DDR von A-Z, Band 1969

Genossenschaften, Ländliche (1969)

 

 

Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1966 1975 1979


 

Den 1945 im Raiffeisenverband zusammengeschlossenen LG wurde durch SMAD-Befehl Nr. 14 vom 20. 11. 1945 die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit gestattet. Anzahl, Mitglieder und Leistungen der LG stiegen schnell. Die Gründe lagen in der durch die Bodenreform gestiegenen Zahl von landwirtschaftlichen Betrieben, in der Förderung durch die Verwaltungen und in der Tatsache, daß die LG alleinige Kreditgeber der Bauern (Banken) und für deren Versorgung mit Produktionsmitteln durch Ausschaltung des privaten Landhandels (Großhandel) mehr und mehr zuständig waren. Auch die Abnahme landwirtschaftlicher Produkte im Rahmen der Ablieferungspflicht lag überwiegend in ihren Händen.

 

Bis 1948 konnten sich die LG entsprechend ihren traditionellen — demokratischen — Prinzipien entwickeln (Genossenschaften). Ihre alte Struktur blieb erhalten: Spezial-LG für Geld- und Kreditgeschäfte, für Versorgung der Betriebe, für Absatz, Verarbeitung und Lagerung landwirtschaftlicher Produkte und für weitere Spezialaufgaben (z. B. Meliorations-G., Elektrizitäts-G.). Kredit- und Handels-G. waren auf Länderebene (Landesgenossenschaftsbanken und Haupt-G.) zusammengeschlossen, die Handels-G. auch auf Zonenebene in einer zentralen Waren-G. G.-Verbände gab es auf Landesebene (Landesprüfungsverbände). Nicht erlaubt wurden ein Zentralverband und ein zentrales Bankinstitut. Seit 1948 versuchte die SED auf die LG Einfluß zu gewinnen. Auf einem „Kongreß der LG Deutschlands“ (16.–18. 3. 1949 in Berlin) wurde ein kommunistisch bestimmter „Zentralverband der landwirtschaftlichen G. Deutschlands“ gegründet mit der Aufgabe, die LG in eine Massenorganisation umzugestalten und ihre Mitglieder für die (wirtschafts-)politischen Ziele der SED einzuspannen. Die Struktur der LG sollte der neuen Aufgabe angepaßt werden: universale Dorf-G. sollten die bisherigen Spezial-G. ersetzen, Organe und Leitungen der F. sollten mit im Sinne der SED linientreuen Personen besetzt werden. Als dieses Ziel am Widerstand der Bauern und G.-Leiter scheiterte, wurden die LG am 20. 11. 1950 mit der VdgB „vereinigt“. Von der gesamten G.-Organisation blieben nur noch die örtlichen Dorf-G. unter dem Namen „Bäuerliche Handels-G.“ (BHG) als „organisatorische Bestandteile“ der VdgB, die seitdem VdgB (BHG) hieß, und einzelne Spezial-G. (vor allem die Molkerei-G.) erhalten. Die G.-Verbände gingen in der VdgB unter. 1954 wurde zwar die VdgB (BHG) wieder in VdgB umbenannt, die BHG und Molkerei-G. blieben jedoch Bestandteile dieser Massenorganisation und sollten durch ihre wirtschaftliche (Monopol-)Stellung die Bauern an die VdgB binden.

 

Gleichzeitig mit der organisatorischen Umgestaltung verloren die G. den größten Teil ihrer wirtschaftlichen Aufgaben. Der Absatz landwirtschaftlicher Produkte ging an die VEAB über, die Landwirtschafts[S. 236]bank (damals Deutsche Bauernbank, DBB) übernahm die Landesgenossenschaftsbanken, die BHG wurden ihr unterstellt, waren aber nur noch für die Geld- und Kreditgeschäfte der Einzelbauern zuständig, während die LPG mit der DBB direkt verkehrten. Die Mittel- und Zentralinstitute der G. für die Versorgung mit Produktionsmitteln wurden liquidiert, die staatlichen Kreiskontore für landwirtschaftlichen Bedarf belieferten seit 1951 die örtlichen G. Fortan waren die G. nur für die Versorgung der Einzelbauern mit Produktionsmitteln und — immer seltener — mit Krediten verantwortlich. Daneben hatten sie im Rahmen der VdgB die Kollektivierung vorzubereiten, indem sie die Hauptverantwortung und — zu Lasten ihrer Gewinne — einen großen Teil der Kosten für die Gründung von Teilproduktionsgenossenschaften und Teilproduktionsgemeinschaften zu tragen hatten. Von dieser Möglichkeit hat die SED-Agrarpolitik in einem nicht mehr zu steigernden Ausmaß Gebrauch gemacht. Im einzelnen wurden gegründet: Jungviehaufzuchtgemeinschaften, Weidegemeinschaften, Schafhüte- und Schafhaltegemeinschaften und -G., Saatzuchtgemeinschaften, Obstbau-G., Wald-G. und -gemeinschaften, „Gemeinschaftseinrichtungen“ (z. B. Brütereien, Kükenaufzuchtstationen, Waschanlagen, Dämpfkolonnen) und — vorübergehend — „ständige Arbeitsgemeinschaften“. Der Sinn all dieser genossenschaftlichen oder genossenschaftsähnlichen Produktionseinrichtungen war, eine möglichst gute Vorbereitung für die Gründung der LPG zu schaffen, in welchem Falle die genannten Institutionen von der LPG übernommen wurden. Je offenkundiger die schlechte wirtschaftliche Entwicklung bestehender LPG wurde, desto größerer Wert wurde auf ihre Vorbereitung gelegt. Möglichst viele Produktionsbereiche sollten — auf Kosten der Bauern und der G. — in leistungsfähigem Zustand von den LPG übernommen werden können. Am 31. 12. 1964 bestanden noch 1.129 BHG gegenüber 2.430 im Jahre 1956.

 

Während nach dem ursprünglichen Konzept der mitteldeutschen Agrarpolitik die BHG mit der Vollkollektivierung sämtlich in den LPG aufgehen sollten, sah man sich zur Vermeidung von größeren Produktionsrückgängen nach der Vollkollektivierung und infolge der mangelhaften Leistungsfähigkeit des staatlichen Landhandels gezwungen, 1960/1961 dieses Konzept zu ändern. Es wurde eine erneute Umwandlung der BHG in „LPG-Gemeinschaftseinrichtungen zur Beschaffung landwirtschaftlicher Produktionsmittel (LPG-GE)“ beschlossen. Die LPG-GE sind wie andere „zwischengenossenschaftliche Einrichtungen“ Nebenbetriebe der LPG im Sinne des § 23 des LPG-Gesetzes und haben im wesentlichen die Aufgaben der früheren BHG, aus denen sie hervorgegangen sind. Die Umwandlung wurde jedoch nicht konsequent verwirklicht, so daß heute BHG und LPG-GE nebeneinander bestehen.

 

Auch die LPG-GE dürften nur eine Übergangslösung sein. Im Zuge der Bildung von Kooperationsverbänden werden sowohl die BHG als auch die LPG-GE verschwinden. Die Mitarbeiter der genannten genossenschaftlichen Einrichtungen und ihre Anlagen (Läger, Fuhrpark usw.) werden in den LPG aufgehen. (Landwirtschaft, Agrarpolitik)

 

Literaturangaben

  • Merkel, Konrad, und Eduard Schuhans: Die Agrarwirtschaft in Mitteldeutschland — Sozialisierung und Produktionsergebnisse. (BB) 2., erw. Aufl. 1959. 200 S. m. 53 Tab.

 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 235–236


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.