
Spontaneität (1966)
Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965
Nach Lenin die verderbliche, da wenig wirksame Neigung der [S. 447]Massen, impulsiv und ohne systematische Vorbereitung und straffe Organisation ihre Augenblicksinteressen wahrnehmen zu wollen. U.a. in der Auseinandersetzung mit den Auffassungen Rosa Luxemburgs, für die die S. der Massen eine wichtige Voraussetzung der Revolution war, vertrat Lenin den Standpunkt, das Proletariat sei nur in der Lage, „trade-unionistisches“ Bewußtsein zu entwickeln, und müßte durch eine straff organisierte, disziplinierte „Vorhut“ von Berufsrevolutionären, die bolschewistische Partei, vom spontanen Handeln zu bewußter revolutionärer Aktion geführt werden. (Marxismus-Leninismus)
Die Zweischneidigkeit der S. hat in der bolschewistischen Diskussion immer wieder eine Rollo gespielt, da die Bolschewisten auf der einen Seite auf den Führungsanspruch der Partei nicht verzichten wollen und eine Nachgiebigkeit gegenüber den „spontanen“ Wünschen der Massen als „Nachtrabpolitik“ verwerfen, aber auf der anderen Seite bei der Verwirklichung ihrer Politik auf die „schöpferische Kraft der Massen“ angewiesen sind (Masseninitiative). Die Vertreter des Revisionismus haben seit 1956 mehrfach eine stärkere Berücksichtigung der spontanen Kräfte der Massen gefordert, vor allem Benary, der sich um eine neue Bestimmung des Begriffs S. bemühte und in der Ausnutzung der spontanen Impulse der Arbeiterschaft einen Weg zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten sah. (Neuererbewegung, Neues ökonomisches System, Liberman-Diskussion, Titoismus, Syndikalismus, Prinzip der ➝Sozialistischen Leitung)
Literaturangaben
- Jänicke, Martin: Der dritte Weg — Die antistalinistische Opposition gegen Ulbricht seit 1953. Köln 1964, Neuer Deutscher Verlag. 267 S.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 446–447