DDR von A-Z, Band 1969

Gemeinde (1969)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979 1985


 

Die G., die die Verfassung von 1949 noch als gebietliche Körperschaften mit dem Recht auf Selbstverwaltung betrachtete, wurden als kreisangehörige Städte oder Land-G. nach der Verwaltungsneugliederung von 1952 zu untersten Verwaltungseinheiten der einheitlichen Staatsmacht, nachdem schon vorher die Selbstverwaltung immer mehr eingeschränkt worden war. Im Zuge der Entwicklung, die mit dem Neuen ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft eingeleitet worden war, werden nunmehr die G. auch als „originär sozialökonomische und sozialpolitische G. der Bürger (Riemann/Weichelt in „Einheit“ 1967, S. 285) angesehen. Art. 41 der Verfassung bezeichnet die Städte, G. und G.-Verbände als „im Rahmen der zentralen staatlichen Planung und Leitung eigenverantwortliche Gemeinschaften, in denen die Bürger arbeiten und ihre gesellschaftlichen Verhältnisse gestalten“, in deren Rechte nur auf der Grundlage der Gesetze eingegriffen werden dürfe.

 

Die Organe der G. sind Staatsorgane (örtliche Organe der Staatsmacht). Für ihr Verhältnis zu den höheren Staatsorganen gilt daher der Grundsatz des demokratischen Zentralismus. Nach Egler (Sozialistische Demokratie vom 16. 2. 1968) könne das neue Verhältnis zwischen zentralen und örtlichen Staatsorganen weder mit der Kategorie der bürgerlichen Theorie von der kommunalen Selbstverwaltung noch mit denen der administrativen Über- und Unterordnung erfaßt werden. Wenn auch die Verantwortung für die Verwirklichung der gesellschaftlichen Funktion der Städte und G. nach Art. 43 Abs. 2 der Verfassung den von den Bürgern gewählten Volksvertretern obliegen soll und diese „eigenverantwortlich“ auf der Grundlage der Gesetze über ihre. Angelegenheiten zu entscheiden haben, so ist doch nach Art. 9 Abs. 3 der Verfassung diese Eigenverantwortung mit der zentralen Planung und Leitung der Volkswirtschaft sowie aller anderen gesellschaftlichen Bereiche im ökonomischen System des Sozialismus verbunden. Die G. werden wie die Betriebe (Betriebsverfassung) als Teilsysteme des gesamtgesellschaftlichen Systems angesehen und unterliegen deshalb [S. 233]der Einwirkung durch die SED und die zentralen Staatsorgane. In diesen Grenzen ist auch Art. 82 der Verfassung zu sehen, wonach die G. verbindliche Beschlüsse fassen dürfen, eigene Einnahmen haben und diese verwenden dürfen.

 

Die Volksvertretung in der Land-G. heißt G.-Vertretung, in der kreisangehörigen Stadt Stadtverordnetenversammlung. Sie sind nach Art. 81 der Verfassung von den wahlberechtigten Bürgern gewählte Organe (Wahlen). Die örtlichen Volksvertretungen wählen „zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung“ ihren Rat und Kommissionen (Art. 83 Abs. 1 der Verfassung). Der Vorsitzende des Rates führt die Dienstbezeichnung Bürgermeister, der in den Städten und G. über 200 Einwohner hauptamtlich tätig ist. Die Mitglieder des Rates führen die Bezeichnung Stadtrat bzw. G.-Rat. Der Rat ist ein kollektiv arbeitendes Organ (Kollegialorgan) (Art. 83 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung).

 

Der Rat sichert nach Art. 83 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung die Entfaltung der Tätigkeit der Volksvertretung und organisiert die Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung in deren Verantwortungsbereich.

 

Der Rat ist der G.-Vertretung (Stadtverordnetenversammlung) für seine Tätigkeit verantwortlich und außerdem dem übergeordneten Organ rechenschaftspflichtig (Art. 83 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung) und damit im Sinne des demokratischen Zentralismus doppelt unterstellt (Doppelte Unterstellung).

 

Nach Art. 85 der Verfassung werden die Aufgaben und Befugnisse der örtlichen Volksvertretung, ihre Abgeordnetenkommissionen und ihre Räte durch Gesetz festgelegt.

 

Zur Zeit gelten die am 28. 6. 1961 vom Staatsrat erlassene „Ordnung über die Aufgaben und Arbeitsweise der Gemeindevertretung und ihrer Organe“ (GBl. I, S. 139) sowie der „Erlaß des Staatsrates über Aufgaben und Arbeitsweise der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe unter den Bedingungen des Neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ vom 2. 7. 1965 (GBl. I, S. 159).

 

Nach dem Erlaß des Staatsrates vom 2. 7. 1965 haben die G. ihre Aufgaben „auf der Grundlage der Beschlüsse des ZK der SED, der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer sowie der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates“ durchzuführen. Auch für die G. sind also die Beschlüsse der Partei bindend.

 

Die Verwaltung der Städte ist in Fachabteilungen gegliedert, deren Leiter entweder Mitglieder des Rates oder einem Mitglied des Rates unterstellt sind.

 

Nach Art. 84 der Verfassung können die örtlichen Volksvertretungen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben Verbände (G.-Verbände, Zweckverbände) bilden. Einen solchen kommunalen Zweckverband für das Erholungswesen haben beispielsweise der Kreis Eisenhüttenstadt (Land), die Städte Frankfurt/Oder, Eisenhüttenstadt und die G. Prieskow/Finkenheerd gebildet (Statut in „Sozialistische Demokratie“, Ausgabe 11/68 vom 15. 3. 1968).


 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 232–233


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.