Sozialfürsorge (1969)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979 1985
Rechtsgrundlage ist seit dem 1. 7. 1968 die VO über die Allgemeine S. vom 15. 3. 1968 (GBl. II, S. 167). (Bis 31. 3. 1956 galt die VO vom 22. 4. 1947, erlassen aufgrund des Befehls Nr. 92 der SMAD, bis zum 30. 6. 1968 galt die VO über die Allgemeine S. vom 23. 2. 1956 [GBl. I, S. 233].)
Leistungen der S. (S.-Unterstützung) erhalten hilfsbedürftige Personen, die den notwendigen Lebensunterhalt für sich und ihre hilfsbedürftigen unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht verdienen können, über kein verwertbares Vermögen oder Einkommen aus Vermögen verfügen und keine ausreichenden Mittel von anderer Seite erhalten oder erhalten können. Hilfsbedürftig ist nicht, wer arbeitsfähig ist und eine zumutbare Arbeit ablehnt.
Nach der Ersten DB zur VO über die Allgemeine S. vom 25. 3. 1968 (GBl. II, S. 172) gelten folgende Personen als hilfsbedürftig:
a) Frauen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, und Männer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben,
b) Personen, deren Invalidität oder Arbeitsunfähigkeit durch einen vom Rat des Kreises, Abt. Gesundheits- und Sozialwesen, beauftragten Arzt bestätigt worden ist,
c) Frauen mit mindestens 1 Kind im Alter bis zu 3 Jahren oder mindestens 2 Kindern unter 8 Jahren, die deshalb nicht sofort ein Arbeitsrechtsverhältnis eingehen können, weil die Kinder nicht durch Familienangehörige, in einer Kinderkrippe, einem Kindergarten oder einer sonstigen Kindereinrichtung bzw. durch dritte Personen betreut werden können,
d) Personen, die einen ständig der Pflege bedürftigen Angehörigen betreuen müssen,
e) Personen, die aus anderen Gründen für kurze oder längere Zeit nachweisbar nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt durch Arbeitseinkommen oder aus anderen Einkünften zu bestreiten.
Die S. soll nicht „karitativ“, sondern „produktiv“ wirken. Sie soll sich grundsätzlich vom Begriff der „Wohlfahrtspflege“ unterscheiden („Arbeit und S.“, 1951, S. 237). Deshalb haben sich nach § 1, Abs. 2 der Ersten DB die hilfsbedürftigen Personen intensiv um die Aufnahme einer geeigneten Arbeit und die Schaffung der Voraussetzungen hierfür zu bemühen.
Die Leistungen der Allgemeinen S. können in folgenden Unterstützungen bestehen:
a) Hauptunterstützung für Hilfsbedürftige,
b) Mitunterstützung für hilfsbedürftige unterhaltsberechtigte Haushaltsangehörige,
c) Mietbeihilfe, d) Pflegegeld, e) Blindengeld bzw. Sonderpflegegeld, f) Beihilfen für Tuberkulose-, Geschwulst- und Zuckerkranke und Sonderbeihilfen für den Kauf zusätzlicher Lebensmittel, g) staatlicher Kinderzuschlag bzw. staatliches Kindergeld, h) Zuschläge gemäß Rentenzuschlagsverordnung für Personen, die von unterhaltsverpflichteten Angehörigen unterhalten werden, i) Taschengeld bei Krankenhausaufenthalt, k) einmalige Beihilfen, 1) Sachleistungen entsprechend den für die Sozialversicherung geltenden Bestimmungen, m) Bestattungskosten.
Die Barunterstützungen betragen für den Hauptunterstützungsempfänger seit dem 1. 7. 1968 110,– M (vorher 85,– M), für einen mitunterstützten Erwachsenen (Ehegatte und andere Personen) 50,– M (zuvor 30,– M) und für ein mitunterstütztes Kind 40,– M (zuvor 35,– M). Ein seit dem 1. 6. 1958 gewährter Zuschlag in Höhe von 9,– M entfiel mit dem 1. 7. 1968.
Die Mietbeihilfe wird nach Ortsklasse und Zahl der unterstützten Familienangehörigen gestaffelt mit Beträgen von 25,– M bis 40,– M gewährt.
Die S. wird durch die Räte der Gemeinden (Referat S. in der Abt. Gesundheits- und Sozialwesen) gewährt. Die S. untersteht dem Ministerium für Gesundheitswesen, Hauptabt. Sozialwesen. Die Referate S. entscheiden über die Hilfsbedürftigkeit. Sie werden dabei von ständigen Kommissionen für Gesundheitswesen und S. unterstützt. Gegen die Ablehnung eines Antrages auf S. ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, das innerhalb von 2 Wochen beim Hauptreferat S. in der Abt. Arbeit und Berufsausbildung des Bezirks eingelegt werden muß. Dieses hat über die Beschwerde innerhalb 2 Wochen zu entscheiden.
Das Referat S. betreut außer den Unterstützungsempfängern die Insassen von Alters-, Pflege- und Siechen- sowie Blindenheimen, für die ganz oder teilweise die Kosten der Heimaufnahme von den Angehörigen nicht getragen werden können.
Die Bewohner der Heime erhalten neben Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung ein geringes monatliches Taschengeld. Auch die Betreuung der Haftentlassenen gehört zum Aufgabengebiet des Referats. Prak[S. 564]tisch geschieht in dieser Beziehung sehr wenig. Die S. zahlt ferner an Arbeitslose Differenzbeträge bis zur Höhe der Fürsorgesätze. (Arbeitslosenversicherung)
Literaturangaben
- Mampel, Siegfried: Das System der sozialen Leistungen in Mitteldeutschland und in Ost-Berlin (BB) 1961. Teil I (Text) 150 S., Teil II (Anlagen) 142 S.
- Mampel, Siegfried: Sozialpolitik in Mitteldeutschland (Sozialpolitik in Deutschland, H. 48, hrsg. v. Bundesmin. f. Arbeit …). Stuttgart usw. 1961, Kohlhammer. 87 S.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 563–564
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