DDR von A-Z, Band 1969

FDGB (FREIER DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND) (1969)

 

 

Siehe auch:

  • Freier Deutscher Gewerkschaftsbund: 1965 1966 1975 1979
  • Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB): 1985

 

Der FDGB ist die Einheitsorganisation für alle abhängig Beschäftigten. Seine Monopolstellung als Gewerkschaft wird durch die ausschließliche Erwähnung in der Verfassung vom 6. 4. 1968 (Art. 44) und im Gesetzbuch der Arbeit auch verfassungsrechtlich fixiert. Als der „umfassenden Klassenorganisation der Arbeiterklasse“ und dem zahlenmäßig größten Verband kommt dem FDGB zentrale Bedeutung im System der Massenorganisationen zu. Die in der Verfassung (Art. 44,2) betonte Unabhängigkeit des FDGB wird aufgehoben durch die in seiner Satzung ausgesprochene Anerkennung der führenden Rolle der SED und das Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als Grundlage gewerkschaftlicher Arbeit. Der FDGB versteht sich als „Schule des Sozialismus“, d.h. er beteiligt sich an der Erziehung seiner Mitglieder zum sozialistischen ➝Bewußtsein (sozialistische ➝Moral) und zu entsprechenden Formen sozialen Verhaltens (Arbeitsdisziplin, sozialistische Hilfe usw.). Er verpflichtet sich einerseits, seine Mitglieder zur Durchführung der Parteibeschlüsse und insbesondere zur Erfüllung der Wirtschaftspläne zu mobilisieren, bekennt sich aber andererseits zur Vertretung der Interessen seiner Mitglieder besonders auf sozial- und kulturpolitischem sowie arbeitsrechtlichem Gebiet.

 

Der in dieser Aufgabenstellung deutlich werdende Gegensatz führt in der täglichen Arbeit der Gewerkschaftsorganisation zu mannigfachen Schwierigkeiten. Die Vorrangigkeit der ökonomischen Zielsetzungen, die eindeutige Abhängigkeit des FDGB von der SED und die geschlossene Entscheidungs- und Leitungspyramide in Staat und Wirtschaft, in die die Gewerkschaft nicht unmittelbar eingreifen kann, fördern eine ständige Tendenz zur Vernachlässigung der Aufgaben als Interessenvertretung. Immerhin ist seit dem VI. FDGB-Kongreß 1963 diese Seite der Gewerkschaftsarbeit immer wieder betont und auf dem VII. Kongreß 1968 erneut mit der Feststellung: „Die Gewerkschaftsfunktionäre sind die Vertrauensleute der Arbeiterklasse, sie sind nicht die Assistenten der Werkleiter“ bekräftige worden. Das Abgehen von der zentralen Detailplanung, die daraus resultierende größere Selbständigkeit der VVB, VEB und regionalen Staatsorgane im NÖS haben zudem die Möglichkeit der Einwirkung und die Notwendigkeit der Kontrolle und Mitwirkung durch die Gewerkschaften vergrößert.

 

1. Zur Geschichte

 

 

Als der SMAD-Befehl Nr. 2 vom 10. 6. 1945 die Gründung von Gewerkschaften erlaubte und am 15. 6. 1945 der vorbereitende Gewerkschaftsausschuß für Groß-Berlin zur Schaffung freier Gewerkschaften aufrief, hatten sich erstmals in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung unter dem Eindruck des Versagens der verschiedenen Gewerkschaftsrichtungen vor dem Nationalsozialismus und angesichts des totalen Zusammenbruchs von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft alle bedeutenden weltanschaulichen Richtungen (sozialdemokratisch, kommunistisch, christlich und liberal) zusammengefunden, um eine überparteiliche Einheitsgewerkschaft ins Leben zu rufen. Damit war es der KPD gelungen, aus der Außenseiterrolle, die sie in den freien Gewerkschaften und mit den Roten Gewerkschaftsorganisationen (RGO) in der Weimarer Republik gespielt hatte, herauszutreten und sich von Anbeginn maßgeblich an der Führung der neuen Gewerkschaftsbewegung zu beteiligen. Der Gründungsvorgang fand im Februar 1946 auf der I. zentralen Delegiertenkonferenz des FDGB seinen Abschluß.

 

Die Schaffung des FDGB bildete eine wichtige Voraussetzung für die Vereinigung von KPD und SPD, da letztere ihres traditionellen Rückhalts in den sozialdemokratisch orientierten freien Gewerkschaften verlustig gegangen war. Der Zusammenschluß von KPD und SPD zur SED förderte seinerseits die Umgestaltung des FDGB in eine Gewerkschaft kommunistischen Typs; er drängte die Vertreter der früheren [S. 187]christlichen und Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften von vornherein in eine aussichtslose Minderheitenposition. Die Ausschaltung ehemals sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionäre, soweit sie an ihren Vorstellungen festhielten, wurde zu einem innerparteilichen Problem der SED, das diese im Zuge ihrer Entwicklung zu einer „bolschewistischen Partei neuen Typs“ lösen konnte. Die Auflösung der Betriebsräte und die Übertragung des Vertretungsrechts der Belegschaften gegenüber den Werkleitungen an die Betriebsgewerkschaftsorganisationen auf Grund der Bitterfelder Beschlüsse 1948 war ein weiterer entscheidender Schritt in der Formung des FDGB zu seiner heutigen Gestalt. Die Herausbildung des Planungssystems, die Konzentrierung der Gewerkschaftsarbeit auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität mit Hilfe der Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung, das Fehlen des traditionellen Gegenspielers in Form der Arbeitgeberverbände, die verboten blieben, bestimmten sehr bald die Tätigkeit des FDGB. Auf dem III. FDGB-Kongreß 1950 wurde in der Satzung der Führungsanspruch der SED auch öffentlich anerkannt, der traditionellen Gewerkschaftsarbeit als „Nur-Gewerkschaftertum“ der Kampf angesagt und der demokratische Zentralismus als Organisationsprinzip festgelegt.

 

2. Organisationsaufbau

 

 

Der Organisationsaufbau des FDGB beruht auf dem Industriegewerkschaftsprinzip: „Ein Betrieb — eine Gewerkschaft“. Gegenwärtig bestehen 15 Industriegewerkschaften (IG) bzw. Gewerkschaften (Gew.): Metall; Chemie; Bau/Holz; Bergbau und Energie; Wismut; Transport- und Nachrichtenwesen; Land und Forst; Handel, Nahrung und Genuß; Druck und Papier; Textil, Bekleidung, Leder; Wissenschaft; Unterricht und Erziehung; Gesundheitswesen; Kunst; Gew. der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft. Die IG/Gew. sind jedoch keine selbständigen Organisationen, vielmehr fungieren sie als ausgegliederte Fachabteilungen des FDGB, der keinen „Bund“ von Gewerkschaften, sondern eine Einheitsorganisation darstellt. Aufgabe der IG/Gew. ist es, die bindenden Beschlüsse der zentralen Organe des FDGB durchzuführen. Ihre Abhängigkeit zeigt sich u.a. in dem Recht des Bundesvorstandes (BV), über Veränderungen im Organisationsaufbau verbindlich zu beschließen (z. B. IG/Gew. aufzulösen oder neu zu gründen), und in der Unterstellung der regionalen Vorstände der IG/Gew. unter die jeweiligen FDGB-Leitungen.

 

Kleinste Organisationseinheit des FDGB sind die gewerkschaftlichen Grundorganisationen: Betriebsgewerkschaftsorganisationen (BGO bestehen in allen Betrieben mit mehr als 20 Mitgliedern) und Orts- bzw. Dorfgewerkschaftsorganisationen (OGO fassen die Mitglieder in Kleinstbetrieben ohne BGL, Hausangestellte, Heimarbeiter, Rentner usw. zusammen). An der Spitze der BGO stehen die Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) (betriebliche ➝Gewerkschaftsleitungen); sie untergliedern sich in Gewerkschaftsgruppen. In größeren Betrieben mit mehr als 500 Mitgliedern werden für die einzelnen Betriebsabschnitte Abteilungsgewerkschaftsleitungen (AGL) als mittlere Leitungsebene der BGO gebildet. Die zahlenmäßige Stärke der AGL (3–13 Mitglieder) und der BGL (5–25 Mitglieder) wird in Abhängigkeit von der Zahl der im Betrieb Beschäftigten festgelegt. Die Arbeit der BGL und AGL wird durch eine je nach Größe und spezieller Aufgabenstellung des Betriebes unterschiedliche Zahl von Kommissionen und Arbeitsgruppen unterstützt. Den OGO stehen Ortsgewerkschaftsleitungen (OGL) in gleicher zahlenmäßiger Zusammensetzung wie bei den BGO vor.

 

Im Verlauf der Veränderungen des NÖS sind die Leitungsstruktur des FDGB auf Kreis- und Bezirksebene sowie die Anleitung der BGL ständig geändert worden. 1963/1964 wurden die Bezirksleitungen der IG/Gew. aufgelöst und die BGL in den VEB (Z) den Gewerkschaftskomitees bei den VVB und zugleich teils den Bezirksvorständen des FDGB, teils den Kreisvorständen unterstellt. Räumliche Entfernung der Leitungen von den anzuleitenden Betrieben, mangelnde Qualifikation der Funktionärskader und Überschneidungen in den Kompetenzen haben diese Experimente scheitern lassen. 1967 hat der BV des FDGB ein neues Leitungsschema entworfen, das den Gewerkschaftswahlen 1967/1968 zugrunde gelegt wurde.

 

Nunmehr sind ausschließlich die Kreisvorstände der IG/Gew. (15–45 Mitglieder) für die „operative Anleitung“ aller BGL ihres Industriezweiges zuständig. Um diesem [S. 188]Funktionszuwachs gerecht werden zu können, ist die Zusammensetzung der Gewerkschaftsvorstände auf Kreisebene zahlenmäßig verstärkt und qualitativ verbessert worden. Die geringe Zahl von Kommissionen bei den Kreisvorständen der IG/Gew. (Arbeit und Löhne, Sozialpolitik, Gesundheits- und Arbeitsschutz, Kultur und Bildung) macht deutlich, daß diese Leitungen sich in ihrer Arbeit auf die spezifischen Fragen ihres Wirtschaftsbereiches konzentrieren sollen. In gleicher Weise ist die Unterstützung der Kreisvorstände durch die Bezirksvorstände der IG/Gew. (20 bis 35 Mitglieder) zu deuten. Als relativ kleine und möglichst qualifizierte Arbeitsstäbe sollen sie die Kreisvorstände bei der Anleitung der BGL unterstützen. Zu ständigen und eigentlichen Führungsorganen werden innerhalb der Vorstände der IG/Gew. sowohl auf Kreis- als auch auf Bezirksebene Sekretariate gewählt.

 

Die Kreis- bzw. die Bezirksvorstände der IG/Gew. unterstehen den Kreis- (30 bis 60 Mitglieder) bzw. Bezirksvorständen (50–90 Mitglieder) des FDGB, die jeweils für ihren regionalen Bereich die ausschließliche Verantwortung tragen und die Arbeit der Einzelgewerkschaften koordinieren. Insbesondere vertreten die FDGB-Vorstände die Gewerkschaften gegenüber den regionalen Staatsorganen. Zahl und Art der Kommissionen bei den Kreisvorständen des FDGB spiegeln ihren Aufgabenbereich wider: Kultur und Sport, Bildungswesen und Qualifizierung, Sozialpolitik, Recht, Frauen, Jugendausschuß, Westkommission, Finanzkommission, Arbeitskreis verdienter Gewerkschaftsveteranen, Rat der Sozialversicherung. Es fehlen dagegen Kommissionen für Arbeit und Löhne, Gesundheits- und Arbeitsschutz mit ausgesprochen betriebsnaher Aufgabenstellung. Die eigentliche Führungstätigkeit obliegt bei den Kreis- bzw. Bezirksvorständen des FDGB den Sekretariaten. Die Vorsitzenden der Vorstände sind in der Regel Mitglied des Sekretariats der regionalen SED-Leitung.

 

Kombinatsgewerkschaftsleitungen (KGL) werden vor allem auf Großbaustellen gewählt. In Kombinaten der bezirks- bzw. zentralgeleiteten Industrie wird im Unterschied dazu die Wahl von KGL von der Zustimmung der jeweiligen FDGB-Leitung abhängig gemacht. In diesen Wirtschaftsbereichen soll das Schwergewicht der Gewerkschaftsarbeit nach Möglichkeit bei den in den selbständigen Betriebseinheiten gewählten BGL liegen und die KGL nur eine koordinierende Funktion wahrnehmen. In Großkombinaten, wie z. B. Leuna, Buna, Carl Zeiss Jena, werden IG-Kreisvorstände gewählt, die den FDGB-Kreisvorständen unterstehen und von den Bezirksvorständen der IG in industriezweigspezifischen Fragen angeleitet werden. Die bei allen VVB bestehenden Gewerkschaftskomitees (9–15 Mitglieder) üben keine operativen Funktionen aus. Sie sollen vor allem an den verschiedenen Planungen für den gesamten Industriezweig mitarbeiten, industriezweigspezifische Lohnformen und Rahmenkollektivverträge ausarbeiten, Wettbewerbskonzeptionen entwickeln und die Zentralvorstände (ZV) der IG/Gew. in deren Arbeit mit den zuständigen Ministerien unterstützen.

 

An der Spitze der IG/Gew. stehen die ZV (50–90 Mitglieder), die von einem Präsidium geleitet werden, deren hauptamtlichen Führungskern die Sekretariate bilden. Ihre Aufgabe ist es, die allgemeinen, die IG/Gew. bindenden Beschlüsse des BV des FDGB bzw. seines Präsidiums auf die Problematik des eigenen Wirtschaftsbereichs anzuwenden sowie die damit verbundenen Verhandlungen mit den zuständigen Ministerien zu führen.

 

An der Spitze des FDGB steht der BV (200 Mitglieder, 40 Nachfolgekandidaten). Die laufende Arbeit der Gewerkschaft wird durch das 31köpfige Präsidium bzw. dessen Sekretariat (9 Mitglieder; Leiter des Sekretariats: Rolf ➝Berger; Sekretäre: Wolfgang Beyreuther, Werner Heilemann, Horst ➝Heintze, Margarete ➝Müller, Heinz Neukrantz, Fritz Rösel, Helmut Thiele, Alfred Wilke) geleitet. Vorsitzender des FDGB ist Herbert ➝Warnke, seine Stellvertreter sind Rolf Berger und Johanna Töpfer.

 

Zur Kontrolle des Finanzgebarens, der Einhaltung der Satzung des FDGB sowie der Durchführung der Beschlüsse der jeweils übergeordneten Organe bestehen bei allen Leitungen (mit Ausnahme der Gewerkschaftskomitees bei den VVB) Revisionskommissionen. Anläßlich der Rechenschaftslegungen durch die Vorstände bei den Gewerkschafts wählen erstatten sie Bericht.

 

[S. 189]Die Satzung betont, daß die Mitgliederversammlungen in den Betrieben, die Delegiertenkonferenzen bzw. der FDGB-Kongreß als Wahlgremien die jeweils „höchsten“ Gewerkschaftsorgane seien. Da die Gewerkschaftswahlen bis zur Bezirksebene jedoch nur alle zwei Jahre, die Wahl des Bundesvorstandes alle vier Jahre erfolgen, kann schon von daher nicht mit einer effektiven Einflußnahme auf die Zusammensetzung (Ablösungen und Kooptationen von Leitungsmitgliedern sind in den Vorständen häufig) und die Tätigkeit der Vorstände durch die Delegiertenkonferenzen gerechnet werden. Die Wahl der AGL, BGL, OGL und der Delegierten zu den Kreisdelegiertenkonferenzen erfolgt direkt und geheim in den Betrieben auf Grund von Listen, die von den amtierenden Leitungen vorgelegt und in vorbereitenden Wahlversammlungen diskutiert werden. Die Ablehnung von Kandidaten und die Streichung einzelner Namen auf den Listen sowie die Hinzufügung anderer sind grundsätzlich möglich. Eine Möglichkeit, organisiert Gegenvorschläge zu unterbreiten, besteht jedoch nicht. Die Streichung oder Ablehnung einzelner Kandidaten verändert kaum das Bild der gesamten Liste. Die Delegierten einer Organisationsebene wählen die Delegierten für die nächsthöhere Stufe. Die Bekleidung von Wahlfunktionen ist an eine mehrjährige Mitgliedschaft im FDGB gebunden (Kreis: 2 Jahre, Bezirk: 3 Jahre, BV: 6 Jahre).

 

Die SED nimmt auf die Gewerkschaftswahlen unmittelbar Einfluß. Zur Wahlkampagne 1967/68 faßte das Politbüro der SED einen Beschluß, der alle SED-Leitungen und insbesondere deren Abteilung Gewerkschaften und Sozialpolitik zur unmittelbaren Anleitung der FDGB-Organe während des Wahlverlaufs verpflichtete. Der Politbüro-Beschluß bildete die Grundlage für die vom BV des FDGB verabschiedete „Kaderrichtlinie“, die an erster Stelle betont, daß „politisch zuverlässige Kader auszuwählen“ seien, „die die führende Rolle unserer Partei anerkennen und vertreten“; zweitens gelte es die fachliche Qualifikation zu berücksichtigen, drittens solle die soziale Zusammensetzung (Arbeiter-, Intelligenz-, Frauen- und Jugendanteil) der jeweiligen Gewerkschaftsorganisation in den Vorständen widergespiegelt werden, viertens müsse die Kontinuität der FDGB-Arbeit durch die Wiederwahl der bewährten Funktionäre bzw. ihre Wahl in ein höheres Leitungsorgan gesichert werden (H. Warnke: Über Probleme der Gewerkschaftsarbeit nach dem VII. Parteitag, Berlin 1967, S. 32).

 

Die gewählten Vorstände tagen in relativ großen Zeitabständen (Bezirk: dreimonatlich, BV: viermonatlich, ZV: sechsmonatlich), so daß die eigentliche Führungstätigkeit bei den Präsidien und Sekretariaten liegt. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus, das die nachgeordneten Instanzen an die Beschlüsse der übergeordneten bindet, vervollständigt das organisatorische Instrumentarium, das das Bild des FDGB als einer autoritär geführten, an die Partei- und Regierungsbeschlüsse gebundenen Organisation bestimmt. Dabei soll nicht verkannt werden, daß der sich in den Kommissionen und Arbeitsgruppen äußernde Sachverstand die Entscheidungen der Leitungen beeinflußt. In den Betrieben wirken Kritik am Arbeitsplatz, Unzufriedenheiten, die die Arbeitsleistungen mindern, Fluktuation von Betriebsangehörigen usw. beeinflussend und korrigierend auf die Gewerkschaftsarbeit.

 

Im Verlag des FDGB erscheint als Organ des BV die Tageszeitung „Tribüne“ und als Funktionärsorgan die Monatszeitschrift „Die Arbeit“. Daneben werden eine Reihe von speziellen Zeitschriften herausgegeben wie z. B. „Sozialversicherung und Arbeitsschutz“, „Kulturelles Leben“ u.a. Die IG/Gew. unterhalten eigene, auf die Spezialproblematik ihres Industriezweiges abgestellte Zeitschriften. Mit Broschüren, umfangreichen Handbüchern und Monographien unterstützt der Verlag Tribüne die Anleitung sowie die politische und fachliche Qualifizierung der Gewerkschaftskader. Der Vertrieb der Gewerkschaftsliteratur erfolgt weitgehend über die Kulturobleute in den Betrieben durch den Literatur- und Vordruckvertrieb des FDGB in Markranstädt.

 

Die Mitgliedschaft im FDGB ist grundsätzlich freiwillig; sie ist jedoch Voraussetzung für beruflichen und sozialen Aufstieg. Ein Anreiz für den Beitritt sind auch die Vergünstigungen, die mit der Mitgliedschaft im FDGB verbunden sind (Ferienreisen, Fahrgeldermäßigungen, Unterstützungszahlungen usw.). Mitglied kann jeder [S. 190]abhängig Beschäftigte werden, nicht jedoch Mitglieder von LPG und PGH. Während des Studiums und der Zugehörigkeit zur NVA ruht die Mitgliedschaft. Rentner können die Mitgliedschaft aufrechterhalten. Am 31. 12. 1967 hatte der FDGB rund 6,8 Mill. Mitglieder, davon 3,1 Mill. Frauen. Rund 1 Mill. Mitglieder waren Jugendliche unter 25 Jahren.

 

Die Finanzierung des FDGB erfolgt durch Mitgliedsbeiträge (1 bis 1,5 v. H. des Bruttoeinkommens) und den Verkauf von Spendenmarken. Ein beträchtlicher Teil der Ausgaben für die betriebliche Gewerkschaftsarbeit wird aus Mitteln der Betriebe bestritten. Für das Jahr 1967 weist der FDGB Leistungen in Höhe von 311,3 Mill. M aus (die Ausgaben für den Unterhalt der Organisation werden nicht bekanntgemacht). Die Ausgaben gliedern sich in 43,9 Mill. M für die Kulturarbeit, 28,3 Mill. M für fachliche und berufliche Qualifizierung (Schulung der Gewerkschaftsfunktionäre), 113,7 Mill. M für Unterstützungen und Ehrungen, 41,2 Mill. M für Jugend und Sport, 84,2 Mill. M für Urlaub und Erholung.

 

3. Aufgaben

 

 

Es gehört zu den Axiomen des Marxismus-Leninismus, daß sich die Überlegenheit des sozialistischen Gesellschaftssystems gegenüber dem kapitalistischen vor allem durch eine „höhere Arbeitsproduktivität -freiwillig, bewußt, vereint schaffender Menschen, die sich der vorgeschrittenen Technik bedienen“, erweist. Entsprechend versteht der FDGB unter Interessenvertretung vorrangig die Schaffung optimaler Bedingungen für die Erreichung maximaler Produktionsergebnisse. Seine Aktivitäten richten sich zu diesem Zweck sowohl auf die Verbesserung der objektiven Bedingungen des Produktionsablaufs seiner Planung und Organisation (Mitwirkung in der Planung, „gesellschaftliche“ Kontrolle der Werkleitungen, Förderung des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts) als auch auf die Erziehung seiner Mitglieder zur „sozialistischen Arbeitsmoral“ und zu dementsprechenden Verhaltensweisen, die diese zur „bewußten Teilnahme am Kampf um die Erhöhung der Arbeitsproduktivität befähigen“ (Gewerkschaften als „Schulen des Sozialismus“). Die Schutzfunktionen der Gewerkschaften, ihre Bemühungen um die Verbesserung der materiellen, sozialen und kulturellen Lebensbedingungen sind dieser primären Aufgabenstellung zu- bzw. nachgeordnet. Das Verhältnis der Gewerkschaften zu den Wirtschaftsleitungen wird nicht als gegeneinander gerichtet verstanden; vielmehr richten beide Leitungsstränge ihre Aktivität auf die Erreichung des gleichen Ziels, jedoch mit unterschiedlichen Kompetenzen, Arbeitsmethoden und -formen. Die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Wirtschaftsleitungen wird zwar durchaus als konfliktreich angesehen; die Lösung der Konflikte soll jedoch im Sinne einer optimalen Förderung der volkswirtschaftlichen Leistung erfolgen.

 

Die Kompetenzen der Gewerkschaftsleitungen bei der Aufstellung der Jahres- bzw. Zweijahrespläne, bei der Festsetzung der Perspektivpläne und Aufstellung von Entwicklungsprognosen (Planung) sind verstärkt worden. Auf den verschiedenen Ebenen der Wirtschaftsorganisation sollen sich die B GL, Gewerkschaftskomitees bei den VVB, die ZV der IG/Gew. und der BV des FDGB bereits in die Planvorarbeiten einschalten. Großer Wert wird auf die eigenständige Erarbeitung von Analysen und daraus abgeleiteten Vorschlägen durch die Gewerkschaftsorgane gelegt. Dem entspricht die schriftliche Vorlage einer gewerkschaftlichen Stellungnahme zu den Planvorschlägen, die mit dem von der Werkleitung beschlossenen Plan der übergeordneten Wirtschaftsleitung vorgelegt werden muß. Die Gewerkschaftsleitungen nehmen an der Verteidigung der Planvorschläge auf den verschiedenen Stufen des Wirtschaftsaufbaus teil. Plandiskussionen mit der gesamten Belegschaft sollen zu optimaler Plangestaltung führen, Reserven aufdecken und die Belegschaftsmitglieder über die Lage des Betriebes und seine Produktionsziele informieren. Ziel der Plandiskussion ist es, jeden Betriebsangehörigen zu „bewußter“ Teilnahme am Produktionsgeschehen zu befähigen.

 

Ergänzt werden diese Formen der Mitwirkung und Mobilisierung durch die Wettbewerbsbewegungen, Förderung des Neuererwesens (Neuererbewegung), der sozialistischen ➝Arbeitsgemeinschaften und die Produktionspropaganda. Auf der Grundlage des Jahres- bzw. Zweijahresplanes des Betriebes wird zwischen der BGL und der Werkleitung ein Betriebskollektivvertrag (BKV) abgeschlossen. Im BKV [S. 191]verpflichten sich beide Seiten zur Planerfüllung; ferner werden der Ausbau der sozialen und kulturellen Einrichtungen sowie Maßnahmen für die Qualifizierung und die Förderung der Frauen und Jugendlichen festgelegt. Die Pflicht der Werkleiter und Generaldirektoren, über den Stand der Planerfüllung zu berichten, die Arbeit der ständigen ➝Produktionsberatungen, die Mitarbeit der Gewerkschaftsleitungen in den Produktionskomitees der VEB und den Gesellschaftlichen Räten der VVB bieten den Gewerkschaften die Möglichkeit, auch im Verlauf des Planjahres kritisch auf die Werkleitungen einzuwirken und die Belegschaften zu neuen Leistungen aufzufordern. Das Prinzip der Einzelleitung, d. h. das alleinige Entscheidungsrecht und die Alleinverantwortung der Werkdirektoren, Generaldirektoren und Minister, wird durch die Gewerkschaften nicht angetastet. Gegenüber den wirtschaftsleitenden Organen beschränkt sich die Aktivität der Gewerkschaften auf Informations-, Kontroll-, Mitberatungs- und Mitwirkungsrechte; eine Mitbestimmung findet nicht statt.

 

Die Tätigkeit der Gewerkschaften im Bereich der Lohnpolitik und bei der Gewährung von Prämien dient ebenfalls der Steigerung der Arbeitsproduktivität. Die Förderung leistungsstimulierender Lohnformen bedeutet, daß überdurchschnittliche Arbeitsleistungen überproportional entlohnt werden, um Beschäftigte mit minderer Leistung zur Verbesserung ihrer Arbeitsergebnisse anzureizen. Der FDGB fördert und schützt ein stark differenziertes, hierarchisch aufgebautes Lohngefüge sowie die privilegierte Stellung der technischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Intelligenz. Eine weitere Spezifizierung der Lohnformen und der Abschluß von Rahmenkollektivverträgen in den VVB-Bereichen mit Unterstützung der Gewerkschaftskomitees bei den VVB ist vorgesehen.

 

Die Schutzfunktionen des FDGB im Bereich des Arbeitsrechts, der staatlichen und betrieblichen Sozialpolitik sind unter doppeltem Aspekt zu sehen: Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sowohl durch die Wirtschaftsleitungen als auch durch die Belegschaften soll gleichermaßen erreicht, bestehende Rechte sollen nicht verkürzt, aber auch nicht „mißbräuchlich“ zu Gunsten der Betroffenen ausgeweitet werden. Rechtsberatungsstellen bei den Rechtskommissionen der Kreisvorstände des FDGB gewähren unter Berücksichtigung dieser Aufgabenstellung den Gewerkschaftsmitgliedern Rechtsschutz bei den Gerichten. Ferner leitet der FDGB die Konfliktkommissionen an, schult deren Mitglieder, die auf Mitgliederversammlungen gewählt werden. Die BGL besitzt ein Mitwirkungsrecht bei der Begründung, Änderung und Kündigung von Arbeitsverhältnissen.

 

Die betriebliche Sozialpolitik umfaßt das betriebliche Gesundheitswesen, Kindergärten und -horte, Betriebsferienlager, die Werkverpflegung, betriebliche Einkaufsmöglichkeiten usw. Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Betriebe nimmt die BGL auf die Ausgestaltung dieser Einrichtungen über seine Kommissionen, die Jugend- und Frauenausschüsse Einfluß.

 

Eine starke Stellung hat sich der FDGB durch die Vermittlung von verbilligten Ferienreisen (1967: 1,1 Mill.) in organisationseigene oder Vertragsheime verschafft. Ferner wird den FDGB-Mitgliedern und ihren Familienangehörigen jährlich einmal eine um ein Drittel ermäßigte Fahrt mit der Reichsbahn gewährt.

 

Im Zeichen der „technisch-wissenschaftlichen Revolution“ (technische Revolution), aus der sich ständig neue und erhöhte Anforderungen an die fachliche Ausbildung der Berufstätigen herleiten, wirbt die Gewerkschaft verstärkt für eine Beteiligung an der Qualifizierung (Betriebsakademie). Notwendige Umsetzungen von Arbeitskräften in oder zwischen Betrieben als Auswirkung von Rationalisierungsmaßnahmen oder bedingt durch den Ausbau bzw. die Einschränkung bestimmter Wirtschaftszweige unterstützt der FDGB durch aufklärende Propaganda und versucht die sozialen Auswirkungen zu mildern. Die den langfristigen Arbeitskräftebedarf des Betriebs bzw. Wirtschaftszweiges berücksichtigenden Qualifizierungspläne werden unter Mitarbeit der zuständigen Gewerkschaftsleitungen ausgearbeitet, wobei die Jugend- und Frauenausschüsse die Interessen der von ihnen vertretenen Gruppen zu Gehör bringen.

 

Die gewerkschaftliche ➝Kulturarbeit dient der Werbung der Gewerkschaftsmitglieder zur rezeptiven und „schöpferischen“ Teilnahme am kulturellen Leben. Sie soll die Heranbildung des „allseitig gebildeten sozialistischen Menschen“ fördern und [S. 192]ist ein wichtiges Instrument zur Beeinflussung der Freizeitgestaltung (Freizeit). Die gewerkschaftliche Kulturarbeit trägt dazu bei, die volkseigenen Großbetriebe auch für die Ausgestaltung des kulturellen Lebens in den Wohngebieten mitbestimmend zu machen.

 

Mit der Übergabe der Sozialversicherung in die Alleinverwaltung des FDGB auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen sind den Gewerkschaften erstmals staatliche Aufgaben zugewiesen worden, die sie in Zukunft ohne Einsatz staatlicher Zwangsmittel lösen müssen (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen). Mit der Übertragung der Kontrolle über den Arbeitsschutz und der Einrichtung der Arbeitsschutzinspektionen bei den Gewerkschaftsleitungen ist dieser Prozeß fortgesetzt worden. Die Verantwortung, die die Gewerkschaften für die Anleitung, Wahl und Schulung der Konfliktkommissionen haben, kann ebenfalls als eine Ablösung staatlichen Zwangs durch Organisationszwänge (gegenüber den eigenen Mitgliedern und den Wirtschaftsleitungen) verstanden werden. Gegenüber staatlichen Organen hat der FDGB auch außerhalb der Plandiskussionen besonders in arbeitsrechtlichen, sozial- und kulturpolitischen Fragen ein Beratungs- und Mitwirkungsrecht, das durch die gewerkschaftliche Beteiligung an Beiräten, Arbeitsgruppen, durch schriftliche Stellungnahmen usw. ausgeübt wird. Das Prinzip der Einzelleitung wird jedoch auch hier durch die Gewerkschaften nicht eingeschränkt. Die Kreis- und Bezirksvorstände des FDGB wirken an der Vorbereitung und Festlegung der regionalen Pläne mit. Mit den in den Betrieben gewählten Arbeiterkontrolleuren (1 Arbeiterkontrolleur auf 30–50 Gewerkschaftsmitglieder) beteiligt sich der FDGB an den Aufgaben der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion. Die Arbeiterkontrolleure werden vor allem für die innerbetriebliche Kontrolle und für die Inspektion in Handel, Versorgung und Wohnungswesen eingesetzt.

 

Die Bedeutung, die dem FDGB im Herrschaftssystem zugemessen wird, spiegelt sich u.a. darin, daß er die nach der SED größte Anzahl von Mitgliedern in die Volksvertretungen entsendet (Volkskammer: 68 von 500; Bezirkstage: 395 von 2.840; Kreistage: 1945 von 16.949; Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen: 23.558 von 183.268; Stadtbezirksversammlungen: 442 von 2.955).

 

4. Schulung

 

 

Die mannigfachen Funktionen des FDGB bieten die Möglichkeit, eine große Zahl von Mitgliedern tätig in die Gewerkschaftsarbeit einzubeziehen. So sollen Mitte 1967 auf betrieblicher Ebene in den Leitungen, Kommissionen, Ausschüssen und Arbeitsgruppen 1,3 Mill. Mitglieder Funktionen übernommen haben. Bei der Beurteilung dieser Zahlen wird man an eine große Zahl von Doppelzählungen denken müssen; auch sagt die Tatsache der Übernahme einer Funktion noch nichts aus über die Intensität, mit der sie ausgeübt wird. Trotzdem demonstrieren diese Zahlenangaben die starke, integrierende Kraft einer Großorganisation. Die Funktionstüchtigkeit des FDGB, die Effektivität, mit der er seine Kontroll-, Mitwirkungs- und Beratungsrechte wahrnehmen kann, das Ansehen der Gewerkschaftsfunktionäre bei den Belegschaften und Werkleitungen und die darauf gründende Chance zu erziehen und zu mobilisieren, hängt von den Fähigkeiten und Kenntnissen der Kader ab. Die Mathematisierung der Planung, die Einführung der Datenverarbeitung, Kybernetik, operations research usw. haben die Anforderungen an die Gewerkschaftsfunktionäre in den letzten Jahren ansteigen lassen und das bisherige Schulungssystem sowie die Schulungsinhalte infragegestellt.

 

Auf den Bundesvorstandssitzungen 1967 und dem 7. Kongreß des FDGB stand immer wieder die Frage der Verbesserung der Ausbildung der Funktionäre im Vordergrund der Diskussion, da ein Teil der Ineffektivität der Arbeit des FDGB auf die mangelnde Qualifikation der Funktionäre zurückzuführen ist. Die ideologische Schulung im herkömmlichen Sinne bedarf der Ergänzung bzw. teilweisen Ablösung durch die Vermittlung positiven Fachwissens auf wissenschaftlichem Niveau. Dabei stehen moderne Leitungsmethoden (Leitungswissenschaft) und betriebs- und volkswirtschaftliche Kenntnisse im Vordergrund der geplanten Erneuerung der Schulungsprogramme. Das Schulungssystem bietet insofern günstige Möglichkeiten, als die Kurse schon immer sehr stark nach Spezialgebieten (Arbeitsrecht, Sozial Versicherung, Arbeitsschutz, Kultur usw.) gegliedert waren.

 

[S. 193]Die Formen der gewerkschaftlichen Schulungsarbeit sind mannigfaltig: Einzelvorträge, Wochenendschulungen und 14tägige Kurzschulungen in den Betrieben und den Kreisbildungsstätten der FDGB-Kreisleitungen, vierwöchige Kurse in jahreszeitlich nicht genutzten FDGB-Heimen, dreimonatige Lehrgänge in Schulen der ZV der wichtigsten IG (1966: 5) bzw. bei den Bezirksschulen des FDGB (1966: 6, angestrebt wird die Einrichtung in allen Bezirken). Daneben bestehen Zentralschulen des FDGB mit spezieller Aufgabenstellung (z. B. Zentralschule für Kultur in Leipzig). Zentrale Bildungs- und Forschungsstätte des FDGB ist die Hochschule der Deutschen Gewerkschaften „Fritz Heckert“ in Bernau. Neben kürzeren Lehrgängen findet dort seit 1956 ein dreijähriges Studium für Funktionäre statt, das mit der Prüfung zum Diplom-Gesellschaftswissenschaftler abgeschlossen wird. Von 1952 bis 1965 haben 2.546 Gewerkschaftsfunktionäre an der Hochschule Ein- oder Mehrjahreslehrgänge absolviert.

 

Die Bestrebungen, fachlich besser qualifizierte Funktionäre in Führungspositionen zu bringen, und erste Erfolge der Verbesserung der Schulungsarbeit zeigen sich in der Tendenz, ältere Funktionäre durch jüngere, diplomierte abzulösen.

 

5. Gewerkschaftliche Unterstützungseinrichtungen

 

 

Der FDGB verfügt über eine Anzahl von Unterstützungseinrichtungen für seine Mitglieder. Die Höhe der Leistungen variiert je nach Dauer der Mitgliedschaft und z. T. der Höhe der entrichteten Mitgliedsbeiträge. Ein Anspruch entsteht in der Regel nach einjähriger Mitgliedschaft. In Höhe eines Wochenbeitrages wird bei Erkrankung nach Wegfall des Lohnausgleichs aus der Sozialversicherung für 6 bis 9 Wochen eine tägliche Krankengeldunterstützung gewährt. Ferner zahlt der FDGB Geburtsbeihilfen (30 M) und Sterbegelder (100–370 M). Rentner mit langjähriger Mitgliedschaft in den Gewerkschaften (mindestens 35 Jahre) erhalten eine vierteljährliche Unterstützung von 30–50 M. Für Darlehen in Notfällen und für größere Anschaffungen bestehen Kassen der gegenseitigen Hilfe, die durch Sonderbeiträge finanziert werden. Im Verkehrswesen tätige Gewerkschaftsmitglieder erhalten durch die „Fakulta“ Rechtsschutz und Familienunterstützung bei Verkehrsunfällen.

 

6. Politik gegenüber den Gewerkschaften der Bundesrepublik und internationale Verbindungen

 

 

Im Rahmen der Deutschlandpolitik der SED (Wiedervereinigungspolitik der SED), die sich um eine Einflußnahme auf die Gewerkschaften des DGB bemüht, spielt der FDGB eine bedeutsame Rolle. Diese Arbeit wird von der Abteilung für westdeutsche Arbeit beim BV des FDGB und den nachgeordneten Westkommissionen bei den FDGB-Vorständen geleitet. Der FDGB wird dabei im wesentlichen im Auftrage der zuständigen Abteilungen des SED-Apparates tätig. Einladungen an Delegationen aus der BRD, Zusendung von Propagandamaterial und mannigfache Formen der Kontaktsuche und -pflege werden als Mittel zur Einflußnahme angewendet. In Buchpublikationen und Broschüren, in seinen Zeitungen und Zeitschriften beschäftigt sich der FDGB ständig mit den Entwicklungen in den DGB-Gewerkschaften. Er versucht, zwischen Gewerkschaftsleitungen auf der einen Seite und den örtlichen Funktionären sowie der Mitgliedschaft auf der anderen zu differenzieren mit dem Ziel, vorhandene Gegensätze zu verschärfen und neue Fronten zu bilden. Bei grundsätzlicher Ablehnung der Politik des DGB und seiner Gewerkschaften als „reformistisch“ unterstützt der FDGB Einzelforderungen, z. B. die Ablehnung der Notstandsgesetze, die Forderung nach Ausdehnung der Mitbestimmung, um sich so Gehör bei oppositionellen Gruppen zu verschaffen. Offizielle Kontakte zwischen dem FDGB und den Gewerkschaften im DGB bestehen bisher nicht. (Deutsche Arbeiterkonferenz)

 

Der FDGB ist Mitglied des Weltgewerkschaftsbundes, die IG/Gew. gehören den jeweils zuständigen Berufsorganisationen des WGB, den „Internationalen Vereinigungen der Gewerkschaften“, an. Seine internationalen Verbindungen nutzt der FDGB zur Unterstützung der Außenpolitik der DDR, besonders in ihrer Forderung nach diplomatischer Anerkennung und in ihren Angriffen auf die Politik der Bundesregierung. Die Kontakte zu den im Aufbau befindlichen Gewerkschaften in den Entwicklungsländern werden besonders gepflegt. Seit Mai 1959 werden an der Hochschule des FDGB laufend Gewerkschaftsfunktionäre aus afrikanischen und asiatischen Ländern in 18-Monats-Lehrgängen ausgebildet.

 

Literaturangaben

  • *: Der FDGB. (FB) 1959. 19 S.
  • Haas, Gerhard: Der FDGB 1954. (BMG) 1954. 48 S. m. 1 Plan.
  • Haas, Gerhard, und Alfred Leutwein: Die rechtliche und soziale Lage der Arbeitnehmer in der sowjetischen Besatzungszone. 5., erw. Aufl. (BB) 1959. Teil I (Text) 264 S., Teil II (Anlagen) 162 S.
  • Mampel, Siegfried: Sozialpolitik in Mitteldeutschland (Sozialpolitik in Deutschland, H. 48, hrsg. v. Bundesmin. f. Arbeit …). Stuttgart usw. 1961, Kohlhammer. 87 S.
  • Mampel, Siegfried: Das Gesetzbuch der Arbeit der Sowjetzone und das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland — ein Vergleich. 5. Aufl. (hrsg. v. Bundesmin. für Arbeit …). Bonn 1962. 64 S.
  • Mampel, Siegfried: Beiträge zum Arbeitsrecht der sowjetischen Besatzungszone (BMG) 1963. 135 S.

 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 186–193


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.