DDR von A-Z, Band 1966

Staatssicherheitsdienst (SSD) (1966)

 

 

Siehe auch:


 

Politische Geheimpolizei der SBZ. Schon Ende 1945 begann der Aufbau eines geheimen Polizeiapparates zur Verfolgung politischer Gegner des SED-Regimes, als bei den Landes- und Kreisbehörden der Volkspolizei „Kommissariate 5“ („K 5“) entstanden. Ende 1946 erhielt die Deutsche Verw. des Innern ein Referat K 5, das polit. Delikte als „Auftragsangelegenheiten der Besatzungsmacht“ bearbeitete. (Das Ref. K 5 erhielt Anleitung und seit 1948 auch Personalzuwachs von jenen Abteilungen des MGB, die mit deutschen Kräften besetzt waren.) Parallel dazu gründete die DWK am 12. 5. 1948 den „Ausschuß zum Schutz des Volkseigentums“, der die „administrative Kontrolle des gesamten Volkseigentums“ erhielt.

 

Beide Stellen wurden nach Gründung der „DDR“ am 7. 10. 1949 zunächst zu der „Hauptverwaltung Schutz der Volkswirtschaft“ im Ministerium des Innern (MDI) zusammengefaßt, dann durch Gesetz vom 8. 2. 1950 (GBl. 1950, S. 95) zu einem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verselbständigt. Erster Minister: Wilhelm ➝Zaisser. Nach Juni-Aufstand in „Staatssekretariat für Staatssicherheit“ umgewandelt und erneut dem MdI unterstellt. Seit Nov. 1955 wieder MfS. Minister seit Nov. 1957: Erich ➝Mielke als Nachfolger des in Ungnade gefallenen Ernst ➝Wollweber.

 

Sitz des MfS: Berlin-Lichtenberg, Bezirksverwaltungen in allen Bezirkshauptstädten, in Siegmar-Schönau (für Uranbergbau) und im Sowjetsektor Berlins; Kreisdienststellen in den Kreisen; Beauftragte in Betrieben und LPG. Bis 1954 hatten alle Einheiten des SSD Instrukteure des sowjet. MGB. Arbeitsweise: Ermittlungs-, Untersuchungs- sowie Vernehmungsmethoden nach Vorbild der KGB; stützt sich in erster Linie auf Berichte seiner vielen Geheimen Informanten (Spitzelwesen). Der SSD hat sämtliche Lebensbereiche der SBZ gegen alle nicht-sowjetischen Regungen und antikommun. Gedanken geheimpolizeilich zu „sichern“. Mit seiner in den Postämtern tätigen Stelle „12“ durchleuchtet er planmäßig die ein- und abgehende Post und wertet sie aus. — Am 7. 2. 1965 betonte Mielke (im „Neuen Deutschland“), die Tätigkeit des SSD sei „in erster Linie darauf ausgerichtet, vorbeugend zu wirken“. Daneben betreibt der SSD Spionage, Sabotage, Diversion und Zersetzung in West- Berlin, in der BRD und zum Teil auch im westlichen Ausland (Aufklärung). Die „offensive“ Tätigkeit des SSD obliegt der „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA) im MfS, die sich auf teils legale, teils illegale „Residenturen“ (= Spionageköpfe) stützt. Diese arbeiten konspirativ (d.h. streng verdeckt) 1. in den gesamtdeutschen Abt. aller Parteien und Massenorganisationen und Einrichtungen, die durch Kontakte mittels der Infiltration in die BRD hinein wirken; 2. in der Wirtschaft und der technisch-militärischen Forschung außerhalb der SBZ.

 

Der SSD unterliegt keiner Kontrolle durch die Volkskammer, „er ist eine Behörde eigener Verantwortung“ (Otto Nuschke bei Presseempfang in Bonn am 20. 9. 1952). Er ist lediglich der Form nach an die Sozialistische Gesetzlichkeit gebunden. Er verletzt sie häufig, wenn auch die bis 1954 festgestellten Vernehmungsmethoden (Licht-, Wasser- und Kältezellen, Verpflegungsentzug, schwere Mißhandlungen) selten geworden sind. Die erwünschten Aussagen erzielt der SSD nötigenfalls durch zermürbende Dauerverhöre. Der Hauptabt. V des MfS obliegen in Zusammenarbeit mit der Hauptabteilung VIII Planung und Durchführung von Verschleppungen aus dem Westen (Menschenraub). SSD-Angehörige führen Militärdienstgrade und haben neben SSD-Ausweis auch Kripo-Ausweis und Tarnpapiere. Stärke: etwa 13.000 Zivil [S. 461]tragende Offiziere, Unteroffiziere und Angestellte, einschließlich der rd. 1.500 Angehörigen des MfS, ohne das 4.500 Mann starke Wachregiment des MfS.

 

Literaturangaben

  • : Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa (hrsg. vom Bundesministerium für Vertriebene). 199 S.; Bd. III (1957) 408 S.; Bd. 1,2: 896 S.; Beih. 1 (Pommern) 1955. 127 S.; Bd. II (1956) 199 S.; Bd. III (1957) 408 S.; Bd. IV,1 (1957) 357 S.; Bd. IV,2 (1957) 818 S.; Beih. 1 (Prag) 1957. 279 S.; Bd. V (1961) 264 u. 633 S.
  • Baring, Arnulf: Der 17. Juni 1953. 4. durchges. Aufl. (BB) 1959. 84 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 460–461


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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