
Zentralkomitee der SED (ZK) (1969)
1. Entwicklung, politische und soziale Zusammensetzung
Die Umbenennung des früheren Parteivorstandes der SED in ZK im Juli 1950 erfolgte im Zuge der Angleichung der Struktur der SED an die der KPdSU. Der bis Juli 1950 als höchstes Organ amtierende Parteivorstand zählte 80 Mitglieder. Das danach gebildete ZK zeigte nach Anzahl seiner Angehörigen folgende Entwicklung:
Während der auf dem Vereinigungsparteitag 1946 (SED) gebildete Parteivorstand eine paritätische Zusammensetzung aus ehemaligen SPD- und KPD-Mitgliedern aufwies, sind in dem im April 1967 gewählten ZK nur noch 4 ehemalige Sozialdemokraten vertreten. Die Anzahl der ehemaligen Mitglieder der NSDAP beträgt unter den ZK-Mitgliedern sechs, unter den Kandidaten sieben. Bei zwei Kandidaten des ZK steht die ehemalige Zugehörigkeit zur NSDAP nicht mit voller Sicherheit fest. Nach dem tatsächlich ausgeübten Beruf der Mitglieder und Kandidaten weist das ZK die folgende soziale Gliederung auf:
Mit der Neubildung des ZK auf dem VII. Parteitag war entgegen vielfach geäußerten Ansichten eine Verjüngung nicht verbunden. Das Durchschnittsalter der Mitglieder und Kandidaten des ZK lag 1963 im Zeitpunkt der Wahl bei 45 Jahren und 1967 bei 48 Jahren. Gleichzeitig wurde die bereits auf dem VI. Parteitag erkennbare Tendenz fortgesetzt, Fachleute aus Wirtschaft, Wirtschaftsverwaltung sowie Wissenschaft und Technik hereinzunehmen und so die Arbeit und Entscheidungen der obersten Führungsgremien fachlich ausreichend zu fundieren.
Neben den Fachkräften aus dem wirtschaftlichen Bereich rückte eine beträchtliche Zahl von Parteiideologen und Propagandisten und solcher Funktionäre in das ZK ein, die sich in der zurückliegenden Zeit um den von der SED verfolgten Kurs der Außen- und Deutschlandpolitik sowie die ideologische Erziehung besonders verdient gemacht hatten. Man wird nicht fehlgehen, hierin die Ausbildung eines Gegengewichtes gegen die zahlenmäßig verstärkte Beteiligung der Wirtschaftsfachleute an der Arbeit des ZK zu sehen.
Und schließlich wurde eine erhebliche Anzahl hauptamtlicher Funktionäre des Parteiapparates in das ZK gewählt. Dabei ist besonders hervorzuheben, daß jetzt sämtliche Ersten Sekretäre der 15 SED-Bezirksleitungen Mitglieder des ZK sind. Der 1. Sekretär der Gebietsleitung „Wismut“ ist Kandidat des ZK.
2. Funktion des ZK, Politbüro und Sekretariat
Das ZK ist lt. Statut „zwischen den Parteitagen das höchste Organ der Partei“. Es wählt das Politbüro, das Sekretariat des ZK der SED und die Zentrale Parteikontrollkommission. Nach dem auf dem VI. Parteitag angenommenen neuen Statut tagt es „mindestens einmal in sechs Monaten“ (früher alle vier Monate). Gemäß Statut soll das ZK die Vertreter der Partei in die leitenden Stellen des Staatsapparates und der Wirtschaft entsenden und ihre Kandidaten für die Volkskammer bestätigen. Die eigentliche Parteiführung und politische Macht liegen jedoch nicht bei diesem, lediglich vorgefaßte Beschlüsse annehmenden, repräsentativen erweiterten Vorstand, sondern in den Händen des Politbüros, des Sekretariats und der nicht gewählten Abteilungsleiter und Mitarbeiter des ZK. Dennoch ist das ZK keineswegs nur Deklamations- und Akklamationsorgan. Viele der gewählten Angehörigen des ZK sind auch Mitglieder von Arbeitsgruppen und Kommissionen des ZK oder bekleiden wichtige Funktionen im Regierungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsapparat oder in gesellschaftlichen Organisationen, sind also auf diese Weise an der Arbeit des Apparates und am Zustandekommen der Beschlüsse der Parteiführung beteiligt. Die Sitzungen des ZK haben den Charakter von Arbeitstagungen, in deren Rahmen das Politbüro die von ihm ausgearbeitete jeweilige „Parteilinie“ zum Beschluß erheben läßt und ein Erfahrungsaustausch der Funktionäre über Erfolge und Schwierigkeiten stattfindet.
Zu bestimmten Zwecken werden Kommissionen gegründet. Diesen Kommissionen gehören sowohl die jeweils zuständigen Mitgl. und Kandidaten des ZK als auch Mitarbeiter des ZK-Apparates und Fachleute aus dem Staatsapparat, den Massenorganisationen und anderen Institutionen an.
Politbüro und Sekretariat des ZK sind die obersten politischen Führungsorgane. Sie stellen innerhalb der von der sowjetischen Besatzungsmacht abgesteckten Grenzen die eigentlichen Macht- und Befehlszentren dar. Die Tendenzen bei der Neubildung der obersten Führungsorgane der SED auf dem VI. und VII. Parteitag liefen auf Festigung der Position Ulbrichts, Verstärkung des Einflusses der Ulbricht-Gruppe, verstärkten Einfluß der Fachleute und Nachrücken der jüngeren Generation hinaus.
Mit der Neubildung des Politbüros und [S. 747]Sekretariats nach dem VII. Parteitag ließen sich die gleichen Tendenzen wie bei der Neuwahl des ZK beobachten. Mit der Wahl zum Vollmitglied des Politbüros setzte der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED Halle, Sindermann, seinen Aufstieg in der obersten Partei-Hierarchie fort. Die Wahl des Leiters des Preisamtes, Halbritter, und des Staatssekretärs für die Datenverarbeitung, Kleiber, zu Kandidaten des Politbüros läßt sowohl die Schwerpunkte, aber auch die Hauptprobleme und Hauptsorgen der zukünftigen Arbeit erkennen.
Als Vorsitzender der Zentralen Parteikontrollkommission wurde Hermann ➝Matern wiedergewählt, so daß damit dieses für die gesamte Personalpolitik und die Überwachung der politischen Arbeit der nachgeordneten Parteiinstanzen wichtige Amt in den Händen eines Ulbricht ergebenen Funktionärs verbleibt.
3. Der zentrale Parteiapparat
Zu Beginn des Jahres 1957 belief sich der Personalbestand des zentralen Parteiapparates auf 2.200 bis 2.500 Personen, von denen mindestens 1.000 politische Mitarbeiter waren. Danach wurde der hauptamtliche Apparat durch Zusammenlegung und Verkleinerung der Abteilungen und Sektoren sowie durch systematische Heranziehung von ehrenamtlichen Funktionären reduziert. Nach Mitteilung von Paul ➝Verner auf der 15. ZK-Tagung (März 1962) konnte der zentrale Parteiapparat bis zu diesem Zeitpunkt um 15 v. H. verringert werden, so daß seine Stärke heute zwischen 1800 und 2.000 liegen dürfte.
In seiner Struktur ist der zentrale Parteiapparat im Laufe der Zeit mehr und mehr dem Regierungsapparat angeglichen worden. Die Zahl der Abteilungen bewegt sich um 30 herum. Sie gliedern sich in „Sektoren“. Die Abteilungen und ihre Sektoren entsprechen den Ministerien und nachgeordneten Dienststellen des Regierungs- und Verwaltungsapparates, soweit sie nicht spezifische Parteiaufgaben wahrnehmen. Dem ZK unterstehen unmittelbar die folgenden Institute:
Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED, Direktor: Prof. Hanna ➝Wolf, stellvertr. Direktor: Prof. Helmut Neef.
Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Direktor: Prof. Otto ➝Reinhold, stellvertr. Direktor: Dr. Wolfgang Schumann.
Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Direktor: Prof. Lothar Berthold, stellvertr. Direktor: Dr. Heinrich Genkow.
Institut für Meinungsforschung, Direktor: Karl ➝Maron.
Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung, Direktor: Dr. Helmut Koziolek.
Zentrag, Direktor: Paul Kubach.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 746–747
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