
Bildende Kunst (1969)
Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979 1985
Die Kunstpolitik des Regimes steht im Zeichen des Sozialistischen Realismus, der nach einem Worte Shdanows von 1934 und dem Beschluß des ZK der SED „gegen den Formalismus“ (März 1951) „die wahrheitsgetreue, historisch konkrete künstlerische Darstellung“ mit der Aufgabe verbindet, „die Menschen im Geiste des Kampfes für ein einheitliches, demokratisches, friedliebendes und unabhängiges Deutschland, für die Erfüllung des Fünfjahrplanes, zum Kampf für den Frieden zu erziehen“. Dieses Programm stellt alle Kunstgattungen mittelbar oder unmittelbar in den Dienst der Agitation und Propaganda für die Ausweitung der sowjetischen Einflußsphäre und den Aufbau des Sozialismus. Kunstrichtungen, die für diesen „gesellschaftlichen“ Zweck nicht brauchbar erscheinen (Formalismus, Funktionalismus in der Architektur, vor allem aber alle „modernen“ Strömungen der Kunst des Westens), wurden vom SED-Regime mit zunehmender Schärfe als „dekadent“ bekämpft.
Die vom Verband Bildender Künstler Deutschlands veranstalteten „Deutschen Kunstausstellungen“ in Dresden 1946, 1949, 1953, 1958/59 und 1962, an denen, zuletzt allerdings sorgfältig gesiebt, auch westdeutsche Künstler beteiligt waren, sollen die geltende Kunst-„Norm“ und die Breite des von ihr bestimmten künstlerischen Schaffens repräsentieren und stehen daher im Zeichen einer Monotonie, die an die gleichnamigen Ausstellungen der NS-Ära erinnert. In der umfangreichen Konzeption für die VI. „Deutsche Kunstausstellung“ (Okt. 1967 bis Juni 1968) wurde wiederum „Skeptizismus“ als „für die Künstler der DDR unbrauchbar und unannehmbar“ bezeichnet; zwar wurden auch „Konfliktlosigkeit und schönfärberische Glätte“ abgelehnt, es blieb aber Auftrag [S. 123]der Künstler, „daß Wahrheit und Schönheit in unserer Kunst wieder zu einer Einheit werden“. Wieder wurden auch Laienarbeiten in die Ausstellung aufgenommen, und unter dem Titel „Kultur im Alltag“ sollte sich ihr im Frühjahr 1968 in Leipzig eine Abteilung für angewandte Kunst anschließen. — In der vom gleichen Verband im Mai/Juni 1967 zum zweitenmal veranstalteten Ausstellung „Intergrafik“, die von Berlin aus durch die Länder des Sowjetblocks wanderte, waren bemerkenswerterweise moderne Kunstströmungen des Westens und auch der BRD mit Beispielen vertreten.
Als Instrument der Kunstpolitik diente von 1950 bis 1954 die Kunstkommission; dann ging diese Aufgabe an das Ministerium für Kultur über. Linientreue Künstler werden mit beträchtlichen Mitteln gefördert; der künstlerische Nachwuchs wird durch Verträge mit volkseigenen Betrieben gefördert und an die Arbeitswelt gebunden. Mit einigem Erfolg bemüht man sich, die „Werktätigen“ im Rahmen der kulturellen Massenarbeit am Kunstbetrieb teilnehmen zu lassen; man regt sie zum Besuch von Museen und Ausstellungen an, hält unter ihnen die Diskussion und Kritik der Kunstproduktion in Gang und ermuntert sie auch (im Sinne der Bewegung der schreibenden ➝Arbeiter) zu eigener künstlerischer Betätigung. 1963 übernahm das Ministerium für Kultur die Zentralen Werkstätten für Druckgrafik in Berlin, um „durch Herstellung von hochwertiger künstlerischer Graphik die Kunst noch stärker als bisher in die Wohnungen der arbeitenden Menschen zu tragen“. Im April 1959 wurde der Kunstpreis der DDR zum erstenmal an 15 Künstler verliehen. Auf der anderen Seite beklagen Verlautbarungen des ZK immer wieder, daß die BK. in allen ihren Gattungen hinter den Anforderungen, die der Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung ihr stelle, weit zurückgeblieben sei.
Die meisten Künstler von Rang, die in Mitteldeutschland beheimatet waren, sind durch die Kunstpolitik der SED von dort vertrieben worden. Zweifellos wirken noch manche in der Stille; die Breite des Kunstbetriebes wird aber offenbar durch den Verzicht auf bedeutende Einzelleistungen — ganz zu schweigen von irgendwelchen Anzeichen einer Avantgarde des angeblichen „Fortschritts“ — erkauft. (Deutsche Akademie der Künste, Auszeichnungen, Kulturpolitik, Laienkunst)
Literaturangaben
- Volkskunst in politischem Dienst. 2., erw. Aufl. (BMG) 1961. 70 S. m. 12 Abb. u. 5 Faks.
- Werth, K. P.: Politkunst in der Sowjetischen Besatzungszone. 4., erw. Aufl. (BMG) 1965. 64 S., 42 Abb.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 122–123