DDR von A-Z, Band 1969

Deutsche Reichsbahn (1969)

 

 

Siehe auch:


 

Die Eisenbahn Mitteldeutschlands behielt nach 1954 die Bezeichnung DR bei. Die DR hatte von allen Verkehrsträgern die schwersten Kriegs- und Kriegsfolgeschäden erlitten. 65 v. H. der Lokomotiven, 60 v. H. der Reisezugwagen und die Hälfte der Güterwagen waren gänzlich vernichtet oder beschädigt, 970 Eisenbahnbrücken waren zerstört. Durch die anschließenden Demontagen verminderte sich der Bestand an rollendem Material weiter erheblich. Die Länge des Gleisnetzes ging von etwa 18.500 km auf 14.500 km zurück. Die Netzdichte je 100 qkm verringerte sich dadurch von 17 auf 14 km. Bei Wiederaufnahme des Betriebes waren 5.000 km Strecke nur eingleisig befahrbar, und es gab keine elektrifizierten Strecken mehr. Der Wiederaufbau konnte unter den Bedingungen der sowjet. Besatzungspolitik nur langsam vorangehen. Die Eisenbahner haben in dieser Zeit Hervorragendes geleistet. Das Streckennetz konnte auf 15.500 km Länge wiederhergestellt werden, davon 14.600 km Normalspur. Noch immer aber sind nur 10 v. H. des Streckennetzes zweigleisig. (Vor den Demontagen durch die SU waren es 35 v. H.) Die Strecken sind überbeansprucht: einerseits durch die Eingleisigkeit, andererseits durch die Braunkohlenfeuerung der Lokomotiven. Fehlende Finanzmittel, Mangel an Material und unzureichende Mechanisierung der Reparaturarbeiten haben zur Folge, daß Tausende von Streckenkilometern erneuerungsbedürftig sind. Nach offiziöser Mitteilung konnte in den letzten Jahren nicht einmal der Verschleiß voll ersetzt werden. Auch Rangierbahnhöfe und rollendes Material sind in völlig unbefriedigendem Zustande. Mit dem derzeitigen Lokomotiv- und Güterwagenbestand können die Transportaufgaben nur unter äußerster Anspannung bewältigt werden. Die Dampflokomotiven und der Güterwagenpark haben ein Durchschnittsalter von 30–35 Jahren. Der unwirtschaftliche Dampflokbetrieb erfordert jährlich 8–9 Mill. t Kohle, die an anderen Stellen fehlen. Der Siebenjahrplan sah vor, daß von 1959–65 16.000 moderne Güterwagen neu in Betrieb genommen werden sollten. Über die Realisierung dieses Planes ist nichts veröffentlicht worden. Hingegen wurde amtlich mitgeteilt, daß die „DDR“ auf Grund einer Vereinbarung im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe keine normalen Güterwagen mehr herstellt, sondern nur noch Reisezugwagen und Spezial-Güterwagen. Die benötigten Güterwagen werden importiert. Der Neubau von Dampflokomotiven wurde schon 1960 eingestellt. Die sogen. „Traktionsumstellung“, d. h. die Ablösung der Dampflokomotiven durch Diesel- und Elektrolokomotiven ist seit einigen Jahren im Gange. In Mitteldeutschland waren 1967 nur rd. 8 v. H. des Streckennetzes elektrifiziert. (Vergleich BRD: 1966 21 v. H.) Der Wagenladungs- und Stückgutverkehr wird zunehmend konzentriert. Bis Ende 1967 waren bereits 390 Knotenbahnhöfe für den Wagenladungsverkehr und 170 Knotenbahnhöfe für den Stückgutumschlag gebildet worden. 400 Gütertarifbahnhöfe konnten als Ergebnis der Reorganisation geschlossen werden. Das Netz der Nebenstrecken wurde stark reduziert.

 

Im Perspektivplan bis 1970 ist vorgesehen, nur etwa 800–900 weitere Kilometer zu elektrifizieren. Insgesamt wären dann nur 12 v. H. des Streckennetzes elektrifiziert. Der Plan sieht die verstärkte Umstellung auf Diesellokomotiven vor. Danach ist beabsichtigt, bis 1970 die Zugförderleistung zu 58 v. H. mit Diesel- und Elektrolokomotiven zu erbringen. Die endgültige Ablösung der Dampflokomotiven soll dann bis 1975 abgeschlossen werden. Zu der Umstellung sollen bis 1970 1.600 Dieselloks und etwa 300 Elektroloks neu in Dienst gestellt werden. Bis 1970 sollen zahlreiche weitere Nebenstrecken abgebaut und 15.000 Arbeitskräfte für andere Zwecke freigestellt werden. Das verbleibende Streckennetz soll erneuert und ausgebaut werden, so daß die Hauptstrecken mit 160 Stundenkilometern befahren werden können. Die DR soll auch in Zukunft das wichtigste Verkehrsmittel für mittlere und weite Strecken bleiben. Nachdem der Kraftverkehr dem Plan gemäß noch einen Zuwachs erfahren haben wird, sollen [S. 151]der DR etwa drei Viertel des Binnenverkehrs verbleiben.

 

Die DR ist organisatorisch dem Ministerium für Verkehrswesen eingegliedert und wird von einem Staatssekretär angeleitet. Der Betrieb wird von 8 Eisenbahndirektionen geleitet und kontrolliert (Berlin, Dresden, Erfurt, Halle, Schwerin, Cottbus, Greifswald, Magdeburg). Die in der Bundesbahn der BRD bestehende Trennung der Bahnämter nach „Betrieb“ und „Verkehr“ gibt es in der „DDR“ nicht. Die Zusammenfassung der Aufgaben hat sich als vorteilhaft erwiesen. Das Eisenbahnbauwesen ist aus der DR herausgelöst und verselbständigt worden. (Verkehr)

 

Literaturangaben

  • Olbrich, Paul: Die Fahrzeugwirtschaft bei der „Deutschen Reichsbahn“ der sowjetischen Besatzungszone. (Mat.) 1955. 88 S. m. 14 Tab. u. 10 Anlagen.
  • Olbrich, Paul: Betrieb und Verkehr bei der „Deutschen Reichsbahn“ in der sowjetischen Besatzungszone. (Mat.) 1957. 72 S. m. Anlagen.
  • Seidel, Wolfgang: Verkehrswirtschaft und Verkehrspolitik in der sowjetischen Besatzungszone. (Mat.) 1953. 235 S. m. 72 Tab. u. 9 Schaubildern.

 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 150–151


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.