
Feiern, Sozialistische (1969)
Siehe auch:
Seit 1957 waren Bestrebungen erkennbar, außer der Konfirmation und der Kommunion (Jugendweihe) auch noch weitere kirchliche Feiern durch pseudosakrale Akte zu ersetzen und dadurch den Einfluß von Christentum und Kirche auch aus dem persönlichen und familiären Leben der Bürger der „DDR“ zu verdrängen. So sollte die Taufe durch die Kindes- oder Namensweihe, die Trauung durch die Sozialistische Eheschließung oder Eheweihe das christliche durch das Sozialistische Begräbnis oder die Grabweihe ersetzt werden. 1958 gab der Rat der Stadt Stalinstadt (heute Eisenhüttenstadt) eine Anleitung zur Ausgestaltung atheistischer Kultfeiern heraus; dieses sogenannte Stalinstadter Dokument bezeichnete den „sozialistischen Humanismus“, „der atheistisch ist und kein höheres Wesen als die für Frieden, Demokratie und Sozialismus kämpfende Menschheit anerkennt“, als ideologische Grundlage der pseudosakralen Akte von Partei und Staat und enthielt u.a. Grundkonzeptionen für Ansprachen an Hochzeitspaare, Kindeseltern und Hinterbliebene; für die Vorbereitung der Feiern wurde die Stelle eines „Sprechers des Rates der Stadt“ eingerichtet, der auch die Erziehungs- und Ehegelöbnisse entgegennehmen sollte. Während dieses Dokument nur lokale und vermutlich vorübergehende Bedeutung hatte, führte die allgemeine antitheistische Propaganda und Agitation der SED und einiger Massenorganisationen doch dazu, daß die Teilnahme an den kultischen Formen des christlichen Gemeindelebens zurückging (Kirchenpolitik); allerdings gewannen die kommunistischen Ersatzriten mit Ausnahme der Jugendweihe bisher keine größere Bedeutung.
Die erste „sozialistische Namensgebung“ fand am ersten Weihnachtstag 1957 in Altenburg statt. Bei diesem Akt, heute als Namensweihe bezeichnet, wird das Kind „in die sozialistische Gemeinschaft aufgenommen“, nachdem die Eltern ein „sozialistisches Erziehungsgelöbnis“ abgelegt haben; der Vollzug wird in das Familienstammbuch eingetragen und häufig auch durch ein Sparbuch für das Kind belohnt.
Die sozialistische Eheschließung, gelegentlich auch Eheweihe genannt, folgt der standesamtlichen Trauung, ist also einstweilen nicht mit dieser verbunden, obschon sie nicht mehr Sache der Partei, sondern der „staatlichen Organe“ sein soll. Der Weiheakt, für den die Brautleute nach dem Aufgebot durch Funktionäre gewonnen werden, soll möglichst im Betrieb eines der Ehegatten stattfinden; im Rahmen der Pseudoliturgie, an der die Massenorganisationen mitwirken sollen, legen die Eheleute ein „sozialistisches Ehegelöbnis“ ab, mit dem sie sich — nach dem von der SED aufgesetzten Wortlaut — verpflichten, „mit gemeinsamer Kraft die sozialistischen Errungenschaften und die Staatsmacht der Arbeiter und Bauern zu stärken“.
Am wenigsten hat sich bisher die Grabweihe oder das Sozialistische Begräbnis durchgesetzt. Zunächst hielt die SED — ähnlich wie die SS im „Dritten Reich“ — Grabredner bereit; später sollte es Sache der Kreise und Gemeinden sein, die Beerdigungsriten zu gestalten.
Literaturangaben
- *: Pseudosakrale Staatsakte in der Sowjetzone — Namensweihe, Jugendweihe, Eheweihe, Grabweihe. (BMG) 1959. 16 S. m. 22 Abb.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 201