Leitung nach dem Produktionsprinzip vermittelt werden. Der Schwerpunkt liegt auf folgenden Gebieten: Erfinder- und Neuererrecht, Urheber- und Verlagsrecht, Patent- und Warenzeichenrecht, Zivilrecht der sozialistischen Staaten, Recht des Innen- und Außenhandels einschließlich des Handels- und Gesellschaftsrechts kapitalistischer und nationaldemokratischer Staaten, Internationales Privat- und Finanzrecht.
Die bisherige Praktikantenzeit (12 bis 18 Monate), die nach Ablegung des Staatsexamens abzuleisten war, wird in das juristische Studium in Form von zwei „praktischen Semestern“ einbezogen. Das erste Praktikum ist im 6. Studiensemester, das 2. Praktikum im 10. Semester abzuleisten. Während das 1. praktische Semester im Bereich der volkseigenen Wirtschaft, in sozialistischen Genossenschaften und in Massenorganisationen abgeleistet werden soll, ist das Praktikum im 10. Semester im künftigen Einsatzbereich des Studenten — Justiz oder Wirtschaft — zu absolvieren. Es soll die Grundlage für eine Diplomarbeit bilden, deren Ergebnisse der Praxis dienen.
Die Dauer des juristischen Studiums einschließlich der beiden praktischen Semester wurde auf fünf Jahre festgesetzt. Mit dem Staatsexamen ist die Ausbildung beendet. Einen juristischen Vorbereitungsdienst gibt es nicht. Bereits im 7. Semester soll die staatliche Berufslenkung den künftigen Einsatzbereich des Studenten bestimmen. Für alle Studienjahre wurde auf der Grundlage der Beschlüsse des VI. Parteitages der SED, des Staatsratsbeschlusses über die Rechtspflege und der Richtlinie des Ministerrates für das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft neue Studienpläne und Lehrprogramme ausgearbeitet. An dieser Aufgabe wirkte insbesondere das Institut für staats- und rechtswissenschaftliche Forschung der Deutschen ➝Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ verantwortlich mit. Struktur und Aufgaben dieser Akademie wurden erheblich verändert, so daß seitdem ein R. dort nicht mehr durchgeführt wird. (Hochschulwesen)
Literaturangaben
- Rosenthal, Walther, Richard Lange, und Arwed Blomeyer: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 4., überarb. Aufl. (BB) 1959. 206 S.
- Rosenthal, Walther: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands — Aufgaben, Methoden und Aufbau. (BB) 1962. 175 S.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 382–383
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