
Ästhetik (1969)
1. Allgemeine Grundlagen
Die in der DDR gelehrte Ä. ist ein Teil der marxistischen Erkenntnistheorie. Sie beruht auf Lenins Widerspiegelungstheorie einerseits („Marxismus und Empiriokritismus“) und dem historischen Materialismus andererseits. Es wird dabei unterschieden zwischen der Untersuchung des allgemeinen ästhetischen Phänomens der sinnlichen Wahrnehmung (Widerspiegelung) und der Untersuchung von dessen „höchster Form“, der Kunst.
Die objektive Welt ist vom Subjekt unabhängig. Sie wird im subjektiven Bewußtsein widergespiegelt. Für das Bewußtsein gelten daher dieselben Gesetze der Dialektik, die in der objektiven Realität gelten. Die gesellschaftliche Umwelt jedoch in historischen Gesetzmäßigkeiten. Die einzelnen Subjekte sind in dieser historisch-gesellschaftlichen Umwelt Teile und spiegeln sie daher entsprechend ihrem Stand innerhalb der historischen Entwicklung der Gesellschaft wider. Da die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen ist, nimmt auch die Widerspiegelung einen jeweils bestimmten Platz innerhalb dieser Klassenkämpfe ein. Es gibt keine neutrale Position; die Kunst ist parteilich.
Bei der Vermittlung von Erkenntnis unterscheidet sich die Ä. von der Wissenschaft darin, daß sie das Wesen der Dinge nicht isoliert von ihrer subjektiv konkreten Erscheinung analysiert, sondern das Allgemeine, Typische in der sinnlich wahrnehmenden Gegenständlichkeit aufsucht. Der Gegenstand wird in seiner Ganzheit erfaßt, also auch durch Empfindung, Gefühl, usw. Stärker als die wissenschaftliche ist die ästhetische Wahrnehmung daher durch die ideologische Position des Wahrnehmenden beeinflußt. Die Ä. ist daher nicht nur deskriptiv, sondern auch präskriptiv. Sie schreibt vor, wie richtige ästhetische Empfindung oder wie Kunst zustande kommen soll.
Die Kunst ist die höchste Form des ästhetischen Bewußtseins und der ästhetischen Tätigkeit. Ihre Entwicklung wird letztlich bestimmt durch die Entwicklung der materiellen Basis der Gesellschaft. Allerdings nicht streng determiniert, sie kennt eine relativ unabhängige Eigenentwicklung. Erst dies ermöglicht, innerhalb eines ideologisch-klassenbedingten Rahmens Werke unterschiedlicher Qualität zu schaffen.
[S. 51]Das Bewußtsein spiegelt das Sein nicht einfach wider, sondern lenkt die Tätigkeit des Menschen und wird zu einer subjektiven Voraussetzung für die praktische Veränderung der Welt. Damit ist zweierlei gesetzt: a) Die Kunst ist jeweils auch die Widerspiegelung eines bestimmten politischen Standpunkts und ordnet sich in das Schema von Fortschritt und Reaktion ein. b) Die Kunst hat als Form des Bewußtseins eine handlungsanleitende und damit erzieherische Funktion.
In der Geschichte ist die Kunst immer ein Ausdruck der Ideologie der sie tragenden Klasse und des Standortes, den diese Klasse im Geschichtsverlauf einnimmt. Solange z. B. die „Bourgeoisie“ noch fortschrittlich gewesen ist und gegen die Feudalaristokratie um demokratische Rechte gekämpft hat, hatte die bürgerliche Kunst Malerei, Literatur, Musik eine hohe Blüte erlebt. Mit dem Aufkommen der „Arbeiterklasse“ jedoch wurde die „Bourgeoisie“ historisch in die Defensive gedrängt, ihre Kunst verfiel. Besonders stark zeigt sich dies in der Zeit des „Imperialismus“. Die Verachtung der „Massen“ und damit des Menschen zeigte sich in ihrer Esoterik (l'art pour l'art, Formalismus), in ihrer Unverständlichkeit und Inhaltsleere (Formalismus). Wie die „Bourgeoisie“ ihren Sinn in der Geschichte eingebüßt hat, hat der reaktionäre bürgerliche Künstler keinen Sinn mehr widerzuspiegeln.
Kunst ist sinnliche Widerspiegelung der Realität. Die adäquate Methode dazu ist die des Realismus, in der das künstlerische Material so bearbeitet wird, daß die objektiven und sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen in ihm wiedererkannt werden können. Dabei wird unterschieden zwischen dem bürgerlichen kritischen Realismus, der die Realität der bürgerlichen Gesellschaft kritisiert, ohne schon ihre Ursachen und das in ihr ruhende Neue zu entdecken, dem dekadenten Naturalismus, der sich in der genauen Wiedergabe der Oberfläche der Phänomene erschöpft, und dem sozialistischen Realismus, der zum historisch-fortschrittlichen Wesen der Erscheinungen vorstößt.
Das Aufzeigen dieses Sinnes in den sinnlich-konkreten Erscheinungen wird mit dem Begriff des Typischen belegt. Durch das Aufzeigen des Typischen, das in einem Auswählen und Umstrukturieren der Vorgefundenen Realität besteht, erfüllt die Kunst ihre erkenntnisvermittelnde Funktion. Gleichzeitig ist durch die Erfahrung des Typischen ein normatives und kontrollierbares Element in die Kunst integriert: es unterliegt der Bewertung als „falsch“ oder „richtig“. Typisch kann nur etwas sein, was das Wesen der (sozialistischen) Gesellschaft „richtig“ zeigt.
Die künstlerische Qualität eines Werkes erschöpft sich jedoch nicht in der richtigen Wiedergabe des Typischen. Gleichzeitig muß das Problem des Verhältnisses von Form und Inhalt in harmonischer Weise gelöst sein. Dabei ist der Inhalt das Primäre in der Kunst. Ein bestimmter Inhalt zieht eine bestimmte Form nach sich. Allerdings ist die Abhängigkeit nicht einseitig determiniert. Auch ein historisch richtiger Inhalt kann in eine schlechte Form gefaßt sein. Vollkommen ist ein Kunstwerk, in dem Inhalt und Form harmonisch übereinstimmen. Wo der Inhalt ein historisches Verfallsprodukt ist, wie z. B. in der reaktionären bürgerlichen Literatur und Kunst von Joyce bis Beckett, von den Futuristen bis zu den Gegenstandslosen, besteht diese Harmonie auch, aber sie ist künstlerisch wertlos, da der Inhalt falsch ist.
Ein zentraler Begriff innerhalb der Ä., der dem Typischen einerseits und dem der Empfindung andererseits nahesteht, ist der der Schönheit. Hauptquelle des Schönen in der Kunst ist das Schöne im Leben. Schön ist etwas, das ein positives ästhetisches Urteil hervorruft. Damit ist Schönheit jedoch nicht bloß subjektive Empfindung. Ihre Wahrnehmung ist nichts anderes als eine Widerspiegelung bestimmter objektiver Eigenschaften der Wirklichkeit, des objektiv Schönen. Zwar hat es in der Geschichte verschiedene Schönheitsbegriffe gegeben. Diese beleuchteten aber nur jeweils verschiedene Seiten des An-sich-Schönen, das damit also eine ahistorische Kategorie darstellt. Das Schöne ist kein ausschließliches Merkmal der Kunst. Jede beliebige und vergegenständlichte Arbeit des Menschen schließt Momente der Schönheit ein.
Neben diesem ahistorischen Schönheitsbegriff existiert ein mit dem des Wesens, des Typischen, verbundener historischer Begriff. Schönheit kommt dem Wesen der fortschrittlichen Gesellschaft zu; in seiner subjektiven und künstlerischen Widerspiegelung ruft auch es positive ästhetische Urteile hervor.
[S. 52]Dieser Begriff von Ä. ist der allgemeine Rahmen, innerhalb dessen sich die Ä.-Diskussion in der DDR gehalten hat. Er dient in ihr jeweils als Berufungsinstanz für verschiedene Konzeptionen; gleichwohl gibt es auch von ihm bedeutsame Abweichungen.
2. Historische Entwicklung
Die historische Entwicklung läßt sich in drei Hauptetappen untergliedern.
a) Bis 1956 drei Hauptrichtungen: die dogmatische mit einem besonders engen Realismusbegriff, die verschiedener Tendenzen im Umkreis von Lukács, die im Umkreis von Brecht. b) Bis etwa 1962 vor allem der Versuch, den Einfluß von Lukács zurückzudämmen und einen neuen Realismusbegriff zu finden. c) Bis heute eine Fortführung dieser Diskussion und gleichzeitig eine stärkere Konzentrierung auf das Verhältnis von Kunstwerk und seiner Wirkung.
a) Die dogmatische Richtung in der Ä. (vertreten unter anderem durch W. Girnus und A. Kurella), die Grundlage der offiziellen Kunstpolitik war, ging aus von einem engen Realismusbegriff. Als Norm für die Widerspiegelung der Realität wurden die historischen Formen des bürgerlichen Realismus des 19. Jahrhunderts angesehen. Dies galt sowohl für die Malerei als auch für die Literatur sowie für die Architektur und die Musik. Als das spezifisch Neue des sozialistischen Realismus galt der neue Inhalt. Eine starke Betonung des Typusbegriffs innerhalb des sozialistischen Realismus verleiht der Kunst einen symbolhaften Charakter: Typus erscheint als die Illustration von Begriffen. Die neuen Beziehungen der Menschen, denen Schönheit, Kraft usw. zukommen soll, müssen im Kunstwerk zum Ausdruck gebracht werden. Daher rührt der stark monumentale, emblematische Charakter der bildenden Kunst und der typisierende, „schönfärbende“ der Literatur. Daher z. B. die Fassung des positiven Helden, der Heroismus, Klugheit, Fleiß, Hingabe an die Sache des Sozialismus usw. in sich vereinigt.
Die andere Richtung war die der Lukácsschen Tradition, die vor allem nach dem XX. Parteitag der KPdSU großen Einfluß gewann. Sie bildete allerdings keine einheitliche Schule, sondern vertrat jeweils eigene Konzeptionen. Deren Hauptvertreter waren Lukács, Ernst Bloch, Wolfgang Harich, Hans Mayer u. a. Sie gingen von einem freieren Verhältnis von Basis und Überbau aus, damit letztlich auch von einem anderen Geschichtsbegriff, der aber nicht einheitlich war. Die einzelnen, die in der Geschichte stehen, sind ideologisch zwar an ihre Klasse gebunden. Die Äußerungen in geistigen Schöpfungen aber schaffen eine neue Realität, die ihre eigenen Gesetze hat, mittels derer sich ein Schöpfer aus seiner Klassengebundenheit lösen kann. Damit wurde sowohl die Rolle des schöpferischen Subjekts als auch die des Geistigen gegenüber der gesellschaftlichen Basis stärker betont. Obwohl Lukács selbst einen engen, besonders Balzac als Richtmaß nehmenden Realismusbegriff hatte, wurde von dieser Position her Kritik an der Praxis des sozialistischen Realismus geübt, da er die Rolle des schöpferischen Subjekts im Verhältnis zum Material unterschätzte und eine kritische Position gegenüber dem Bestehenden nicht zuließ. Nach dem ungarischen Aufstand von 1956 mußte diese Richtung in der DDR vorläufig verstummen.
Eine dritte Richtung, die relativ unabhängig, wenn auch auf die Literatur beschränkt, sich seit jener Zeit durchhielt, ist die der Brechtschen Konzeption. Auch sie kannte eine stärkere Betonung der Rolle des Subjekts. Das Schauspiel sollte keine Autorität sein, der sich das Publikum kritiklos unterordnet, sondern Gegenstand kritischen Überlegens. Um dies zu erleichtern, wurde der Ablauf der Spielhandlung „verfremdet“. Weder Schauspieler noch Zuschauer sollten sich mit den dargestellten Personen identifizieren. Diese Art der Darstellung stand in jener Zeit noch im Gegensatz zur offiziellen Konzeption des Realismus, konnte aber in der Folgezeit weitgehend integriert werden.
b) Nach dem XX. Parteitag der KPdSU veränderten sich auch die ästhetischen Auffassungen in der DDR. In der ästhetischen Theorie setzte sich eine neue Konzeption des sozialistischen Realismus durch. Hatte die dogmatische Richtung im Anschluß an Shdanow die Kunstgeschichte noch als Kampf zwischen Realismus und Antirealismus betrachtet und sie dem Kampf zwischen Idealismus und Materialismus in der Philosophiegeschichte gleichgesetzt, so wurde nun der Realismusbegriff [S. 53]historisiert. Als seine Entstehungszeit wurde meist das Aufkommen des Bürgertums angegeben. Gleichzeitig wurde eine größere Autonomie des Inhalts gegenüber der Form postuliert. Der Akzent der Forderungen verschob sich von „getreuer Wiedergabe der Realität“ auf „wahrheitsgetreue Wiedergabe“. Darin war impliziert, daß ein richtiger Inhalt sich erst seine eigene Form suchen müsse. Allerdings wurde mittels der Betonung des Inhalts zugleich die formale Einheit des Kunstwerkes gefordert. Die Details sollten sich nicht verselbständigen, weder wie in der photographischen Wiedergabe der Realität noch im formalistischen Sinn.
Die zweite wichtige Neuerung in der ästhetischen Theorie war eine begrifflich exaktere Differenzierung der Kunst von der Wissenschaft. In Anlehnung an die Konzeption des sowjetischen Ästhetikers Alexander Iwanowitsch Burow wurde postuliert, daß Kunst und Wissenschaft einen je anderen Gegenstand hätten. Dieser eigentliche Gegenstand der Kunst ist das menschliche Wesen, der Mensch als gesellschaftliches Wesen, das als jeweilig individuelles und gesellschaftliches von den Gesellschaftswissenschaften nicht erfaßt werde. Erst auf dieser Basis ist der Typusbegriff relevant (Koch, Pracht).
Eine andere Richtung betonte stärker die Rolle des Subjekts und seine Arbeit beim künstlerischen Schaffen (Horst Redeker, Friedrich Bassenge). Sie insistierte auf dem analogen Charakter von materieller und geistiger, künstlerischer Arbeit. Kunst ist Praxis. Sie ist mehr als bloß Erkenntnis, und dieses Mehr gewährleistet erst echten Realismus, der vom Naturalismus, der bloßen Widerspiegelung der Erscheinungen, unterschieden wird.
c) Beide Richtungen entwickelten sich in gegenseitiger Abhängigkeit in den folgenden Jahren weiter. Die eine verband sich stärker mit den seit den Bitterfelder Konferenzen vertretbaren Konzeptionen zur Hebung des Kulturniveaus der Bevölkerung. Einerseits wurde die Frage der „Volksverbundenheit“ in neuer Weise gestellt. Volksverbundenheit bedeutete sowohl, daß die Kunst erzieherischen Charakter besitze, dessen Vorbedingung Verständlichkeit, Vermittlung von Erkenntnis und eines bestimmten Lebensgefühls, Parteilichkeit usw. ist; andererseits, daß die Kunst nach der Methode des sozialistischen Realismus geschaffen sein sollte. Dieses sollte keine Illustration von Begriffen mehr sein, sondern die neuen oder überlebten Beziehungen und Charaktere der Menschen in typischen Situationen darstellen. Daher wurden in der Kulturpolitik zunehmend Auftragsarbeiten zwischen Gewerkschaften, Betrieben und Schriftstellern vereinbart, die jene auch unter verschiedensten Formen über das gesellschaftliche Leben, vor allem die Arbeit der Bevölkerung informieren sollten. Gleichzeitig implizierte diese Konzeption die Aufhebung der Trennung von hoher Kunst und Volkskunst, die auf der ersten Bitterfelder Konferenz durch die Initiierung der Bewegung „schreibender Arbeiter“ unterstrichen wurde. Diese Bewegung wurde allerdings auf der zweiten Bitterfelder Konferenz durch eine stärkere Betonung der Arbeitsteilung zwischen Berufs- und Laienkünstler wieder zurückgenommen.
Diese Konzeption fügt sich ein in die Entwicklung der kulturpolitischen Diskussion, die vor allem durch das Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED getragen wird (Fred Staufenbiel). Die Kultur darf nicht von der Gesamtentwicklung der Gesellschaft isoliert gesehen werden. Das Kulturniveau ist der Entwicklungsgrad der menschlichen Herrschaft über die Gesetze der Natur und der Gesellschaft, die für die Vervollkommnung des menschlichen Daseins wesentlich ist. Der Prozeß der Vervollkommnung des Menschen ist nur in diesem Rahmen zu sehen. Die Abkehr von einer einseitig ästhetisierenden Auffassung der Kultur ermöglicht es, die Kulturentwicklung planbar zu machen (Erhard John, Fred Staufenbiel, Hans Koch, Erwin Pracht).
Die andere Richtung, die einen starken Akzent darauf gelegt hatte, daß das Kunstwerk ein Arbeitsprodukt ist, betonte zunehmend die Anwendung moderner empirisch-wissenschaftlicher Methoden bei der Entwicklung der Ä. Das Kunstwerk ist im Hinblick auf seine Wirkung auf das Publikum mit den Methoden der Kybernetik, Informationstheorie, Sozialpsychologie, Soziologie usw. zu untersuchen. Diese Konzeption, die das Kunstwerk der ebenfalls sich stark entwickelnden Gebrauchs-Ä. und industriellen Formgestaltung vergleichbar macht, hat ihrerseits eine Rück[S. 54]wirkung auf die ästhetische Theorie, besonders auf das Problem der Widerspiegelung. Unter kybernetischem Aspekt (Horst Redeker) ist das Kunstwerk zu verstehen als Modell wesentlicher historischer Prozesse oder bestimmter Seiten dieser Prozesse in ihrer historischen Bewegungsrichtung. Modelle im kybernetischen Sinn sind dabei nicht Muster oder Vorbild, sondern Abbildung eines strukturellen Zusammenhanges in einem anderen Bereich durch eine isomorphe Struktur. Ein solches Modell dient primär der Erkenntnisgewinnung. Die Rolle des Subjekts ist groß: verschiedene Beobachter können im selben Modell Verschiedenes aufdecken.
Ein weitergehender Ansatz, der soziologische und sozialpsychologische Begriffe verwendet (Günter K. Lehmann), nimmt ästhetische Qualitäten, die bisher als objektive Dingeigenschaften gesehen wurden, in ein gesellschaftlich verstandenes Subjekt zurück. Ästhetische Kriterien rühren von einem sozial sanktionierten Wertmuster her, das teils als individuelle, teils als öffentliche Meinung erscheint. Ästhetische Wertungen sind immer sozial nominierte Interessen und Forderungen, keine Wesenheiten an sich. Die Konsequenz der bisherigen Ä. ist ein Auseinanderklaffen von ästhetischer Norm und gesellschaftlichen Erfordernissen. Kunsttheoretische Untersuchungen müssen bei den wirklichen, d.h. empirisch nachprüfbaren Voraussetzungen beginnen. Kunst ist eine soziale Institution, deren Rolle und Funktion durch den Charakter des sozial-ökonomischen Gesamtsystems bestimmt wird. Ihr Zusammenwirken mit anderen Institutionen des Überbaus wird durch Normen sanktioniert und geregelt, die auch definieren, was Kunst ist und wie Kunst vorgetragen werden muß, um als Kunst vernommen und anerkannt zu werden. Kunstwerke sind Widerspiegelungen von Anschauungen und Interessen von Klassen, Schichten, Gruppen. Der Künstler folgt bewußt oder unbewußt deren Rollenerwartungen.
Die wichtigsten Institutionen, an denen ästhetische Theorie betrieben wird, sind das Institut für Ä. der Humboldt-Universität in Berlin (Dir. Erwin Pracht), das Institut für Ä. und Kulturtheorie der Universität Leipzig (Dir. Erhard John), der Lehrstuhl für Theorie und Geschichte der Kunst am Institut für Gesellschaftswissenschaften (Hans Koch), am selben Institut die Fachrichtung Kulturtheorie (E. John, Fred Staufenbiel). Die Vertreter der zweiten Richtung befinden sich meist in wenig bedeutenden Positionen. Redeker z. B. hat eine Professur an der Hochschule für Gestaltung in Berlin, Lehmann einen Lehrauftrag am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 50–54
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