DDR von A-Z, Band 1969

Erwachsenenqualifizierung (1969)

 

 

Siehe auch:


 

Neuerdings immer mehr gebräuchliche Bezeichnung für Erwachsenenbildung. Der rasche Wiederaufbau des Volkshochschulwesens nach dem Zusammenbruch war von sowjetischen Konzeptionen bestimmt, d. h. einerseits von der alten Arbeiterbildungsparole „Wissen ist Macht“, zum anderen, wenn auch für viele deutsche Mitarbeiter zunächst nicht erkennbar, von der alle Erziehungsbereiche durchdringenden ideologischen Ausrichtung auf die bolschewistische Doktrin (Marxismus-Leninismus). Von vornherein wurde das Erziehungsmonopol des Regimes auch für die E. geltend gemacht und das Volkshochschulwesen damit der Lenkung durch die den Verwaltungsapparat mehr und mehr beherrschende kommun. Partei unterstellt. Nach einer kurzen Periode, in der — wie auf anderen Erziehungsgebieten — der Idealismus deutscher Reformpädagogen von der Besatzungsmacht zugelassen worden war, das Volkshochschulprogramm sich aber mehr oder weniger in berufsfördernden Fortbildungskursen erschöpft hatte, begann 1948 die bewußte Lenkung der E. im Sinne ideologischer Planaufgaben; dementsprechend wurde die E. auch selbst Objekt der Planpolitik („Die Hörerzahl der Volkshochschulen ist von 305.000 auf eine Million zu erhöhen“).

 

Im Sinne der Bedeutung, die das Regime der E. für die Erfüllung der Wirtschaftspläne und für die „Qualifizierung“ der „mittleren Kader“ in Staat, Partei und Wirtschaft beimaß, wurde aber nicht nur der Apparat des Volkshochschulwesens zentralisiert, seine ideologische Ausrichtung institutionell und personalpolitisch gesichert, sondern es wurden auch erhebliche Mittel für den Ausbau des Volkshochschulnetzes, die Vermehrung der vollamtlichen Leiter und Dozenten, ihre Schulung und angemessene Honorierung aufgewendet. Die E. näherte sich allerdings in Stoff und Methode mehr und mehr der kulturellen Massenarbeit und war von 1954–1957 auch der gleichnamigen Hauptabt. des Ministeriums für Kultur, danach wieder dem Ministerium für Volksbildung unterstellt. Zu einem gewissen Abschluß gelangte die Entwicklung mit der VO „über die Bildungseinrichtungen zur E.“ vom 27. 9. 1962 und dem „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ vom 25. 2. 1965. Entsprechend der Präambel dieses Gesetzes („Das einheitliche sozialistische Bildungssystem … gibt neue Impulse für die große Lernbewegung des ganzen Volkes. Millionen Menschen qualifizieren sich und erreichen ein höheres Bildungsniveau. Indem sie lernend arbeiten und arbeitend lernen, haben sie den Weg zur gebildeten, sozialistischen Nation beschritten.“) sind die Institutionen der E. nun Teil des „einheitlichen sozialistischen Bildungssystems“, arbeiten nach staatlichen Plänen und werden aus dem Staatshaushalt unterhalten, der 1966 für die Volkshochschulen rd. 52 Mill. M. auswies. Institutionen der E. sind neben den Volkshochschulen die Betriebsakademien, die Bildungseinrichtungen auf dem Lande (Dorfakademien u.a.), das Vortragswesen der Urania, auch das des Deutschen Kulturbundes und der Kulturhäuser.

 

Die Volkshochschulen veranstalten vor allem Lehrgänge, in denen Erwachsene zum Abschluß der Oberschule, der Erweiterten Oberschule oder einzelner Lehrfächer, aber auch bis zur Hochschulreife geführt werden, ferner Lehrgänge zur beruflichen Weiterbildung, soweit solche nicht von anderen Einrichtungen geboten werden. Die Kurse folgen im allgemeinen den Lehrplänen und der Methodik der allgemeinbildenden Schulen und schließen mit einem „Qualifizierungsnachweis“ (Zeugnis) ab. Die Teilnahme ist zwar freiwillig, doch werden die meisten Teilnehmer von ihren Betrieben delegiert, damit sie sich entweder für die Anforderungen ihres Arbeitsplatzes oder für spezielle technische Aufgaben oder für eine höhere Funktion qualifizieren. Lehrpläne und Prüfungsanforderungen werden von staatlichen Stellen kontrolliert. Die von den Anforderungen der Wirtschaft und des Berufslebens bestimmten Aufgaben haben das allgemeinbildende Vortragsprogramm aus den Volkshochschulen nahezu völlig verdrängt. Schon 1955 war das Einzelvortragswesen in Stadt und Land an die Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse (seit 1966: „Urania“) übergegangen; auf schöngeistigem Gebiet wird ihre Tätigkeit durch den Deutschen Kulturbund — auch mit Ausstellungen, Führungen usw. — ergänzt.

 

Es gibt etwas mehr Volkshochschulen als Kreise (216). Im Lehrabschnitt 1966/67 hatten sie insgesamt 303.023 Lehrgangsteilnehmer, von denen 47.511 an „Gesamtlehrgängen“ mit Abschluß teilnahmen (9.114 mit Abschluß der 8., 16.682 mit Abschluß der 10., 7.026 mit Abschluß der 12. Klasse, 13.861 zur Vorbereitung auf ein Fachschulstudium, 828 zur Vorbereitung auf die Sonderreifeprüfung); die Einzellehrgänge mit Abschlußziel der 8., 10. oder 12. Klasse hatten 73.842 Teilnehmer; außerdem nahmen noch 181.670 Hörer an Einzellehrgängen ohne Abschluß teil.

 

Literaturangaben

  • Gutsche, Heinz: Die Erwachsenenqualifizierung in Mitteldeutschland. Überarb. Sonderdruck aus „Kulturarbeit“ Juli 1965. Köln 1968, Kohlhammer. 20 S.
  • Knoll, Joachim H., und Horst Siebert: Erwachsenenbildung — Erwachsenenqualifizierung. Darstellung und Dokumente der Erwachsenenbildung in der DDR. Heidelberg 1967, Quelle und Meyer. 216 S.

 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 174


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.