DDR von A-Z, Band 1969

Rückkehrer (1969)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979


 

Das SED-Regime hat jahrelang große Anstrengungen unternommen, Flüchtlinge zur Rückkehr in die „DDR“ zu veranlassen. Übersiedler aus Westdeutschland und R. gehörten bis Herbst 1966 zu den ständigen Themen der SED-Publizistik. Den seit 1963 in der Propaganda als „DDR-Bürger in Westdeutschland“ bezeichneten und seit dem Staatsbürgerschaftsgesetz vom 20. 2. 1967 offiziell als „Bürger der DDR“ in Anspruch genommenen Flüchtlingen (Staatsbürgerschaft) ist durch Erlaß des Staatsrates vom 21. 8. 1963 (GBl. I, S. 128) ausdrücklich das Recht zugesichert worden, jederzeit ihren Wohnsitz in der „DDR“ zu nehmen, solange ihnen nicht „wegen grober Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten“ die Staatsbürgerschaft aberkannt worden sei. Vor dem 13. 8. 1961 geflüchteten Personen ist für „diese Gesetzesverletzung“ Straffreiheit zugesichert worden (Republikflucht). Diese Zusage wird im allgemeinen eingehalten. Wenn im Einzelfall dennoch eine Bestrafung des R. aus politischen Gründen für notwendig gehalten wird, insbesondere bei früheren Staats- oder Parteifunktionären oder Angehörigen der bewaffneten Kräfte, werden vor der Flucht angeblich begangene Straftaten oder die Meldung im westlichen Notaufnahmelager, die dann als Spionage oder Hetze bezeichnet wird, als Vorwand für ein Strafverfahren benutzt. Wie die Umsiedler werden die R. zunächst in sogenannte Aufnahmeheime eingewiesen, in denen sie eingehend überprüft werden. Hierbei ist vor allem der Staatssicherheitsdienst eingeschaltet, der viele der unter dem Druck einer möglichen Bestrafung stehenden R. zu Spitzeldiensten zu nötigen sucht (Spitzelwesen).

 

Seit 1967 werden immer mehr R. schon während ihres Aufenthaltes im Aufnahmeheim oder nach gescheiterten Versuchen, wieder in den Westen zu flüchten, unter Aberkennung der „DDR-Staatsbürgerschaft“ wieder in die BRD abgeschoben. Genaue Zahlenangaben über R. fehlen. Das „Jahrbuch der DDR 1960“ nannte für 1959 die Zahl von 41.580 zurückgekehrten Flüchtlingen. Die späteren ungenauen und übertriebenen Zahlen der SED-Propaganda ließen bis Ende 1966 einen Rückgang auf etwa 400 R. im Monat erkennen. Seitdem sind es noch weniger geworden.

 

Die Motive für die Rückkehr sind recht unterschiedlich. Neben enttäuschten Erwartungen hinsichtlich der Lebensbedingungen im Westen spielen Heimweh, Trennung von Angehörigen und Freunden und mangelnde menschliche Kontakte in der neuon Umgebung eine große Rolle. Vielfach sind wirtschaftliche Gründe, oft Schulden aus Abzahlungsgeschäften, manchmal auch strafbare Handlungen der Anlaß zur Rückkehr.


 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 537


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.