Demarkationslinie (DL) (1969)
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Mit DL wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Trennlinie zwischen dem Bundesgebiet und Mitteldeutschland verstanden. Sie verläuft von der Lübecker Bucht nach Süden bis an die Elbe, folgt den Westgrenzen Mecklenburgs, Sachsen-Anhalts, der West- und Südgrenze Thüringens sowie der Südgrenze Sachsens und trifft ostwärts von Hof auf die deutsch-tschechoslowakische Grenze. Sie ist rund 1.346 km lang und zerschneidet 32 Eisenbahnlinien, 3 Autobahnen, 31 Bundesstraßen, 80 Landstraßen erster Ordnung und etwa 60 der zweiten Ordnung sowie Tausende von öffentlichen Gemeindewegen und privaten Wirtschaftswegen. Der Verlauf der DL wurde im Londoner Protokoll betreffend die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin vom 12. 9. 1944 festgelegt.
Auf Grund einer Vereinbarung zwischen Truman und Stalin zogen sich die amerikanischen und britischen Truppen, die bereits Thüringen, die westlichen Teile Mecklenburgs, Sachsen-Anhalts und Sachsens besetzt hatten, bis zum 1. 7. 1945 hinter die DL zurück. Die sowjetischen Besatzungstruppen rückten in diese Gebiete ein, so daß die DL am 3. 7. 1945 wirksam wurde.
Im anderen Teil Deutschlands wurde diese Linie bis zum Erlaß der Grenzmaßnahmen-Verordnung vom 3. 5. 1956 als DL bezeichnet. Seitdem wurde sie amtlich „Grenze“ seit 16. 11. 1957 „Staatsgrenze West“ genannt.
Das SED-Regime hat die DL auf östlicher Seite mit Sperranlagen, die aus mehrfachem Stacheldraht, Minen, Gräben, Stol[S. 139]perdrähten, optischen und elektrischen Warnanlagen, Wachttürmen, Erdbunkern, Beobachtungsständen, Lichtsperren und Hundelaufanlagen bestehen, versehen und zur Überwachung der Anlagen und zur Kontrolle der DL das „Kommando Grenze“ der Nationalen Volksarmee (NVA) eingesetzt. Jenseits der DL erstreckt sich das Grenzgebiet (früher: Sperrgebiet), das aus dem etwa 500 m tiefen Schutzstreifen und der etwa 5 km tiefen Sperrzone besteht. Mitteldeutsche, die dieses Gebiet bewohnen oder sich dort vorübergehend aufhalten, sind besonders einschränkenden Genehmigungs-, Registrier-, Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen unterworfen. Angehörige der NVA sind befugt, unter bestimmten Voraussetzungen Personen und Sachen im Grenzgebiet zu durchsuchen, Grundstücke und Räume zu betreten, Personen in Gewahrsam zu nehmen, bei Widerstand „körperliche Einwirkungen“ vorzunehmen und nach den entsprechenden militärischen Bestimmungen der NVA die Schußwaffe anzuwenden. Bis Mai 1969 hat die Zentrale Erfassungsstelle der Landjustizverwaltung in Salzgitter im Bereich der DL 82 Todesfälle im Zusammenhang mit Gewaltakten mitteldeutscher Grenzorgane registriert. Bewohnern des Bundesgebietes ist die Einreise in das Sperrgebiet untersagt.
Den Verkehr mit der Bundesrepublik Deutschland läßt das SED-Regime lediglich über die wenigen aus der Skizze auf Seite 138 und der Übersicht auf Seite 139 ersichtlichen Übergänge (Kontrollpunkte) zu.
.sp 1969_137_Demarkationslinie_zwischen_sowjetischen_ango-amerikanischen_Truppen.pic
.sp 1969_138_Demarkationslinie.pic
Durch eine weitere DL wird das Vier-Mächte-Verwaltungsgebiet Groß-Berlin (Berlin) von der sowjetischen Besatzungszone getrennt, da Groß-Berlin in Ziffer 1 des Londoner Protokolls vom 12. 9. 1944 aus der Zoneneinteilung ausgenommen und zu einer „special Berlin area“ unter gemeinsamer Verwaltung der Vereinigten Staaten Großbritanniens und der Sowjetunion erklärt wurde. Diese DL wurde ebenfalls vom 3. 7. 1945 an wirksam, als die Truppen der Westmächte die 12 westlichen Bezirke Ber[S. 140]lins besetzten, die ihnen im Londoner Protokoll vom 12. 9. 1944 und der Ergänzungsvereinbarung vom 14. 11. 1944 zugeteilt worden waren.
Der Verlauf der DL zwischen den Besatzungssektoren der Westlichen Alliierten und dem sowjetisch besetzten Sektor in Berlin beruht ebenfalls auf dem Londoner Protokoll vom 12. 9. 1944. Seit dem Bau der Berliner Mauer am 13. 8. 1961 bezeichnet das SED-Regime diese Sektorengrenze als Teil der „Staatsgrenze der DDR“. Zum gleichen Zeitpunkt ließ es nur noch 12 ― vorher rund 80 ―, ab 23. 8. 1961 sogar nur noch 8 Übergänge von West-Berlin nach Ostberlin zu.
Auch die Oder-Neiße-Linie ist nach dem Potsdamer Abkommen von 1945 nur eine DL nicht aber eine Staatsgrenze (Grenzübergänge).
Literaturangaben
- Mitten in Deutschland — mitten im 20. Jahrhundert — Die Zonengrenze. 9., überarb. u. erg. Aufl. (BMG) 1966. 96 S. m. 120 Abb.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 136–140