DDR von A-Z, Band 1966

Schauprozesse (1966)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1969 1975 1979 1985


 

Sch., früher offiziell „Prozesse vor erweiterter Öffentlichkeit“ genannt, sind ein beliebtes Mittel der bolschewistischen Justiz, um abschreckende Wirkung auf die Bevölkerung auszuüben (Generalprävention). Aus der großen Zahl der mit dieser Zielsetzung in den Jahren 1949–1953 durchgeführten Sch. seien als Beispiele erwähnt: Der „Conti-Prozeß“ gegen Herwegen, Brundert u.a. in Dessau im April 1950, der Prozeß gegen Hermann Josef Flade in Olbernhau am 10. 1. 1951, der Prozeß gegen den Staatsanwalt Formann in Bautzen am 1. 9. 1951. Später wurde die Taktik in der Organisierung der Sch. verändert. An Stelle einer möglichst großen Zuhörerschaft wurden bestimmte Personengruppen zu einem Prozeß besonders eingeladen. Der Zutritt zu diesen Sch. ist meist nur gegen Eintrittskarten möglich (Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen). Gericht und Verhandlungsraum sind durch die Volkspolizei abgesperrt.

 

[S. 412]Der Verlauf eines Sch. ist meistens vorher genau abgesprochen. Oft konnte beobachtet werden, daß sich die Angeklagten in ihren Aussagen an vor der Hauptverhandlung niedergeschriebene Protokolle hielten. Von für die „Bewußtseinsbildung“ und Erziehung der Bevölkerung besonders geeignet erscheinenden Szenen werden Rundfunk- und Fernsehübertragungen gesendet und Wochenschau-Berichte hergestellt. Besondere Bedeutung hatten die Prozesse gegen 24 Studenten der Universität Jena vor dem BG Gera im Sept./Okt. 1958 (Gesamtstrafen: 110 Jahre Zuchthaus), der Prozeß gegen 5 Studenten der TU Dresden vor dem BG Dresden im April 1959 (Gesamtstrafen: 37½ Jahre Zuchthaus), der Prozeß gegen den ehemaligen Grenzpolizei-Oblt. Smolka vor dem BG Erfurt (Todesstrafe), die beiden Prozesse im Aug. 1961 vor dem Obersten Gericht gegen neun „Kopfjäger“ und „Menschenhändler“ (Gesamtstrafen: 78 Jahre Zuchthaus), die im Juli und September 1962 beendeten beiden Prozesse des Obersten Gerichts gegen je 5 Angeklagte, denen Terrorismus und versuchte „Grenzdurchbrüche“ vorgeworfen wurden (zwei lebenslängliche Zuchthausstrafen und 69 Jahre Zuchthaus) und der am 26. 2. 1964 beendete Prozeß des OG gegen den „Terroristen“ Herbert Kühn (lebenslängliche Zuchthausstrafe). (Rechtswesen)

 

Literaturangaben

  • Unrecht als System — Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet. (BMG) 1952. 239 S.
  • Unrecht als System, Bd. II — Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet 1952 bis 1954. (BMG) 1955. 293 S. Eine englische, eine französische und eine spanische Ausgabe bringen die in Bd. I zusammengestellten Dokumente.
  • Unrecht als System, Bd. III — Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet 1954 bis 1958. (BMG) 1958. 284 S.
  • Unrecht als System, Bd. IV … 1958 bis 1961 (BMG) 1962. 291 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 411–412


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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