DDR von A-Z, Band 1969

Gleichberechtigung der Frau (1969)

 

 

Siehe auch:


 

Der in der Verfassung, vom 7. 10. 1949 festgelegte und durch die neue Verfassung vom 6. 4. 1968 bestätigte Grundsatz der GdF. betrifft nicht nur die staatsbürgerlichen Rechte sondern auch alle übrigen Rechtsbeziehungen, insbesondere familienrechtlicher und arbeitsrechtlicher Art. Alle der GdF. entgegenstehenden oder sie beeinträchtigenden Bestimmungen sind schon durch die Verfassung von 1949 aufgehoben worden.

 

Das neue Familiengesetzbuch (FGB) vom 20. 12. 1965 hebt den Grundsatz der Gleichberechtigung der Ehegatten, auf dem schon das bis dahin geltende Familienrecht beruhte, ausdrücklich hervor. Alle Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens und der Entwicklung des einzelnen sind von den Ehegatten in beiderseitigem Einverständnis zu regeln (§ 9 FGB). Das elterliche ➝Erziehungsrecht ist von den Eltern gemeinsam auszuüben. Als gemeinsamen Familiennamen können die Ehegatten bei der Eheschließung den Namen des Mannes oder [S. 255]den der Frau wählen. Auch der eheliche Güterstand beruht auf der GdF.

 

Eine wirkliche GdF. ist nach Behauptung der SED nur dann möglich, wenn die Frau einer geregelten Berufstätigkeit nachgeht. So ist gemäß § 10 Abs. 2 FGB jeder Ehegatte verpflichtet, das Vorhaben des anderen Ehegatten, einen Beruf zu ergreifen oder sich weiterzubilden oder gesellschaftliche Arbeit zu leisten, „in kameradschaftlicher Rücksichtnahme und Hilfe“ zu unterstützen. Die Frau, deren Arbeitskraft das SED-Regime benötigt, soll ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und sich dadurch von den „Fesseln ihrer Abhängigkeit vom Mann befreien“. Während der Ehe haben beide Ehegatten zu den Aufwendungen für den gemeinsamen Haushalt beizutragen. Auch die von ihrem Mann getrennt lebende oder geschiedene Ehefrau hat grundsätzlich keinen Unterhaltsanspruch gegen den Mann (Unterhaltspflicht). Entsprechend dem Prinzip der GdF. verpflichtet das Gesetzbuch der Arbeit (§ 123 Abs. 2) die Organe der Staatsmacht und die Betriebsleiter, alle Voraussetzungen zu schaffen, die es den Frauen ermöglichen, am Arbeitsprozeß teilzunehmen, ihre schöpferischen Fähigkeiten zu entwickeln. Zugleich sollen sie „ihrer hohen gesellschaftlichen Aufgabe“ als Mütter gerecht werden. Die verstärkte Frauenarbeit erwies sich vor allem zur Durchführung der Wirtschaftspläne als notwendig.

 

76 v. H. der im arbeitsfähigen Alter stehenden weiblichen Bevölkerung sind berufstätig. Das bedeutet, daß mehr als 47 v. H. aller Berufstätigen Frauen sind. Die meisten weiblichen Beschäftigten sind im Handel zu finden (68 v. H.). Im Post- und Fernmeldewesen sowie in Bereichen außerhalb der materiellen Produktion (Verkehr, Dienstleistungen usw.) beträgt der Frauenanteil 67 v. H. Danach folgen die Land-, Forst- und Wasserwirtschaft mit 45 v. H., die Industrie mit 41 v. H. und das produzierende Handwerk mit 39 v. H. Am geringsten ist der Frauenanteil in der Bauwirtschaft mit 11 v. H. Auch in typischen Männerberufen werden Frauen beschäftigt. Die nichtberufstätigen Frauen werden wegen des Arbeitskräfte-Mangels aufgefordert, in Hausfrauenbrigaden einzutreten.

 

Der besondere Arbeitsschutz für Frauen ist stark eingeschränkt. Zwar ist die Frauenarbeit für eine ganze Reihe von Tätigkeiten verboten, doch gilt das Verbot nicht, wenn „die Produktionstechnik die Frauen nicht gefährdet“. Der Schutz für schwangere und für stillende Mütter bezieht sich auf das Verbot von Arbeiten, „die nach dem Gutachten des Betriebsarztes oder des Arztes der Schwangerenberatungsstelle Leben und Gesundheit der Schwangeren oder des Kindes gefährden könnten“

 

(§ 129 Abs. 2 des Gesetzbuches der Arbeit). Stillenden Müttern sind für die Dauer von höchstens 6 Monaten nach der Niederkunft täglich 2 Stillpausen von je 45 Minuten ohne Lohnausfall zu gewähren (§ 22 a. a. O.)

 

(Arbeitspolitik, Familie, Mutterschutz).

 

Der Anteil der Frauen an leitenden Funktionen ist nach wie vor gering und entspricht nicht der großen Zahl berufstätiger Frauen. In volkseigenen Betrieben sind nur 8,7 v. H. der leitenden Positionen mit Frauen besetzt. Von 15.139 landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften werden nur 116 von Frauen geleitet. In den entscheidenden Herrschaftsorganen ist der Anteil der Frauen fast ebenso gering wie in der BRD. Nur eine Frau (Margarete ➝Müller) ist Mitglied des SED-Politbüros. Von den 24 Mitgliedern des Staatsrates sind 5 Frauen, jedoch ohne politisches Profil und ohne entscheidenden Einfluß. Wie in der BRD gibt es nur einen weiblichen Minister, Margot ➝Honecker. Die leitenden Funktionen in den Bezirksräten sind nur zu 9 v. H. mit Frauen besetzt. Dagegen stellen Frauen fast ein Drittel der Richter und etwa ein Viertel der Direktoren und Schulleiter.

 

Die mangelhafte Verwirklichung des gleichberechtigten Mitwirkens der Frauen an der Leitung des Staates, der Partei und der Wirtschaft wird darauf zurückgeführt, daß viele staatliche Leiter und Funktionäre die bedeutende Rollo der berufstätigen Frau im gesellschaftlichen Leben nocht nicht vollständig erfaßt hätten. Alte Denk- und Lebensgewohnheiten stünden noch hemmend im Wege. Diese zu überwinden gehöre zur ideologischen Arbeit der Gewerkschaften. Deshalb stelle auch der Entwurf der Entschließung zum 7. FDGB-Kongreß die Aufgabe, „bei allen Werktätigen eine sozialistische Verhaltensweise zur Rolle der Frau in unserer Gesellschaft herauszubilden“ („Tribüne“ vom 26. 4. 1968). (Frauen)


 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 254–255


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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