Boykott-, Kriegs- und Mordhetze (1969)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979
Begriffe aus Art. 6 Abs. 2 der alten Verfassung vom 7. 10. 1949: „Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß, militaristische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze.“ Obwohl dieser Verfassungsartikel keinen Strafrahmen enthielt, war er vom Obersten Gericht zum unmittelbar anwendbaren Strafgesetz erklärt worden (Urteil gegen leitende Persönlichkeiten der Sekte Zeugen Jehovas vom 4. 10. 1950. — „Neue Justiz“ 1950, S. 452 ff.). Seitdem wurden aus Art. 6, meist in Verbindung mit Art. III A III der Kontrollratsdirektive 38 (Friedensgefährdung), ständig schwerste Strafen bis zur Todesstrafe verhängt. Die Grenze zwischen Vorbereitungshandlung, Versuch und Vollendung wurde immer mehr aufgehoben; Unterlassungen wurden dem aktiven Handeln gleichgesetzt. Auf Grund des Art. 6 wurden auch die als Spionage bezeichneten Handlungen bestraft.
Am 11. 12. 1957 erließ die Volkskammer das Strafrechtsergänzungsgesetz, das in angeblich konkretisierter Form die Tatbestände für die Staatsverbrechen formuliert. Trotzdem hatte aber Art. 6 seinen Charakter als unmittelbar anzuwendendes Strafgesetz nicht etwa verloren („Neue Justiz“, 1958, S. 80 und S. 83). Die früher von der Rechtsprechung als B. nach Art. 6 beurteilten Sachverhalte fallen jetzt unter die im 2. Kapitel des Besonderen Teils des neuen Strafgesetzbuches zusammengefaßten Tatbestände (Spionage, Hetze, Terror). Die Bestimmung des Art. 6, Abs. 5 der neuen Verfassung vom 6. 4. 1968, „Militaristische und revanchistische Propaganda in jeder Form, Kriegshetze und Bekundung von Glaubens-, Rassen- und Völkerhaß werden als Verbrechen geahndet“, hat angesichts der neuen Straftatbestände nur deklamatorischen Charakter.
Literaturangaben
- Rosenthal, Walther, Richard Lange, und Arwed Blomeyer: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 4., überarb. Aufl. (BB) 1959. 206 S.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 127