
Staatliches Vertragsgericht (1969)
Siehe auch:
Das durch VO vom 6. 12. 1951 (GBl. S. 1143) geschaffene V. hat im April 1952 seine Tätigkeit aufgenommen. Aufbau und Verfahren sind aber erst durch die V.-Ordnung und die V.-Verfahrensordnung vom 22. 1. 1959 (GBl. I, S. 83 u. 86) geregelt worden. Diese beiden Ordnungen sind durch die am 1. 7. 1963 in Kraft getretene „VO über die Aufgaben und die Arbeitsweise des StV. vom 18. 4. 1963 (GBl. II, S. 293), geändert durch VO vom 9. 9. 1965 (GBl. II, S. 711), ersetzt worden.
Das StV. ist kein Gericht, sondern ein zentrales staatliches Organ, das dem Ministerrat unterstellt und rechenschaftspflichtig ist. Dessen Vors. übt die Dienstaufsicht aus. Das StV. wird vom Vors. des StV. (seit Sept. 1967 Dr. Gerhard Walter) geleitet. Es gliedert sich in das zentrale V. und in die V. in den Bezirken und in Ost-Berlin (Bezirks-V.).
[S. 598]Die Tätigkeit des StV. wird durch Arbeitspläne geregelt, die nach „politisch-ökonomischen Schwerpunkten“ aufzustellen sind. Es hat „die Betriebe und wirtschaftsleitende Organe bei der eigenverantwortlichen und bewußten Anwendung des Vertragssystems zu unterstützen und zur Lösung der bei der Vorbereitung und Durchführung der staatlichen Wirtschaftspläne und den zwischenbetrieblichen Beziehungen auftretenden Widersprüche beizutragen“. Das StV. ist zuständig für die Entscheidung sämtlicher Streitfälle bei der Gestaltung und Erfüllung von Wirtschaftsverträgen im Rahmen des Vertragssystems (Vertragsgesetz). Es ist zuständig für alle anderen vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen sozialistischen Betrieben (sozialistische Wirtschaft), sozialistischen Genossenschaften, staatlichen Organen, gesellschaftlichen Organisationen und Betrieben mit staatlicher Beteiligung (halbstaatliche Betriebe).
Über diese Streitfälle entscheidet das StV. in Schiedsverfahren. Auch ohne Antrag eines der Beteiligten ist vom StV. ein Verfahren einzuleiten, wenn Wirtschaftsverträge zur Sicherung volkswirtschaftlich bedeutsamer Aufgaben nicht oder nicht rechtzeitig abgeschlossen werden, durch einseitiges betriebliches Verhalten gesamtvolkswirtschaftliche Interessen bei der Gestaltung und Durchführung von zwischenbetrieblichen Kooperationsbeziehungen beeinträchtigt werden oder pflichtwidriges Unterlassen der Berechnung von Vertragsstrafe und anderen Sanktionen zu einer Störung des Wirkens der ökonomischen Hebel in den zwischenbetrieblichen Beziehungen führt.
Handlungen oder Leistungen können vom StV. durch Festsetzung eines Zwangsgeldes bis zu 50.000 M erzwungen werden. Die Beitreibung von Geldforderungen erfolgt gegenüber sozialistischen Betrieben durch Abbuchung vom Konto des Schuldners. Zur Vollstreckung in das Bankguthaben oder in eine andere Forderung eines nichtsozialistischen Betriebes oder eines mit seinem persönlichen Vermögen haftenden Inhabers oder Gesellschafters erläßt das StV. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß. Vertragsstrafen kann das StV. zugunsten des Staatshaushalts einziehen, wenn ihre Durchsetzung durch den Berechtigten nicht mehr möglich oder pflichtwidrig unterlassen oder verzögert worden ist. Gegen Leiter und leitende Mitarbeiter eines Betriebes kann das StV. bei Verletzung der Vertragsdisziplin Ordnungsstrafen bis zu 1.000 M verhängen.
Gegen Schiedssprüche der Bezirks-V. können die Beteiligten und ihre übergeordneten Organe beim Vors. des StV. Einspruch einlegen. Dieser hat ein Nachprüfungsverfahren anzuordnen, wenn der Schiedsspruch „den im sozialistischen Recht enthaltenen Grundsätzen der Wirtschaftspolitik widerspricht und dem betroffenen Partner schwerwiegende Nachteile entstehen“. Gibt der Vors. dem Einspruch nicht statt, so hat er dem Antragsteller die Gründe der Ablehnung schriftlich mitzuteilen. Der Vors. des Ministerrats kann den Vors. des StV. zur Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens anweisen. Außerdem können der Vors. des Landwirtschaftsrats, die Minister und die Staatssekretäre mit eigenem Geschäftsbereich sowie die Leiter zentraler gesellschaftlicher Organisationen innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung der Entscheidung beim Vors. des StV. die Anordnung eines Nachprüfungsverfahrens verlangen, soweit durch die Entscheidung Betriebe und Einrichtungen ihrer Bereiche betroffen sind. Das Nachprüfungsverfahren kann der Vors. des StV. selbst oder eine von ihm eingesetzte Nachprüfungskommission ohne mündliche Verhandlung durchführen. In den Verfahren vor dem StV. können sich die Partner durch einen Rechtsanwalt, der Mitglied eines Anwaltskollegiums ist (Rechtsanwaltschaft), vertreten lassen.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 597–598
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