
Ehescheidungen (1969)
Siehe auch:
- Ehescheidung: 1985
Können nur in einem gerichtlichen durch die Familienverfahrensordnung vom 17. 2. 1966 geregelten Verfahren ausgesprochen werden (Familienrecht). Materielle Grundlage des Scheidungsrechts ist das am 1. 4. 1966 in Kraft getretene Familiengesetzbuch vom 20. 12. 1965 (GBl. 1966 T, S. 1). Eine Ehe darf nur geschieden werden, wenn sie „ihren Sinn für die Ehegatten, die Kinder und damit auch für die Gesellschaft verloren hat“. Auf das Verschulden der Ehegatten kommt es nicht an.
Die Zahl der E., die zunächst von 1950 bis 1956 von 27,1 je 10.000 der Bevölkerung auf 13,2 zurückgegangen war, hat seitdem allmählich wieder zugenommen und 1967 mit 28.294 oder 17 E. je 10.000 der Bevölkerung den höchsten Stand seit 1954 erreicht. Die „DDR“ hat damit seit mehreren Jahren in Europa nach Ungarn und Rumänien die höchste Scheidungsquote. In der BRD kamen 1966 9,8 E. auf 10.000 Einwohner. Auch hier ist seit 1963(8,8) eine leichte Zunahme der E. zu verzeichnen.
Die weitaus höchste Scheidungsquote hatte 1966 wieder Ostberlin mit 36 vor den Bezirken Leipzig, Frankfurt und Potsdam mit je 18. Am niedrigsten ist die Zahl der E. im Bezirk Suhl (12) und in den drei nördlichen Bezirken: Neubrandenburg 11, Schwerin 12 und Rostock 13.
Demgegenüber hat die Zahl der Eheschließungen seit 1961 ständig abgenommen. Kamen 1958 etwa 150 E. auf 1.000 Eheschließungen, so hat sich das Verhältnis bis 1967 auf etwa 240 zu 1.000 verschlechtert. Auf je vier Eheschließungen entfällt also eine E. (in der BRD war das Verhältnis von Eheschließungen zu E. im Jahre 1966 (8,3:1). Noch schlechter ist die Entwicklung bei Ehepartnern unter 21 Jahren. Die E. der 18- bis 21jährigen Personen, bezogen auf die mittlere Bevölkerung der gleichen Altersgruppe, sind zwischen 1958 und 1953 auf fast das Doppelte, die Eheschließungen der gleichen Altersgruppe dagegen nur um etwa 30 v. H. gestiegen. Ein großer Teil dieser Ehen bestand nicht einmal ein Jahr.
Der höchste Anteil der E. liegt seit längerer Zeit zwischen dem 2. und 4. Ehejahr. 37,8 v. H. aller 1965 geschiedenen Ehen dauerten weniger als 4 Jahre. In dieser Tendenz der Zunahme der Scheidungen von Ehen von kurzer Dauer soll zum Ausdruck kommen, „daß unter den von jedem Zwang zur Aufrechterhaltung einer zerrütteten Ehe freien sozialistischen Verhältnissen der DDR der Entschluß zur Scheidung gefaßt wird, sobald ein oder beide Partner von der Sinnlosigkeit ihrer Ehe überzeugt sind“ (Neue Justiz, 1968, S. 76 ff.).
Für die gegenüber Westdeutschland höhere Scheidungsquote werden folgende Begründungen gegeben: 1. Die mit der sozialistischen Revolution verbundenen Umwälzungen, vor allem die soziale Befreiung der Frau verlaufe unterschiedlich und sei noch nicht abgeschlossen. 2. Die Wirkung der sozialistischen Moralbegriffe und die neue moralische Beurteilung der Scheidung einer für die Entwicklung der Familie und für die Gesellschaft sinnlos gewordenen Ehe. 3. Der Wegfall des äußeren materiellen oder geistigen Drucks auf die formelle Aufrechterhaltung von sinnlos gewordenen Ehen. Die relativ niedrige E.-Quote in der BRD wird demzufolge auf die „ökonomische Abhängigkeit der Frau vom Mann und auf den Zwang zur Aufrechterhaltung objektiv sinnloser Ehen“ zurückgeführt. Deshalb sei „auch das moralische Niveau der unter den sozialistischen Bedingungen der DDR stabilisierten Ehen höher einzuschätzen als das der Ehen unter den kapitalistischen Verhältnissen Westdeutschlands“.
Die Entwicklung und Gestaltung sozialistischer Familienbeziehungen erstrecke sich über einen längeren Zeitraum. Deshalb könne auch die gesellschaftliche Massenerscheinung „Ehelösungen“ nicht von heute auf morgen überwunden werden. Es könne jedoch davon ausgegangen werden, daß die für den Sozialismus charakteristische Entwicklung der E.-Quote nach anfänglich mehr oder weniger starkem — aber keineswegs negativ zu bewertendem — Anwachsen der Ehelösungen zu einer Periode der Stabilisierung führt, der ein kontinuierlicher Rückgang der Ehelösungsquote folgen werde.
Diese Erklärungen werden allerdings durch die bisherige Entwicklung nicht bestätigt. Vor allem die Tatsache der in besonders starkem Maße gefährdeten Ehe junger Menschen ist mit diesen Behauptungen nicht in Einklang zu bringen. Tatsächlich dürften die Gründe für die Höhe der Zahl der E. vor allem in der kommunistischen Familienpolitik und Arbeitspolitik (Gleichberechtigung der Frau) und in der [S. 163]auch in den nichtsozialistischen Ländern zu beobachtenden Tendenz einer Lockerung der ehelichen Moralbegriffe zu suchen sein.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 162–163
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