
Preispolitik (1969)
Siehe auch:
Die P. wird einerseits durch die Konzeption des gewählten Preissystems und andererseits durch die Ziele der allgemeinen Wirtschaftspolitik bestimmt.
In der „DDR“ besteht für den überwiegenden Teil der vorhandenen Güter ein „Festpreissystem“ (Amt für Preise). Dem „Preistyp“ nach handelt es sich bei diesen Festpreisen bis 1968 in der Regel um „Kosten“- und/oder „Wertpreise“. Bestimmungsgrößen der Planpreise sind also weder der „Gebrauchswert“ (Grenznutzen) der Waren noch die vom Wirtschaftsplan (Zielprogramm) abgeleitete relative Knappheit der Güter.
Nach dem Willen der staatlichen Wirtschaftsführung sollen die Planpreise im Rahmen der zentralen Wirtschaftslenkung eine Vielzahl von Funktionen erfüllen (u.a. die Sicherung der Rentabilität der Betriebe, die Stimulierung der innerbetrieblichen Wirtschaftlichkeitsbestrebungen, die Gewährleistung einer ausreichenden Kapitalbildung und Selbstfinanzierung, die Steuerung der Verwendungsentscheidungen der Betriebe bei den Einsatzfaktoren im Sinne des ökonomischen Prinzips, die Förderung des technischen Fortschritts). Bei der Gegenüberstellung aller dieser von den Planpreisen zu erfüllenden Funktionen wird sofort offenbar, daß die mit dieser Aufgabenbestimmung der Planpreise für die P. heraufbeschworenen Zielkonflikte dazu führen, daß die Planpreise stets nur eine oder eine gewisse Zahl von Funktionen, infolge der Schwierigkeiten einer ökonomisch richtigen zentralen Preisfestsetzung aber niemals alle Funktionen gleichzeitig übernehmen können.
Die P. der „DDR“ kann in vier Etappen eingeteilt werden. In der ersten Phase von 1945 bis 1946 wurden auf Grund der Befehle der SMAD Nr. 9 vom 21. Juli 1945 und Nr. 63 vom 26. Februar 1946 die Preise [S. 492]auf dem Niveau des Jahres 1944 gestoppt. Preisüberschreitungen wurden unter Strafe gestellt. Der Preisstopp in Verbindung mit einem Bezugsscheinsystem sollte Versorgungsschwierigkeiten mildern und anderen Mißständen Vorbeugen, da einem enormen Mangel an Gütern aller Art auf der einen Seite ein ins unermeßliche gewachsenes Geldvolumen auf der anderen Seite gegenüberstand.
Mit dem Übergang zur langfristigen zentralen Planung (Zweijahrplan 1949/50; 1. Fünfjahrplan 1951 bis 1955) wurde es unumgänglich, das bestehende Preissystem allmählich auf die Anforderungen einer höheren Ansprüchen genügenden Produktions- und finanziellen Planung umzustellen und auf die gegebenen Wirtschaftsbedingungen abzustimmen. Deshalb wurde in der zweiten Phase der P. von 1947 bis 1952 der allgemeine Preisstopp durch Ausnahmeregelungen gelockert. Auf der Grundlage des Befehls Nr. 337 der SMAD vom 9. 12. 1946 und der von den Preisbildungs- und -Überwachungsinstanzen erlassenen Kostenrechnungs- und Kalkulationsrichtlinien wurden einzelne neue Preise auf Kalkulationsbasis (sog. betriebsindividuelle Festpreise) genehmigt.
Der Beschluß des Ministerrates vom 6. 2. 1953 über die Grundsätze der P. (GBl. S. 393) leitete die dritte Phase ein. Sämtliche Preise sollten für das gesamte Wirtschaftsgebiet einheitlich neu festgelegt werden, wobei die Kalkulation der neuen Preise auf der Grundlage von durchschnittlichen Planselbstkosten der Industriezweige (bzw. der „gesellschaftlich notwendigen Selbstkosten“ pro Produkt) und normativer Gewinnsätze erfolgen sollte. Die neuen Preise sollten die Rentabilität jedes normal arbeitenden Betriebes gewährleisten und daher Subventionen an die sozialistische Wirtschaft möglichst überflüssig machen. Die Umrechnung der Preise für die Güter aller Zweige auf die neue Kalkulationsbasis nahm den Zeitraum bis Anfang der sechziger Jahre in Anspruch.
Im Gegensatz zu den 1953 verkündeten Grundsätzen für die Preispolitik wurden die Erzeugnisse der Grundstoffindustrie bei der Schaffung des neuen Festpreissystems in der Regel ausgenommen. Die Preise dieser Erzeugnisse änderte man bis zu der 1964 eingeleiteten Industriepreisreform nur wenig. Sie lagen deshalb auch nur gering über den Stopp-Preisen von 1944. Diese P. verlangte erhebliche Zuschüsse aus dem Staatshaushalt an die Grundstoffindustrie. Im Jahre 1964 begann mit der Einleitung der „Industriepreisreform“ die vierte Phase. Aus planungstechnischen Schwierigkeiten und infolge der beschränkten Planungskapazität der Preisinstanzen mit der damaligen „Regierungskommission für Preise“ an der Spitze (dem späteren Amt für Preise) wurde diese umfassende Revision des Preissystems in drei Etappen durchgeführt. Rechnet man die Vorbereitungszeit der Preisreform mit hinzu, so beanspruchte die Neufestsetzung der Planpreise und Preisrelationen rd. 5 Jahre (1963 bis 1967).
In den zwei Stufen der I. Etappe der Industriepreisreform am 1. April und 1. Juli 1964 wurden zunächst neue Preise für Grundstoffe (einschließlich chemischer Grundstoffe), Energieträger, einen Teil der metallurgischen und chemischen Erzeugnisse und jeweils dazu die Transporttarife für diese Güter festgesetzt. Die Preiskorrekturen wurden durch eine vorausgehende Neubewertung der Kapitalgüter (Grundmittel) und eine Neufestsetzung der Abschreibungssätze (Abschreibungen) ergänzt. Sämtliche Preise für diese Güter wurden erhöht und gegenüber der Zeit vor 1964 in stärkerem Maße nach der Qualität differenziert, um eine rationellere Verwendung der Faktoren zu erreichen und die bisherigen Subventionen an die betreffenden Industriezweige zu beseitigen.
Am 1. Jan. 1965 setzte die II. Etappe der Industriepreisreform mit der Bekanntgabe der inzwischen ermittelten Planpreise für die restlichen Grundstoffe, die Erzeugnisse der Metallindustrie und Rohstoffe und Warengruppen der Leichtindustrie (ausgenommen Fertigwaren der Konsumgüterindustrie) ein. Auch die Preise der II. Etappe wurden an die effektiven Durchschnittsherstellungskosten angenähert; was zum Teil schon deshalb erforderlich war, weil die vorangegangenen Kosten- und Preiserhöhungen während der I. Etappe in den Preisen der nachgelagerten Produktionsstufen zu berücksichtigen waren. Die neuen Preise für die Güter der III. Etappe sollten nach dem ursprünglichen Termin am 1. 1. 1966 in Kraft gesetzt werden. Der ungeheure Ermittlungsaufwand zur Feststellung der durchschnittlichen Herstellungskosten der Güter unter Berücksichtigung der Preisverflechtungen führte dann zu einer Verzögerung bei der Neuberechnung der Güterpreise für die letzte Etappe um ein Jahr. Mit der Inkraftsetzung der neuen Planpreise für die Gütergruppen der III. Etappe sollte die allgemeine Neuordnung des Preissystems in der „DDR“ vorerst abgeschlossen werden. In der III. Etappe wurden vorwiegend neue Preise für Halb- und Fertigwaren der Industrie mit Ausnahme derjenigen für industrielle Konsumgüter ermittelt und für verbindlich erklärt. Vor allem für die Zweige Maschinenbau, elektrotechnische und elektronische Industrie und die Leichtindustrie wurden neue Preise festgesetzt. Die Nahrungs- und Genußmittelindustrie erhielt überarbeitete Preise für ihre Rohstoffe. Erhebliche Preisrevisionen wurden auch für die Bau- und Projektierungsleistungen und für Baumaterialien vorgenommen, soweit nicht für diese bereits in der II. Etappe neue Planpreise ermittelt worden waren. Für die Beförderung dieser Industriegüter und Baumaterialien gaben die Preisbehörden neue Transporttarife heraus. Die mit der allgemeinen Preisrevision verbundenen komplizierten Probleme für die Planung, Leitung und das Rechnungswesen der Wirtschaftsbehörden, VEB, Kombinate und VVB veranlaßten Wirtschaftsführung und Preisbehörden dazu, die neuen Planpreise erst nach und nach (oftmals getrennt nach Anbietern und Abnehmern) wirksam werden zu lassen. Finanzielle Einbußen hierdurch wurden den Wirtschaftseinheiten teilweise durch Haushaltszuschüsse ersetzt.
Zu den durchgängig verfolgten Leitprinzipien der Industriepreisreform gehörte, daß die Preisrevisionen keine Auswirkungen auf das Konsumgüterpreisniveau haben durften und auch die Landwirtschaft gegen die Einflüsse der Reform abgeschirmt werden muß. Tatsächlich ist es der Wirtschaftsführung auch durch rigorose Preiskontrollen gelungen, spontane Überwälzungen der Preiserhöhungen auf die Konsumgüter[S. 493]preise und die Einkaufspreise der landwirtschaftlichen Produzenten zu unterbinden. Diese P. hatte natürlich eine teilweise Verlagerung der Subventionen von der Grundstoffindustrie und anderen Wirtschaftsbereichen zu der Konsumgüterfertigindustrie zur Folge.
Die Durchführung der Industriepreisreform war abgesehen von grundlegenden Mängeln von vornherein mit dem Fehler behaftet, daß in die für die Preisbildung kalkulationsfähigen Kostenarten nicht die „Kapitalkosten“ (z. B. die Produktionsfondsabgabe) eingerechnet werden durften. Ideologische Hemmnisse standen der Verwendung dieses ökonomisch zutreffenden Kalkulationsverfahrens entgegen. Daher sind auch nach dem Abschluß der Preisrevisionen Anfang 1967 insbesondere die Güter aus kapitalintensiven Betrieben preislich unterbewertet, was zu einer Verschwendung dieser Erzeugnisse in den nachgelagerten Produktionsstufen führt.
Nachdem die SU in den Jahren 1966 bis 1961 in ähnlicher Weise wie die „DDR“ eine allgemeine Preisreform durchgeführt hat, dort aber mit Hilfe der Einrechnung differenzierter, auf das eingesetzte Kapital bezogener Gewinnsätze in die Preise die Kapitalintensität der Produktionszweige in etwa berücksichtigt wurde, sollen nun auch in der „DDR“ wieder Revisionen der gerade verabschiedeten Planpreise vorgenommen werden. Damit geht die „DDR“ von einem „Kosten- und Wertpreissystem“ allmählich zu einem „Produktionspreissystem“ (bzw. zu „fondsbezogenen Preisen“) über. Nach der Ermittlung neuer „fondsbezogener“ Preise sollen zunächst für die Erzeugnisse der Schwarzmetallurgie am 1. 1. 1969 die solcherart revidierten Planpreise in Kraft gesetzt werden. (Einzelhandelsverkaufspreise, Finanzkontrolle, Industrieabgabepreis, Produktions- und Dienstleistungsabgabe, Selbstkosten)
Literaturangaben
- Kitsche, Adalbert: Die öffentlichen Finanzen im Wirtschaftssystem der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. (BMG) 1954. 68 S. m. 1 Anlage.
- Kitsche, Adalbert: Das Steuersystem in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Gelsenkirchen 1960, Buersche Druckerei Dr. Neufang. 187 S. m. zahlr. Tab.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 491–493
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