
Patentrecht (1969)
Siehe auch:
Nach § 11 Abs. 2 der Verfassung vom 6. 4. 1968 genießen die Rechte von Urhebern und Erfindern den Schutz des sozialistischen Staates. Tatsächlich dient aber — wie das gesamte Recht — auch das im Patentgesetz vom 6. 9. 1950 (GBl. S. 989 — geändert durch Gesetz vom 31. 7. 1963 — GBl. I, S. 121) geregelte P. in erster Linie nicht den Interessen des einzelnen Erfinders, sondern der gesellschaftlichen Entwicklung (Rechtswesen, sozialistische Gesetzlichkeit). Das Patentgesetz soll dem Erfinder die Möglichkeit geben, „das Ergebnis seiner schöpferischen Arbeit dem Interesse der Gesellschaft entsprechend auszuwerten“.
Es brachte als wichtigste Abweichung vom bisherigen P. die Unterscheidung zwischen dem Wirtschaftspatent und dem Ausschließungspatent. Nur letzteres gibt dem Patentinhaber das alleinige Benutzungsrecht. Beim Wirtschaftspatent steht die Benutzungsbefugnis dem Inhaber und demjenigen zu, dem sie durch das Amt für Erfindungs- und Patentwesen (Patentamt) erteilt wird. Das Wirtschaftspatent, bei dem die Rechte des Erfinders zugunsten der volkseigenen Wirtschaft weitgehend eingeschränkt worden sind, ist seit langem vorherrschend. Ist die Erfindung im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Erfinders in einem VEB oder mit staatlicher Unterstützung gemacht worden, so darf nur ein Wirtschaftspatent erteilt werden. Der Betrieb hat das Recht und die Pflicht, die Erfindung unverzüglich für sich außerhalb der „DDR“ schützen zu lassen, sofern dafür ein volkswirtschaftliches Interesse besteht. In diesem Fall hat der Betrieb dem Erfinder eine Vergütung bis zu 500 M entsprechend der Bedeutung der Erfindung zu zahlen. Der Erfinder selbst darf ein Patent außerhalb der „DDR“ grundsätzlich erst nach vorheriger Anmeldung der Schutzrechte beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen und nur mit staatlicher Genehmigung anmelden.
Die Regierung kann auf Antrag des Patentamtes auch die Wirksamkeit eines Ausschließungspatents gegen Zahlung einer Entschädigung einschränken oder aufheben, wenn eine „wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Notwendigkeit“ hierfür vorliegt. Ein Rechtsmittel gegen diese Maßnahme gibt es nicht. Nur wegen der Höhe der Entschädigung kann das Patentgericht angerufen werden. Auch durch andere Maßnahmen ist das Wirtschaftspatent stark gefördert worden. So betragen die Gebühren für seine Anmeldung nur 20 M gegenüber 250 M bei einem Ausschließungspatent. Die Jahresgebühren eines Ausschließungspatents sind bis zu dreißigmal höher als die des Wirtschaftspatents. Nur die Gebühren für ein Wirtschaftspatent dürfen erlassen oder gestundet werden. Wirtschaftspatente können vom Patentamt aufrechterhalten werden, wenn der Patentinhaber auf das Patent verzichtet oder dieses aus anderen in der Person des Inhabers liegenden Gründen erlöschen würde. Die Rechte aus diesem Patent werden dann von den fachlich zuständigen Ministerien wahrgenommen. Für die Nutzung eines Wirtschaftspatents erhält der Erfinder eine Vergütung. Seit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum Patentgesetz vom 31. 7. 1963 erhält der Erfinder keine laufende Lizenzgebühr mehr, sondern nur noch eine einmalige Abfindung, deren Höhe „sich nach der gesellschaftlichen Bedeutung der Erfindung, der Leistung des Erfinders und dem Anteil der Gesellschaft am Zustandekommen der Erfindung“ richtet. Die Vergütung darf die Summe von 30.000 M nicht übersteigen. Der Wegfall der laufenden Benutzungsgebühren und die Einführung einer einmaligen Abfindung sollen „den Werktätigen einen starken materiellen Anreiz für die ständige Entwicklung und Durchsetzung des höchsten Stan[S. 467]des von Wissenschaft und Technik in der Produktion geben“.
Zur Förderung des Außenhandels (Außenwirtschaft) und zur raschen Entwicklung der Volkswirtschaft sollen wissenschaftlich-technische Erkenntnisse und Erfahrungen durch den Erwerb, die Vergabe und den Austausch von Lizenzen mit „Partnern außerhalb der DDR“ gewonnen werden (VO vom 20. 11. 1964 — GBl. 1965, II, S. 45). Der Lizenzerwerb und die -vergabe sind im Rahmen des Neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft von der staatlichen Plankommission in allen Bereichen der Wirtschaft und Forschung in Zusammenarbeit mit anderen zentralen Organen zu lenken und zu koordinieren. Die staatlichen Außenhandelsunternehmen haben die Aufgabe, ständig den Markt für den Abschluß von Lizenzgeschäften zu erforschen und der Industrie zu helfen, geeignete Vertragspartner ausfindig zu machen. Durch eine zielstrebige sozialistische Schutzrechtspolitik soll der Erzeugnisexport und die Lizenzvergabe gefördert werden: „Ein starkes Schutzrecht außerhalb der DDR ist eine wichtige Waffe gegen die Expansionsbestrebungen kapitalistischer Konzerne und hilft uns im ökonomischen Wettbewerb mit dem kapitalistischen System“ (Neue Justiz 1967, S. 4).
Durch das Gesetz vom 31. 7. 1963 ist das Erteilungsverfahren geändert worden. Das Patentamt kann seitdem ein Patent ohne sachliche Prüfung der Schutzvoraussetzungen erteilen. Gegen ein solches Patent kann jeder Bürger und jeder Betrieb Einwendungen erheben. Auf Antrag findet eine nachträgliche Prüfung der Schutzvoraussetzungen statt. Vergütungen dürfen erst nach Prüfung der Erfindung und Bestätigung des Patents gezahlt werden. Durch diese Neuregelung soll gesichert werden, daß Informationen über die neuesten Erfindungen binnen kurzer Zeit zur Verfügung stehen und das „Tempo bei der schnellen und umfassenden Einführung der neuesten Technik erhöht wird“. Durch dieses Änderungsgesetz ist das bisher geltende Gebrauchsmustergesetz ersatzlos aufgehoben worden (Gebrauchsmuster). Dagegen ist durch die „VO über die Förderung und Lenkung der Neuererbewegung (Neuerer-VO)“ vom 31. 7. 1963 (GBl. II, S. 525) das gesamte Neuererwesen neu geregelt und ausgestaltet worden. (Neuererbewegung)
Das gemäß VO vom 26. 8. 1965 (GBl. II, S. 695) gebildete Büro für die Vertretung in Patent-, Muster- und Zeichenangelegenheiten ist seit dem 1. 4. 1966 alleinvertretungsberechtigt für Rechtsuchende, die in der „DDR“ weder Wohnsitz noch Niederlassung haben. Die Vertretungsbefugnisse der noch zugelassenen Patentanwälte sind insoweit erloschen. Im Rechtsverkehr führt das von einem Direktor geleitete Büro die Bezeichnung „Internationales Patentbüro Berlin“. Für alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem Patent geltend gemacht wird, ist ein durch VO vom 21. 5. 1950 (GBl. S. 483) zum Patentgericht bestimmter Zivilsenat des Bezirksgerichts Leipzig zuständig. Mit VO vom 15. 3. 1956 (GBl. I, S. 271) hat die „DDR“ die Wiederanwendung der Pariser Verbandseinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums und ihrer Nebenabkommen erklärt. Da die Bundesregierung die „DDR“ nicht als Staat anerkennt, erzeugt dieser „Beitritt“ zu den internationalen Abkommen im Verhältnis zur BRD keinerlei Rechtswirkungen.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 466–467