
Gesellschaft für Sport und Technik (GST) (1969)
Siehe auch:
Organisation zur vormilitärischen Ausbildung von Jugendlichen und jüngeren Einwohnern beiderlei Geschlechts, (Vorbild ist der sowjet. vormilit. Verband „DOSAAF“.)
Gegründet durch Regierungsverordnung vom 7. 8. 1952 als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Beitritt, obwohl geltendes Statut darüber nichts sagt, ab 14. Lebensjahr, formell freiwillig. Unterstand bis 1. 3. 1956 dem Innen-, nun dem Ministerium für Nationale Verteidigung, das jährlich etwa 30 Mill. M zuschießt und die hauptamtlichen Funktionäre besoldet. Sitz: Neuenhagen (14 km westl. Strausberg). Das 5. umformulierte Statut der GST wurde am 11. 4. 1964 vom III. Kongreß beschlossen und am 27. 5. von dem Ministerrat bestätigt (GBl. S. 553). Nach § 1 ist sie „eine Massenorganisation der Werktätigen … unter Führung der SED … arbeitet sie eng mit allen in der Nationalen Front … vereinigten Parteien und Massenorganisationen sowie mit den staatlichen Organen zusammen“. — Sie „sieht in der sozialistischen Wehrerziehung der Werktätigen und vor allem der Jugend ihre Hauptaufgabe. Sie unterstützt durch ihre Tätigkeit die [S. 241]Vorbereitung der Jugend auf den Ehrendienst in der Nationalen Volksarmee“. — Die GST erzieht einerseits „ihre Mitglieder im Geiste des sozialistischen Internationalismus“, betont andererseits die „Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes“. Laut § 5 des Statuts können Förderer der GST-Arbeit wie bisher als „Freunde der GST“ der Organisation angehören. — Neu ist, daß (gemäß § 18, d) in den Grundorganisationen (d.h. Ortsgruppen) auch „Arbeitsgemeinschaften, Zirkel usw. gebildet werden“ sollen.
Ähnliche Ziele enthielt schon das 1. Statut der GST vom Aug. 1952. Da motorsportliche Möglichkeiten lockten und auf offene Bindung an die SED verzichtet wurde, hatte die GST bis Ende 1952 starken Zulauf. Die Einführung einer Pflichtausbildung in Schießen und Geländedienst und einer Politschulung drosselte den Zulauf und brachte Austritte. Dennoch veranlaßte die SED das 2. Statut vom Nov. 1954, das den militärähnlichen Charakter verstärkte und sie „der Führung der Arbeiterklasse und ihres Vortrupps, der SED“, unterstellte.
Seit Sommer 1955 wird die GST auch an Normalkaliberwaffen ausgebildet. Die Erziehung zum Patriotismus und zum Kommunismus wird in der GST seit 1957 offen gefordert. Seit 1955 darf die GST, obwohl ihre Funktionäre meist älter sind, nur 14- bis 24jährige ausbilden. Die Ausbildung der älteren Männer ist den Kampfgruppen vorbehalten. Einheiten der GST wirken meist an den großen Kampfübungen der Kampfgruppen mit.
Seit dem 13. 8. 1961 (Mauer) und dem Verteidigungsgesetz nahm die Tätigkeit der GST sehr zu. In den Oberklassen fast aller Schulen wurde die Teilnahme an der Ausbildung der GST Zwang. Die allg. Wehrpflicht brachte die GST nicht zum Erliegen, sondern führte zur Verdichtung ihrer Organisation. In vielen Orts- und Kreisorganisationen wurde die Vorschulung von Rekruten für die Nachrichten- und Panzertruppe, die Luft- und Marinekräfte verbreitert und verbessert.
Der III. Kongreß der GST (April 1964) drängte darauf, die Arbeit der Wehrertüchtigung in Betrieben und Schulen aller Art zu verstärken. Er sah vor, die Tätigkeit der GST auf die Wohngebiete auszudehnen, überall massenwirksamer und anziehender zu arbeiten. Wieder einmal stellte auch der III. Kongreß fest, der Erfolg der GST hänge „wesentlich davon ab, wie die Leitungen der FDJ- und GST-Grundorganisationen gemeinsam beraten und zusammenarbeiten“. — Seitdem wird an Schulen aller Art die Aufstellung vormilit. Schülerhundertschaften angestrebt und die Errichtung von Lehrlings-Hdsch. in großen Betrieben.
Der § 44 des Jugendgesetzes (vom 4. 5. 1964) verpflichtete alle Verwaltungsfunktionäre und Betriebsleiter zur Unterstützung der GST: Sie haben den Jugendlichen unter Heranziehung der FDJ, der GST und des Deutschen Roten Kreuzes es „zu ermöglichen, sich bereits vor Ableistung des Wehrdienstes militärische, technische und medizinische Kenntnisse anzueignen“.
Seit Februar 1968, seit der Auswechslung der Spitzengruppe im ZV der GST, leiteten das ZK der SED und die NVA eine Straffung und stärkere Militarisierung der GST-Tätigkeit ein. In den Bezirksverbänden der GST wurden neue, stärker disziplinierte und besser ausgebildete Lehr-Hundertschaften aufgestellt, um die Zöglinge der GST für die Zwecke der NVA sorgfältiger vorzubereiten. Ein Teil dieser Lehreinheiten wurde von den FDJ-Ordnungsgruppen aufgestellt.
Der IV. Kongreß (12.–14. 9. 1968) beschloß ein neues Statut der GST und solche Richtlinien, die den Anforderungen der NVA stärker als bisher entsprechen. Während die vormilitärische Ausbildung in der GST bisher als freiwillige Leistung galt, soll sie nunmehr Vordienst-Pflicht sein. Eine Hauptaufgabe der GST sei, in engem Zusammenwirken mit der FDJ alle Jugendlichen zu einem festen Klassenbewußtsein zu erziehen. In Verbindung damit sollen sie ideologisch und körperlich „auf den Ehrendienst“ in der NVA vorbereitet werden. Deshalb soll die GST noch enger mit der entscheidenden Kraft, mit der NVA, verflochten werden. Alles hänge letztlich von der ständigen Bemühung um die sozialistische Wehrerziehung ab. Eine zugleich sozialistisch und patriotisch erzogene Jugend werde die Wehrbereitschaft und Wehrbefähigung des ganzen Volkes entwickeln.
Die GST soll seit 1968 möglichst vielen der von ihr erfaßten Jugendlichen, die nun de facto Vordienst-Rekruten sind, jeweils eine bestimmte militärtechnische Ausbildung (z. B. als Funker, Kanonier, Panzerfahrer, Flieger) zukommen lassen: eine in Halbtags- oder Ganztags-Kursen erfolgende Ausbildung über längere Zeiträume hin. Die Zahl und die Güte der Ausbilder soll zielbewußt gesteigert werden. Neben der Heranbildung von Ausbildern in ihren eigenen Gliederungen soll die GST immer mehr Reservisten der NVA, der Bereitschaftspolizei und der Deutschen Volkspolizei gewinnen. Auch dieso Reservisten sollen ständig weiter in der Waffenkunde geschult werden.
Formell ist die GST von unten nach oben aufgebaut, doch der 1. Vors. des ZV, der ein ständiges Sekretariat leitet, lenkt sie in Wirklichkeit von oben nach unten, über die Bezirks- und Kreisorganisationen bis zu den Grundorganisationen. Diese bestehen in Verwaltungen, Betrieben, LPG, Hochschulen, Schulen und Wohngebieten. Dort wird die Ausbildung betrieben. Soweit dies möglich, in 6 Sektionen: Allgemeine vormilitärische Ausbildung; Schießsport; Motorsport; Flugsport (Segel- und Motorflug, Fallschirm); Nachrichtensport (Funk und Drahtspruch); Seesport (mit Tauchen). — Tiersport (bes. Brieftauben, Meldehunde, Reiten) und Jagd wurden aus der GST ausgegliedert. — Diese Ausbildung wird geleitet und überwacht von Funktionären der GST und Reservisten der NVA, die wiederum von aktiven Offizieren und Unteroffizieren der NVA in Lehrgängen auf dem jeweils letzten technischen Stand gehalten werden. Die Verbindung zur NVA wird sehr gepflegt, Mittelpunkte der Ausbildung sind 5 ständige Lager, in denen vor allem Zwölftageskurse abgehalten werden.
Die allg. Ausbildung (Geländesport, Schußwaffen, Kartenlesen, Sanität, Atomschutz) ist verbindlich für alle Mitglieder. Erst nach 80 allg. Lehrstunden ist Eintritt in 1 oder 2 der anderen Fach-Sektionen erlaubt. Schießen bleibt stets (wie auch die eingehende Politschulung) Pflicht. — Die GST hat 4 [S. 242]eigene Schulen (Motorflug, Segelflug, Seesport, Nachrichten).
Die GST zählt rd. 500.000 Mitgl., davon sind etwa 350.000 aktiv. Seit Sept. 1968 hat die GST eine graue Uniform. 1. Vors.: bis Februar 1963 Generalmajor d.R. Richard Staimer; seit 1. 2. 1968 Generalmajor Günther ➝Teller. (Militärpolitik, militärische ➝Studentenausbildung)
Literaturangaben
- Bohn, Helmut (und andere): Die Aufrüstung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. 2., veränd. Aufl. (BB) 1960. 216 S.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 240–242