DDR von A-Z, Band 1966

Steuern (1966)

 

 

Siehe auch:


 

Steuerpolitik, Steuerrecht und Steuerverwaltung haben in der SBZ neben der Beschaffung von Haushaltsmitteln für den Staat u. a. noch eine weitere Aufgabe zu erfüllen; zum Zwecke der allmählichen, aber systematischen Beseitigung von Privatunternehmungen u. ihrer Ersetzung durch Staatsbetriebe und die kommunistische Plan- und Zwangswirtschaft wurde das Steuerwesen unter Mißachtung der Grundsätze der Gleichmäßigkeit und der Gerechtigkeit der Besteuerung zu einem Instrument des Klassenkampfes. Der sowjetzonale Finanzwirtschaftler A. Lemmnitz charakterisierte das Steuerwesen wie folgt: „Steuerfragen sind Fragen des Klassenkampfes und nicht der ewigen Gerechtigkeit … Es gibt keine allgemeine Gerechtigkeit, sondern nur eine auf die jeweilige Klassengesellschaft bezogene Gerechtigkeit“ (DFW 1948, S. 8 bis 12).

 

Über die Steuereinnahmen lassen sich im einzelnen keine zuverlässigen Angaben machen, da die Einzelheiten des Staatshaushalts nicht bekanntgegeben werden. Sicher ist jedoch, daß die Verbrauchsabgaben ständig gestiegen sind. Eine bedeutende Rolle spielt für die Einnahmeseite die PDA, die verbrauchssteuerähnlichen Charakter hat.

 

Der Klassenkampf Charakter des sowjetzonalen Steuerrechts tritt am deutlichsten bei der Einkommenbesteuerung. in Erscheinung. Lohnempfänger und Angehörige der freischaffenden Intelligenz (mit Ausnahme der Rechtsanwälte, Steuerberater und dergleichen) werden steuerlich begünstigt. Für die übrigen einkommensteuerpflichtigen Personen (also insbesondere für die Inhaber landwirtschaftlicher u. gewerblicher Betriebe) gilt ein „Kapitalisten“-Tarif, dessen Progression in hohen Tarifstufen mehr als 90 v. H. beträgt. Ähnlich werden bei der Körperschaftsteuer — soweit sie durch die Einführung der PDA überhaupt noch erhoben wird — staatliche und „volkseigene“ Betriebe, gewerbliche Betriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts und Genossenschaften steuerlich privilegiert. Konsumgenossenschaften entrichten eine Gewinnsteuer von 15 v. H. des Gewinnes. Bei Molkereigenossenschaften beträgt die Gewinnsteuer 55 v. H. des Betriebsergebnisses. Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) entrichten eine Umsatzsteuer und eine Gewinnsteuer. Die USt beträgt 3 v. H. des Umsatzes. Für die Gewinnsteuer gelten die dem PGH-Steuergesetz vom 30. 11. 1962 (GBl. I, S. 121) beigefügten Steuertabellen. Die übrigen Körperschaften haben ihr Einkommen nach dem „Kapitalisten“-Tarif, also unter Umständen mit über 90 v. H. zu versteuern.

 

[S. 467]Viele Betriebsausgaben sind steuerlich entweder überhaupt nicht mehr oder nur noch teilweise abzugsfähig. Zur Begünstigung der Umwandlung von Kapitalgesellschaften hat der Neue Kurs Sonderbestimmungen geschaffen, die dazu beitragen, daß es in absehbarer Zeit keine Aktiengesellschaften usw. mehr gibt. Für Handwerker gilt seit 1950 eine die tatsächliche Ertragslage nicht berücksichtigende, sondern an objektive Merkmale anknüpfende „normative Einheitssteuer“ (Handwerk-Steuer). Die Mitglieder von LPG, die vorher einen landwirtschaftlichen Betrieb selbständig bewirtschaftet haben oder selbständig tätig waren (wie Gärtner, Handwerker, Gewerbetreibende) zahlen Landwirtschaftsteuer. Ab 1. Januar 1954 wurde in der „volkseigenen“ Wirtschaft die PDA nach dem Vorbild der sowjet. „differenzierten Umsatzsteuer“ eingeführt. Sie tritt an Stelle der Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Beförderungsteuer u. der Verbrauchsabgaben.

 

Die mit Wirkung vom 1. 1. 1957 eingeführte Handelsabgabe schließt in gewisser Hinsicht den Umwandlungsprozeß des sowjetzonalen Steuersystems ab. (Lohnsteuer, Abgabenverwaltung, Wirtschaft, Finanzsystem, Erbschaftsteuer, Kraftfahrzeugsteuer)

 

Literaturangaben

  • Frenkel, Erdmann: Steuerpolitik und Steuerrecht in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1953. 124 S. m. 11 Anlagen.
  • Kitsche, Adalbert: Die öffentlichen Finanzen im Wirtschaftssystem der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. (BMG) 1954. 68 S. m. 1 Anlage.
  • Kitsche, Adalbert: Das Steuersystem in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Gelsenkirchen 1960, Buersche Druckerei Dr. Neufang. 187 S. m. zahlr. Tab.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 466–467


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Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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