DDR von A-Z, Band 1966

Verteidigungsgesetz (1966)

 

 

Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1969 1975 1979 1985


 

Am 20. 9. 1961 beschloß die Volkskammer das „Gesetz zur Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik (Verteidigungsgesetz)“.

 

Im Vorspruch wird behauptet, „die Einbeziehung Westdeutschlands in das aggressive NATO-Paktsystem“ mache das V. notwendig; daß die riesigen Rüstungen der SU und der SBZ der Anlaß zu dem westlichen Abwehrbündnis waren, wird verschwiegen. Das V. festigt die Militarisierung der SBZ und erweitert die diktatorischen Vollmachten des Vors. des Staatsrates, Ulbricht. § 1, Abs. 3, stützt das V. auf den Warschauer Beistandspakt. § 2 Abs. 2, bestimmt, daß dem Nationalen Verteidigungsrat „die einheitliche Leitung der Verteidigungs- und Sicherheitsmaßnahmen“ zusteht. § 3, Abs. 1, [S. 506]wiederholt wörtlich den (seit 26. 9. 1955 nach Änderung geltenden) Wortlaut des Art. 5, Abs. 1, der Verfassung: „Der Dienst zum Schutze des Vaterlandes und der Errungenschaften der Werktätigen ist eine ehrenvolle nationale Pflicht der Bürger der DDR.“ (Wehrpflicht)

 

Gemäß § 3, Abs. 2, wird dieser Dienst in der NVA, anderen bewaffneten Organen oder im Luftschutz abgeleistet, doch ist für die Regelung im einzelnen seit dem 24. 1. 1962 das Gesetz über die Wehrpflicht maßgebend. — § 3, Abs. 3 des V. sieht auch andere persönliche Dienstleistungen vor. Lt. § 7 hat die Volkswirtschaft die „materiellen Voraussetzungen für eine … Verteidigung“ zu sichern. §§ 8 bis 18 regeln „Sach- und Dienstleistungen“ im Hinblick auf die Verteidigung. § 19 lautet: „Für Streitigkeiten über Entschädigungsansprüche und Ansprüche auf Bezahlung von Dienstleistungen ist der Rechtsweg ausgeschlossen.“ Bei Nichterfüllung von Leistungen sieht § 20 Strafen bis zu 3 Jahren Gefängnis vor. Am 16. 8. 1963 erließ der Ministerrat die Leistungsverordnung, die die erzwingbare Erbringung von Sach- und Dienstleistungen für „Verteidigung und Schutz der DDR“ eingehend regelt.

 

Sehr wichtig ist auch die innenpolitische Seite des V., das in Wirklichkeit ein Stück Notstandsgesetzgebung darstellt. Nach § 4, Abs. 1, erklärt der Staatsrat „im Falle der Gefahr oder der Auslösung eines Angriffes gegen die DDR oder in Erfüllung internationaler Bündnisverpflichtungen den Verteidigungszustand“. Er kann nach § 4, Abs. 3, „für die Dauer des Verteidigungszustandes die Rechte der Bürger und die Rechtspflege … abweichend von der Verfassung regeln“. Dadurch erhält der Staatsrat, d.h. dessen Vors. Ulbricht, unbeschränkte Befehlsgewalt nicht nur für den Kriegsfall, denn 1. läßt sich die Formel „im Falle der Gefahr“ (§ 4, Abs. 1) auch gegen eine antikommunistische Volksbewegung an wenden; und 2. fordern Vorspruch und § 1, Abs. 2, und § 3, Abs. 2, die Verteidigung der „sozialistischen Errungenschaften“. (Militärpolitik)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 505–506


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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