
Entwicklungshilfe (1969)
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Der Begriff wird in der „DDR“ offiziell selten verwendet. Nach der gültigen Sprachregelung ist E. lediglich eine „in den kapitalistischen Ländern gebräuchliche Bezeichnung“ (ökon. Lexikon, Bd. 1, S. 570). E. wird als „besondere Form der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern“ umschrieben. Dabei wird nach Ulbricht davon ausgegangen, daß „die beiderseitig vorhandenen günstigen ökonomischen Möglichkeiten erst dann vorteilhaft genutzt werden können, wenn die staatlichen Beziehungen normalisiert sind und Übereinstimmung in politischen Grundfragen besteht“ (Referat auf dem VII. SED-Parteitag). Nach der Auslegung dieses Referates durch den für E. in besonderem Maße zuständigen stellvertr. Ministerratsvors. Dr. Gerhard ➝Weiß „besteht also eine enge Wechselwirkung zwischen unserer Außenpolitik und unserer Außenhandelspolitik“. Weiß hob hervor: „Neben dem politischen Ziel steht für die DDR als zweiter Ausgangspunkt für die Erweiterung der Zusammenarbeit der ökonomische Nutzen“ (Referat i. d. Bergakademie Freiberg, publ. in „Die Hochschulstadt“, Freiberg, 10. 7. 1967).
Im Gegensatz zur BRD leistet die „DDR“ E. nur an wenige Staaten: „Es ist nicht möglich, daß die DDR in den rund 80 Entwicklungsländern Initiativen zur Herstellung und zum Ausbau politischer und wirtschaftlicher Beziehungen ergreifen kann“ (Dr. Gerhard Weiß, a.a.O.). Entsprechend der von der SU und vom RGW erarbeiteten Linie werden Staaten bevorzugt, die den „nichtkapitalistischen Weg“ eingeschlagen haben. Da andererseits einige dieser Staaten Korrekturen ihres ursprünglichen Kurses vorgenommen oder radikale politische Veränderungen erfahren haben (so Ceylon, Guinea und Ghana, Indonesien), sind Rückwirkungen auf die E. und Schwankungen der Politik der E. sozialistischer Länder zwangsläufig. Konstante Partner bei der E. der „DDR“ bilden seit einem Jahrzehnt lediglich die VAR, Mali, Tansania (Sansibar), Algerien, Syrien, der Irak. Der Schwerpunkt liegt also eindeutig im arabischen Raum, vor allem seit dem Staatsbesuch Ulbrichts in der VAR 1966 (Kreditzusagen aufgestockt auf 25 Mill. Pfund Sterling) und dem arabisch-israelischen Konflikt vom Juni 1967.
Die E. der „DDR“ beruht auf ökonomischem Gebiet in erster Linie auf der kreditierten Lieferung industrieller Ausrüstungen und Waren. Die überwiegend langfristigen Warenkredite werden von der Staatsbank der DDR bereitgestellt. Eine Vergabe von Kapitalkrediten findet grundsätzlich nicht statt, vor allem wegen des Fehlens einer konvertierbaren Währung. Bis Juni 1968 beläuft sich die Gesamtsumme von Warenkrediten der „DDR“ an Entwicklungsländer auf rd. 1,3 Mrd. M; davon dürften erst etwa 40 v. H. in Anspruch genommen worden sein. Ein Pro-Kopf-Vergleich weist 1967 eine Relation von 20 M („DDR“) zu 465 M (BRD) aus. Neben der wirtschaftlich-technischen E. gewährt die „DDR“ in größerem Umfang Unterstützung auf den Gebieten wissenschaftlich-kultureller Zusammenarbeit, der Zusammenarbeit im Erziehungs- und Gesundheitswesen und bei der Heranbildung wirtschaftlicher Fachkräfte aus Entwicklungsländern (Ausländerstudium). Parallel zum Deutschen Entwicklungsdienst (DED) der BRD wurde seit 1964 die Organisation der „Freundschaftsbrigaden“ aufgebaut. Diesen Brigaden, die vom Zentralrat der FDJ angeleitet werden, gehören vor allem Agronomen, Viehzüchter, Landmaschinentechniker, Bauspezialisten, Klempner, Elektriker und Angehörige ähnlicher Berufe an. Jede dieser Brigaden besteht aus 15 Mitgliedern im Alter von 20 bis 30 Jahren. Die Vorbereitungszeit in Intensivkursen beträgt drei Monate. Aus Teilveröffentlichungen der „DDR“-Presse ergibt sich, daß bis Mitte 1967 etwa 200 Entwicklungshelfer in solchen „Freundschaftsbrigaden“ tätig wurden. Einsatzländer waren: Algerien, Ägypten, Ghana, Mali, Tansania. (Außenwirtschaft, Außenpolitik, Auslandspropaganda, Freundschaftsgesellschaften)
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 171