DDR von A-Z, Band 1969

Periodisierung (1969)

 

 

Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979 1985


 

Nach der marxistisch-leninistischen Lehre entwickelt sich die Gesellschaft in einer Kette von Klassenkämpfen (Marxismus-Leninismus) zwangsläufig zum Sozialismus und Kommunismus. Dieser „allgemeingültige historische Prozeß“ verläuft in bestimmten Etappen oder Perioden. Die exakte Bestimmung dieser Perioden (also die P.) bereitet seit Marx u. Engels den Ideologen und Politikern des Kommunismus außerordentliche Schwierigkeiten. Zwischen Marx und Engels, Lenin, Stalin und der heute gültigen Lehrmeinung bestehen in dieser Frage zahlreiche Widersprüche; die Kriterien und Zeiträume einzelner Perioden, vor allem der Etappe des Eintritts in das Stadium des Kommunismus, sind wiederholt verändert worden. Die Probleme der Praxis haben die Einschiebung immer neuer Perioden und ihre Fristverlängerung erzwungen, das gilt besonders für die Periode Sozialismus; nach der in der „DDR“ heute gültigen Auffassung zerfällt sie in die Etappen „Aufbau der Grundlagen des Sozialismus“, „Aufbau des Sozialismus“, „Vollendung des Sozialismus“, wobei die letzte Zwischenetappe in letzter Zeit wieder aufgegliedert wurde in die Periode „Umfassender Aufbau des Sozialismus“, nach dem VII. SED-Parteitag „Periode der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ genannt.

 

Ein Motiv dieser Manipulationen dürfte darin liegen, daß der SU ein genügender Zeitvorteil für die Markierung des Übergangs zum Kommunismus und die Herausbildung einzelner Etappen der Verwirklichung des Kommunismus gewährt werden soll. Das neue Parteiprogramm der KPdSU sieht vor, den kommunistischen Aufbau „kontinuierlich in mehreren Etappen“ zu vollbringen. Bis 1980 soll „in der UdSSR die kommunistische Gesellschaft im wesentlichen aufgebaut“ sein. Vollendet wird der Aufbau „in der nachfolgenden Periode“.

 

Für die „DDR“ ist bis heute eine verbindliche Definition nur für den Zeitraum bis zur Proklamation des „Aufbaus des Sozialismus“ auf der 2. SED-Parteikonferenz 1952 gegeben. Diese Periode von 1945 bis 1950 wird als „antifaschistisch-demokratische“ Umwälzung oder Revolution bezeichnet. „In ihrem Ergebnis entstand eine antifaschistisch-demokratische Ordnung, deren politischer Inhalt die demokratische Herrschaft des Volkes, d.h. der Arbeiterklasse, der werktätigen Bauernschaft und des städtischen Mittelstandes war und in der die Arbeiterklasse entscheidende Positionen innehatte. Die neue Macht war somit eine Form der revolutionär-demokratischen Diktatur der Arbeiter und Bauern. Mit der Vernichtung der Grundlagen des Imperialismus entstanden dank der zunehmenden Festigung der Hegemonie der Arbeiterklasse in Politik und Wirtschaft auch erste Elemente des Sozialismus. Dies beweist, daß die antifaschistisch-demokratische Umwälzung bereits in sich Tendenzen des Hinüberwachsens der demokratischen Revolution in die sozialistische besaß“ (Stefan Doernberg: Die Geburt des neuen Deutschland 1945–1949. Die antifaschistisch-demokratische Umwälzung und das Entstehen der DDR, [Ost-]Berlin 1959, S. 15).

 

Literaturangaben

  • Richert, Ernst (m. e. Einl. von Martin Drath): Macht ohne Mandat — der Staatsapparat in der SBZ. 2., erw. Aufl. (Schr. d. Inst. f. polit. Wissenschaft, Berlin, Bd. 11). Köln 1963, Westdeutscher Verlag. 349 S.
  • Stern, Carola: Porträt einer bolschewistischen Partei — Entwicklung, Funktion und Situation der SED. Köln 1957, Verlag für Politik und Wirtschaft. 372 S.

 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 468


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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