
Wasserwirtschaft (1969)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979 1985
Wirtschaftszweig, der für die Bereitstellung und die Verteilung der Wasservorkommen an die Bedarfsträger zuständig ist. Zu seinem Aufgabengebiet gehören auch die Verhütung von Wasserschäden und die schadlose Ableitung von Wasser.
Der jährliche Wasserbedarf Mitteldeutschlands beträgt gegenwärtig etwa 5 Mrd. cbm. Das Wasserdargebot beträgt in Trockenjahren etwa 6 Mrd. cbm. Daraus ergeben sich die Hauptaufgaben der W.: 1. Erhöhung des Dargebotes durch Erweiterung des Netzes von Talsperren und Rückhaltebecken.
2. Beobachtung der Wasserbedarfsentwicklung der Bevölkerung, der Industrie und der Landwirtschaft und Aufstellung territorialer Wasserhaushaltsbilanzen.
3. Intensivierung der Abwasserreinigung zur Gewährleistung der schnellen Wasserwiederbenutzung.
Die zentrale Leitung der W. erfolgt durch das Amt für Wasserwirtschaft, das dem Ministerrat direkt unterstellt ist. Nach Auflösung der früheren etwa 3.500 regionalen Wasser- und Bodenverbände wurde 1952 eine zentralistische Neugliederung der Organisation der W. verfügt. Man legte 6 Großeinzugsgebiete fest, in denen je ein „VEB Wasserwirtschaft“ für Wasserversorgung, Kanalisation, Vorflut- und Abwasserregelung sowie für Wasserhygiene zuständig ist. Die Verwaltungsspitze ist das Zentrale Amt für W., Sitz Berlin. Anfang 1964 wurden diese VEB zusammengefaßt in einer neu errichteten „Vereinigung Volkseigener Betriebe Wasserversorgung und Abwasserbehandlung“, Sitz Potsdam. Der Organisation der W. unterstehen 74.000 km Wasserläufe, 1.520 km Deiche und 75 Talsperren und Staubecken mit zusammen 850 Mill. cbm Stauinhalt.
Als Folge des durch überhöhten Holzeinschlag verursachten Absinkens des Grundwasserspiegels, aber auch durch die erhebliche Zunahme des Wasserbedarfs der Industrie und des Bergbaus traten in den Nachkriegsjahren in der „DDR“ sehr fühlbare Wasserversorgungsschwierigkeiten auf. Etwa 80 v. H. des Wasseraufkommens werden als Brauchwasser von der Industrie benötigt, je 10 v. H. von der Landwirtschaft und der Bevölkerung verbraucht. Man stellte 1951 fest, daß zur Erfüllung der hochgesteckten Planziele in Industrie und Landwirtschaft eine 75proz. Steigerung der Wasservorratshaltung erforderlich ist.
Das erste größere wasserwirtschaftliche Bauvorhaben war die Errichtung der „Sosa-Talsperre“ im Erzgebirge, die 1953 fertiggestellt wurde. Sie dient mit ihrem Fassungsvermögen von maximal 6 Mill. cbm der Sicherstellung des Wasserbedarfs für den sowjet. Uranbergbau im Erzgebirge. Das zweite und bisher größte Projekt war der 1952 in Angriff genommene und im Okt. 1959 fertiggestellte Bau der „Rapp-Bode-Talsperre“ bei Blankenburg im Harz. Sie kann 110 Mill. cbm Wasser speichern und ist damit der viertgrößte Wasserspeicher in Gesamtdeutschland. Durch sie wird die Wasserversorgung für die Industrie, die Landwirtschaft und für 2 Mill. Menschen im Raum Halle-Magdeburg sichergestellt.
Das dritte große Vorhaben war der Bau der Talsperre Pöhl im Vogtland in den Jahren 1958–1965. Diese Talsperre hat ein Fassungsvermögen von 64 Mill. cbm. Ein viertes großes Vorhaben ist noch weitgehend Projekt: der Bau eines großen mitteldeutschen Verbundnetzes mit dem Namen „Elbaue-Projekt“, der 1955 in Angriff genommen wurde. Das mitteldeutsche Industriegebiet um Halle und Leipzig liegt im Regenschatten des Harzes und erhält daher nicht ausreichend Niederschläge. Rohrleitungen von 480 km Länge sollen Wittenberg–Bitterfeld umschließen und den Industriebetrieben täglich zusätzlich 200.000 cbm Wasser zuführen. Weitere Projekte sind u.a.: drei Talsperren im Thüringer Wald, eine Talsperre im Südharz und 15 Rückhaltebecken im Unstrutgebiet.
Seit 1945 ist der Stauraum Mitteldeutschlands um 310 Mill. cbm ergänzt worden. Bis 1970 soll er um weitere 140 Mill. cbm vergrößert werden. Dieses Ziel sollte nach früheren Plänen schon 1965 erreicht sein. Nach Meinung von Fachleuten der „DDR“ sollen alle vorliegenden Pläne nicht ausreichen, um den zu erwartenden Bedarf der Industrie sicherzustellen. — Erhebliche Schwierigkeiten macht auch das Problem der Regenerierung und Wiederverwendung der in immer größeren Mengen anfallenden Abwässer der Industrie, besonders der Chemischen Industrie, wofür nur unzureichend Investitionsmittel bereitgestellt werden. Gegenwärtig werden noch 75 v. H. der industriellen Brauchwässer ungenügend regeneriert wieder in die Flüsse, Seen und Grundwässer eingespeist.
Die Bevölkerung in den Bezirken der „DDR“ ist in unterschiedlichem Umfange an zentrale Wasserversorgungs- und Abwässeranlagen angeschlossen. Bei einem Durchschnitt von 78 v. H. sind die südlichen Bezirke mit 95 v. H. besser, die nördlichen Bezirke mit höchstens 60 v. H. schlechter versorgt. Bis 1970 soll der Durchschnitt auf 83 v. H. erhöht werden. Zur Erzeugung von Elektroenergie dient die Wasserkraft nur in geringem Umfange: nur knapp 2 v. H. der Elektroenergie (Energiewirtschaft) wird in Wasserkraftwerken erzeugt. Zum Ausgleich der Belastungsspitzen in einigen Stunden des Tages sind die Wasserkraftwerke jedoch von Bedeutung.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 702