DDR von A-Z, Band 1966

Volkszählung (1966)

 

 

Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1969 1975 1979 1985


 

Auf Empfehlung der Europa-Kommission der Vereinten Nationen finden im Rahmen des „Weltzensus“ in den Jahren, die auf Null enden, in fast allen europäischen Ländern Volkszählungen statt. Entgegen diesen Empfehlungen hatte die SBZ bereits Mitte 1957 für 1959 eine „Volks-, Berufs- und Wohnraumzählung“ beschlossen. Für die Wirtschaftsplanung ab 1960 wollte man frühzeitig Angaben über Bevölkerung und Arbeitskräftepotential besitzen. Nach einem am 11. 12. 1957 erlassenen Gesetz zur V. war der Zähltermin auf den 15. 1. 1959 festgelegt worden. Vorher fand am 20. 2. 1958 im Landkreis Leipzig eine Probezählung statt. Mit der Begründung, daß die Bevölkerungsstatistik der SBZ bisher noch nicht in der Lage war, eine Darstellung der nach 1945 eingetretenen Umschichtung der Klassen und Zwischenschichten der Bevölkerung darzulegen, wollte man in Anlehnung an die sowjet. Methodik eine neuartige „Klasseneinteilung der Bevölkerung“ vornehmen. Der Stand der Angestellten sollte in der Klasse der Arbeiter aufgehen. Die Intelligenz wollte man nur vorläufig als besondere Klasse erfassen, da sie im kommun. Staat früher oder später in der Arbeiterklasse aufgehen würde. Vor allem die in den Produktionsgenossenschaften des Handwerks und der Landwirtschaft Tätigen sollten besondere neue Klassen bilden. Als weitere Neuerung sah man eine Einteilung nach drei verschiedenen „Familientypengruppen“ vor. Die Zuordnung sollte nach der Klassenzugehörigkeit und Herkunft der Ehepartner erfolgen. Eine Erfassung der Bevölkerung nach Konfessionen war nicht vorgesehen. Die Durchführbarkeit eines solchen Zählprogramms wurde von Experten in der BRD bezweifelt. Die mit 24 Mill. DM Ost veranschlagten Kosten waren zu niedrig angesetzt. Nach der Probezählung im Landkreis Leipzig wurde die V. in der SBZ ohne Kommentar verschoben. Weder 1960, 1961 noch 1962 war eine V. vorgesehen. Lediglich am 15. 3. 1961 fand in teilweiser Erfüllung des für 1959 geplanten „Zählprogramms“ eine Wohnungszählung statt. Dem Mangel an Zahlenangaben über die Bevölkerung versuchte man 1962 durch vorausschauende Wahrscheinlichkeitsberechnungen bis zum Jahr 1980 abzuhelfen. Dabei baute man auf ohnehin fragwürdigen Fortschreibungsergebnissen des Jahres 1961 auf.

 

Nach einem Beschluß des Ministerrates vom 22. 12. 1962 (GBl. 1963, S. 39) wurde mit Stichtag vom 31. 12. 1964 eine Volks- und Berufszählung durchgeführt. Hierzu sind 1963 in einigen Gemeinden Probezählungen durchgeführt worden. Als Grundlage für diese Zählung galt das bereits erlassene Gesetz vom 11. 12. 1957 (GBl., S. 675). Bis Mitte 1964 sind dazu fünf Durchführungsbestimmungen erlassen worden. Die für die Durchführung verantwortlichen Bezirks- und Kreiszählkommissionen mußten von den Bezirks- und Kreisstellen der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik bis zum 1. 9. 1964 gebildet sein. Von den Bürgermeistern der Städte, der Stadtbezirke und der Gemeinden mußten bis zum 25. 9. 1964 Organisationsbüros eingerichtet werden, die bis zum 10. 2. 1965 bestehen bleiben sollen. Während der Zeit vom 28. bis 30. 12. 1964 wurden die Haushaltslisten von den Zählern ausgetragen und in der Zeit vom 2. bis 6. 1. 1965 wieder eingesammelt.

 

Mit einer Bekanntgabe der vollständigen amtlichen, d.h. endgültigen Ergebnisse der V. kann nach sowjetzonalen Angaben nicht vor Mitte 1966 gerechnet werden. Bisher wurden nur vorläufige Ergebnisse über die Gesamtzahl der Bevölkerung nach Kreisen und Bezirken sowie über die Bevölkerung der Bezirke nach Geschlecht, Alter und Altersgruppe veröffentlicht. Ferner wurden die neuen Einwohnerzahlen der elf Großstädte der SBZ bekanntgegeben.

 

Die V. hat die schon lange gehegte Vermutung bestätigt, daß die Bevölkerungszahl der SBZ in den letzten Jahren niedriger gewesen ist, als sie auf Grund der Bevölkerungsfortschreibung hätte sein müssen. In Anbetracht dessen, daß die vorhergehende Zählung (31. 8. 1950) mehr als 14 Jahre zurückliegt, hält sich die Abweichung in erträglichen Grenzen. Für das Jahresende 1963 wird nach wie vor eine etwas höhere B.-Zahl als für das Jahresende 1964 genannt. Daraus ist der fälschliche Schluß gezogen worden, daß die Bevölkerung im [S. 516]Laufe des Jahres 1964 abgenommen habe. Die B.-Zahlen für 1963 und 1964 sind aber, da sie auf verschiedenen Grundlagen ermittelt wurden, nicht direkt vergleichbar, so daß aus einer Gegenüberstellung keine Entwicklung im Sinne der Verminderung der Bevölkerung herausgelesen werden kann.

 

Die letzte gesamtdeutsche V. ist die Volks- und Berufszählung vom 29. 10. 1946, für die eine einheitliche Anweisung, das Kontrollratsgesetz Nr. 33 vom 20. 7. 1946, für alle Besatzungszonen vorlag. Die am 31. 8. 1949 durchgeführte V. war die letzte amtliche Zählung in der SBZ. Die Ergebnisse wurden erst ab 1956 mit der Herausgabe des ersten Jahrganges des Statistischen Jahrbuches der „DDR“ veröffentlicht. Jedoch fehlen auch hier die Angaben über die Bevölkerung nach der Konfessionszugehörigkeit sowie Daten, die eine Arbeitskräftebilanz ermöglichen könnten.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Zehnte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1966: S. 515–516


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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