DDR von A-Z, Band 1969

Forschung (1969)

 

 

Siehe auch die Jahre 1965 1966 1975 1979 1985

 

1. Die wichtigsten Leitungsinstanzen

 

 

Im Parteiprogramm der SED von 1963 wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, die F., besonders die technisch-naturwissenschaftliche und die ökonomische F. einheitlich zu leiten, um die Zersplitterung und isolierte Behandlung wichtiger F.-Themen zu beseitigen. Die Grundlagen-F. sei so zu entwickeln, daß ein „Vorlauf für die Technik und Produktion von morgen gewonnen wird“. Auf der „Grundlage des Programms der SED, der Beschlüsse des ZK der SED, der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates sowie der Verordnungen und Beschlüsse des Ministerrates“ arbeiten die Leitungsinstanzen. Die Staatliche Plankommission konzentriert sich, ausgehend von den Hauptentwicklungsrichtungen von Wissenschaft und Technik u.a. auf eine „prognostisch begründete und hocheffektive volkswirtschaftliche Strukturpolitik, die Gestaltung und Entwicklung des ökonomischen Systems des Sozialismus und die Schaffung des dafür notwendigen wissenschaftlichen Vorlaufes“. Für die Koordinierung der ökonomischen F. auf dem Gebiet der sozialistischen Wirtschaft ist der Beirat für ökonomische F. bei der Plankommission verantwortlich. Er konzentriert die ökonomische F. auf die Sicherung des notwendigen wissenschaftlichen Vorlaufes und orientiert die Wirtschaftswissenschaftler auf die aktive Mitarbeit an der Lösung volkswirtschaftlicher Schwerpunktaufgaben. Universitäten, Hochschulen, Institute mit Hochschulcharakter, Akademien, F.-Institute und Gruppen der staatlichen und wirtschaftsleitenden Organe haben dem Beirat die zur Bearbeitung vorgesehenen ökonomischen F.-Themen zur Bestätigung einzureichen. Der Plankommission untersteht auch das am 1. 10. 1963 errichtete Zentralinstitut für Information und Dokumentation. Es ist das anleitende, koordinierende und kontrollierende Zentrum der gesamten Informations- und Dokumentationstätigkeit auf dem Gebiet der Wissenschaft, Technik und Ökonomie.

 

Der Forschungsrat der DDR ist ein zentrales Organ des Ministerrates und das höchste beratende Gremium für alle Fragen der naturwissenschaftlichen und technischen F., das seit dem 1. 9. 1966 auch die Aufgaben des Wissenschaftlichen Rates für die friedliche Anwendung der Atomenergie wahrnimmt. Zur Durchführung der dem Forschungsrat übertragenen Arbeiten bedient er sich eines Systems von Gremien, das aus den Gruppen mit den ihnen zugeordneten Zentralen Arbeitskreisen für Forschung und Technik (ZAK), den Sektionen der drei Ostberliner Akademien (Deutsche Akademie der Wissenschaften, Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, Deutsche Bauakademie), den Hauptproblem- und Problemkommissionen des Rates für Planung und Koordinierung der medizinischen Wissen[S. 216]schaft beim Ministerium für Gesundheitswesen besteht. In einer vom Ministerrat und Minister für Wissenschaft und Technik erlassenen VO vom 7. 8. 1967 wird auf die Bedeutung der ZAK hingewiesen, die für komplexe Gebiete von Wissenschaft und Technik Analysen und Prognosen zu erarbeiten, zu vervollkommnen, zu präzisieren und aus den Einschätzungen Folgerungen für die weitere Entwicklung der Volkswirtschaft abzuleiten haben. Die ZAK erhalten weitgehende Unterstützung von den Organen der Kammer der Technik. Diese Gliederung soll gewährleisten, daß alle Probleme der wissenschaftlich-technischen Entwicklung von der Grundlagen-F. bis zur Produktion erfolgreich behandelt werden können; eine gründliche prognostisch-analytische Arbeit soll die Grundlagen für langfristige Entscheidungen des Ministerrates, der Staatlichen Plankommission und anderer zentraler Organe schaffen.

 

Das am 13. 7. 1967 gebildete Ministerium für Wissenschaft und Technik übernahm die Aufgaben des seit 1961 bestehenden Staatssekretariats für Forschung und Technik; es ist für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Arbeit des Forschungsrates verantwortlich und nutzt dessen wissenschaftliche Kapazität für die Durchsetzung einer einheitlichen wissenschaftlich-technischen Politik. Dem ebenfalls am 13. 7. 1967 geschaffenen Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen obliegen die einheitliche Planung und Leitung des Hoch- und Fachschulwesens sowie die Weiterentwicklung der wissenschaftlich-technischen Aus- und Weiterbildung und der wissenschaftlichen Bildungsstätten.

 

An der Perspektivplanung der F. wirkt auch die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAdW) mit ihren Sektionen und Instituten maßgeblich mit, insbesondere die Forschungsgemeinschaft der naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Institute, die an der Ausarbeitung des Perspektivplanes der naturwiss. F. bis 1970 beteiligt ist. Die Zahl der von der Forschungsgemeinschaft bearbeiteten Themen, die zu den F.-Komplexen des Planes der naturwiss. F. gehören, betrug 1967 862, die sich auf folgende Fachbereiche verteilten: Physik (521), Reine und Angewandte Chemie (156), Organische und Biologische Chemie (86), Medizin (99). 74,3 v. H. aller Themen gehörten zu den F.-Komplexen des Planes für die naturwiss. F. Auf die Wissenschaftsdisziplinen dieses Planes entfielen folgende Anteile: Chemie 34,5 v. H., Physik 30,7 v. H., Biologie und Medizin 18,6 v. H., Technik 12,4 v. H., Mathematik 3,8 v. H. Bereits 1965 bestanden zwischen 35 Einrichtungen der Forschungsgemeinschaft und Industriebetrieben 247 Verträge.

 

2. Forschungsschwerpunkte

 

 

Im „Gesetz über den Perspektivplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR bis 1970“ werden die Hauptrichtungen genannt, auf die die Kapazitäten der naturwiss. Grundlagen-F. zu konzentrieren sind: u.a. die festkörper-physikalische F., Entwicklung hochwertiger Plaste, Elaste und Synthesefasern. Die F. soll stärker auf die wiss. Durchdringung der Produktion und die Entwicklung kostensparender hochproduktiver Technologien und Verfahren eingestellt werden. Der ökonomischen F. wird aufgegeben, den wiss. Vorlauf für das ökonomische System des Sozialismus und die Wirkungsweise der ökonomischen Gesetze zu schaffen und gemeinsam mit der naturwiss.-techn. F. dazu beizutragen, die wiss. Grundlagen für eine weit vorausschauende Strukturpolitik und die Strukturentscheidungen zu erarbeiten (Untersuchungen über die Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung in der Planung nach strukturentscheidenden Haupterzeugnissen und Erzeugnisgruppen, Untersuchungen, die zur Erhöhung der Wirksamkeit des Systems ökonomischer Hebel beitragen).

 

Es wird gefordert, die Industrie-F. unter Einbeziehung der Vertrags-F.mit Instituten der Akademien, Universitäten und Hochschulen weiter zu entwickeln, die Überleitungszeit der F.-Ergebnisse in die Produktion zu verkürzen, die wiss. Arbeiten der Universitäten und Hochschulen durch vertragliche Beziehungen mit der Wirtschaft auf die Schwerpunkte der Volkswirtschaftspläne zu konzentrieren, das Ausbildungsniveau der Studenten durch praxisverbundenes Lernen zu erhöhen.

 

1965 bestanden in der „DDR“ 1800 F.- und Entwicklungsstellen mit 87.000 Beschäftigten. Über die Hälfte dieser Einrichtungen beschäftigten nur bis zu 10 Personen, 43 v. H. nur bis zu 5 Personen. Die Zahl der F.-Themen belief sich 1965 auf [S. 217]17.300. Dahinter verbirgt sich eine thematische und kräftemäßige Zersplitterung, die Ulbricht auf einem Seminar des ZK der SED und des Ministerrates für leitende Kader der Partei, des Staates und der Wirtschaft im Herbst 1967 scharf kritisierte. Auch die lange Bearbeitungsdauer der F.-Themen fordert immer wieder den Unwillen der Parteiführung heraus, ein Mangel, der sowohl auf „Unzulänglichkeiten“ oder „Mittelmäßigkeiten“ in der Leitung der Akademie- und Universitätsinstitute als auch auf „überlebten Individualismus“ und „Einzelgängertum“ zurückgeführt wird. Ulbricht forderte daher die Ausarbeitung einer exakten Konzeption der Schwerpunkte für die Strukturpolitik der Wissenschaftsorgane, die F. und Lehre einschließt. Seit Ende 1967 ist die Bildung größerer, in sich geschlossener F.-Komplexe an den Universitäten und Hochschulen zu beobachten. Auf dem Leibniz-Tag 1968 erklärte der Vizepräsident der DAdW, Prof. Klare, daß es im Vollzug der Akademiereform darauf ankomme, die Akademie aus einer gelehrten Gesellschaft mit zugeordneten Forschungseinrichtungen zu einer modernen Forschungsgemeinschaft umzugestalten, die aufs engste mit den Erfordernissen des sozialistischen Gesellschaftssystems verbunden sei.


 

Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 215–217


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.