
Selbstkosten (1969)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979 1985
Nach der Definition der Politökonomie in der „DDR“ sind S. abweichend von der Begriffsbestimmung der westlichen Betriebswirtschaftslehre die in Geld ausgedrückten Aufwendungen des Betriebes an verbrauchten Produktionsmitteln (Abschreibungen und Materialverbrauch) und an Löhnen für die Herstellung und den Absatz der Erzeugnisse, vermehrt um die Gemeinkosten für die Leitung, Planung, Abrechnung, Kontrolle und die Sicherung des Betriebes. Eine Unterscheidung zwischen Kosten und Geldausgaben kennt das mitteldeutsche Rechnungswesen nicht.
Das Rechnungswesen als Instrument der staatlichen Wirtschaftslenkung bestimmt nicht den gesamten tatsächlichen Güter- und Dienstverkehr zur Erstellung von Leistungen als S., sondern nur denjenigen Teil, der betriebsextern durch die zuständige Wirtschaftsbehörde (Ministerium der Finanzen) dazu ausersehen und normativ als Kosten anerkannt worden ist.
Der Ausgangspunkt für die S.-Erfassung sind in der sozialistischen (sowjetischen) Zentralplanwirtschaft daher die „gesellschaftlich notwendigen Produktionskosten“ für die Erstellung von Leistungen. Die „gesellschaftlich notwendigen S.“ erscheinen als durchschnittliche S. für eine in der Volkswirtschaft hergestellte Einheit einer Erzeugnis- oder Leistungsart. Sie werden häufig als eine Durchschnittsgröße im Bereich der Betriebe einer VVB ermittelt. Die von den Wirtschaftsbehörden (Ministerium der Finanzen, Amt für Preise) anerkannten durchschnittlichen S. sind die Ausgangsgröße für die Bestimmung der Fest- oder Planpreise (Wertpreisbildung, Preissystem). Von den „gesellschaftlich notwendigen S.“ sind die „betriebsnotwendigen S.“, die individuellen S. und die Plan- und/oder Istkosten zu unterscheiden. Die „betrieblich notwendigen S.“ sind ebenfalls eine normative Kostengröße. Sie berücksichtigen die spezifischen Produktionsbedingungen eines bestimmten Betriebes, wobei ein reibungsloser Produktions- und Zirkulationsprozeß vorausgesetzt wird. In der Regel werden daher die „betrieblich notwendigen S.“ durch die geplanten betrieblich notwendigen S. ausgedrückt. Die „betrieblich notwendigen S.“ werden ebenfalls zur Grundlage der Festsetzung von Betriebs- und Industrieabgabepreisen gemacht, und zwar dienen sie der Bestimmung der betriebsindividuellen Kalkulationspreise.
Die individuellen S. sind die in einem Betrieb für eine Periode geplanten und/oder effektiv angefallenen Kosten. Diese Kostenerfassung spiegelt nicht die unter idealen Produktions- und Zirkulationsbedingungen angenommenen Normkosten wider, sondern sie gibt die S. an, die bei gegebenen Standortbedingungen, technischem Ausrüstungsstand, Qualifikation der Betriebsorganisation und der Belegschaft entstanden sind. Dennoch bleiben auch die individuellen S. z. B. bei einer Ist-Kostenermittlung „normative“ Kosten, da die gültige S.-Definition von vornherein bestimmte Kostenelemente aus der Betrachtung ausschließt. So wird in der „DDR“ der Aufwand vorwiegend als Mengengröße und nicht auch als Wertgröße gesehen. Demnach werden in der mitteldeutschen Kostenrechnung kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen, Wagnisse, Risiken usw. nicht oder nur in einem behördlich begrenzten Umfang berücksichtigt (vgl. die Anordnung über die Planung und Verwendung des Handelsrisikos vom 11. 10. 1967, GBl. III, S. 85).
Steuern, wie z. B. die Produktions- und Dienstleistungsabgabe, gelten ebenfalls nicht als Kostenbestandteile und werden daher im betrieblichen Rechnungswesen als Durchlaufposten behandelt. Da der Kostenbegriff der Politökonomie in hohem Maße technologisch bestimmt wird, weist man es in der „DDR“ auch als Besonderheit aus, daß heute zwecks besserer Messung der Wirtschaftlichkeit im Gegensatz zu früheren Etappen des Rechnungswesens auch Aufwendungen in die S. einbezogen werden, die im Sinne der technologisch bestimmten Kostendefinition eigentlich bereits eine „Verwendung von Reineinkommensbestandteilen“ darstellen, wie z. B. die zu zahlenden Bankzinsen, bestimmte Sozialausgaben und Vertragsstrafen. Ein erheblicher Unterschied besteht zwischen der Ist-Kostenrechnung z. B. zur Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnung eines Betriebes bei Jahres- oder Quartalsabschluß und der Plan-Kostenrechnung insbesondere zum Zwecke der Preiserstellung. Zwar hat auch die Ist-Kostenrechnung auf Grund des besonderen politökonomischen Kostenbegriffs einen „normativen“ Charakter, dennoch ist dieser bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei der Plan-Kostenrechnung zur Bildung der Industrieabgabepreise. In besonderer Weise offenbarte sich dieser „normative“ Charakter in dem in der S.-VO vom 12. 7. 1962 (GBl. II, S. 445) festgelegten Verfahren der Plankostenermittlung und Preiskalkulation. In der VO wurde bei der Verrechnung der Kosten unterschieden a) in planbare und für die Zwecke der Preisbildung kalkulierbare Kosten, b) in planbare, jedoch für die Preisplanung nicht kalkulierbare Kosten und c) in nicht planbare und nicht kalkulierbare Kosten. Auf Grund dieser vorgeschriebenen Aussonderung von Kostenelementen bei der Preiskalkulation ist es möglich, daß durch den Verkauf von Erzeugnissen zu den auf Grund dieses Kalkulationsverfahrens zustandegekommenen Preisen unter Umständen ein Teil der den Betrieben bei der Produktion effektiv entstandenen Kosten durch die erzielten Erlöse nicht gedeckt wird.
Die S.-VO von 1962 wurde am 9. 11. 1967 (GBl. II, S. 757) aufgehoben.
Ihre Vorschriften wurden sinngemäß von anderen VO übernommen. Die Grundsätze und Praktiken der Plan- und Ist-Kostenrechnung und Preiskalkulation änderten sich nicht wesentlich. Ziel der S.-Planung (als Teilbereich der Finanzplanung) ist die S.-Senkung. Bis 1967 erhielten die VEB durch die Planbehörden S.-Senkungsauf[S. 559]lagen zwecks Erhöhung der Rentabilität verbindlich vorgeschrieben. Da der verlangte Prozentsatz der S.-Senkung den Betrieben ohne die erforderliche Berücksichtigung der individuellen Produktionsbedingungen der Werke oktroyiert wurde, sind diese Auflagen in den meisten Fällen nicht realisiert worden. Vom Wirtschaftsjahr 1967 an hat man deshalb dieses Verfahren der befehlswirtschaftlichen Erzwingung einer höheren Wirtschaftlichkeit aufgegeben. Nunmehr müssen die VEB und die VVB die ihnen voraussichtlich möglichen S.-Senkungen selbst ermitteln, die dann nach Bestätigung durch die zuständigen Planbehörden für die Wirtschaftseinheiten verpflichtendes Planziel werden. Durch die auch nach der Wirtschaftsreform beibehaltene „normative“ Kostenrechnung bleiben in der mitteldeutschen Wirtschaft zwei Größen sehr problematisch, denen als Leistungsmaßstab und Lenkungsinstrument im „eigentlichen wirtschaftlichen System des Sozialismus“, wie das mitteldeutsche Wirtschaftssystem ab 1966 genannt wird, eine zentrale Bedeutung zukommt, nämlich dem Gewinn und den Preisen. (Grundmittel, Abschreibungen, Arbeitsnormen, Arbeitsproduktivität, Rechnungswesen, Preispolitik)
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 558–559
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