Kader (1969)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1975
Der Begriff K. stammt aus der Militärsprache, bedeutet dort Stammpersonal militärischer Formationen. Als K. werden alle Personen in Partei, staatlicher Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Massenorganisationen und Militär verstanden, die in wichtigen Positionen zur Erhaltung und Festigung des totalitären Systems beitragen sollen. In diesem Sinne bedeutet K. soviel wie Elite. (Funktionäre) In dem 1963 beschlossenen Parteistatut wurde der im Entwurf ursprünglich verwendete Begriff K. durch Parteiarbeiter ersetzt.
Die SED ist sowohl eine Massen- als auch K.-Partei. Im Hinblick auf die 1,7 Mill. Parteiangehörigen und die organisatorische Erfassung von etwa 10 v. H. der Bevölkerung Mitteldeutschlands hat sie den Charakter einer Massenpartei. Der Charakter der K.-Partei wird betont durch die künstliche Differenzierung der Mitgliederschaft, die Ausschaltung der Mitgliederversammlungen von der politischen Willensbildung und echten Entscheidungsbefugnissen und durch die beherrschende Rolle des zentralistischen Funktionärapparates.
Die Auswahl, Ausbildung und den Einsatz der K. bezeichnet man als K.-Politik.
Kriterien für die Auswahl der K. waren lange Zeit ausschließlich die Anerkennung „der führenden Rolle der SED“ und ihrer Ideologie, der Parteidisziplin und der Kritik und Selbstkritik; nach neueren SED-Beschlüssen werden von Funktionären erwartet: „Treue zur Arbeiterklasse, Verantwortungsfreude, Schöpfertum und Kühnheit verbunden mit geschäftlicher Sachlichkeit, nüchternem Kalkulieren, eiserner Arbeitsdisziplin, Kämpfertum und Unduldsamkeit gegenüber Mängeln und Fehlern“ („Neuer Weg“, 6/1965). Nach einem Beschluß des ZK der SED vom Juni 1965 sollen jetzt vor allem jüngere Funktionäre mit wiss.-techn. Ausbildung und soliden wirtschaftl. Kenntnissen, also Fachleute, verantwortl. Funktionen übernehmen. Funktionäre in wichtigen Stellen, die bisher keine entsprechende Ausbildung besitzen, sollen Hoch- oder Fachschulen besuchen. Wesentliche Bedeutung für die Auswahl der K. haben die Parteiwahlen. Mit den dazu herausgegebenen Direktiven gibt die Parteiführung regelmäßig bekannt, welche Kategorien von K. aufgestellt und „gewählt“ werden sollen. Im Bericht des ZK an den VII. Parteitag heißt es über die K.-Arbeit im Berichtszeitraum:
„In die neuen Leitungen der Grundorganisationen, in die Kreis- und Bezirksleitungen wurden Parteimitglieder gewählt, die die Politik der Partei prinzipiell und konsequent vertreten, die bei den Menschen hohes Ansehen genießen, Erfahrungen in der politischen Massenarbeit und der marxistisch-leninistischen Erziehung haben und über [S. 321]die notwendigen Fachkenntnisse verfügen. … Sie sind in der Lage, Kollektive zu leiten, die die ökonomischen, politischen und kulturellen Aufgaben lösen“ („Neues Deutschland“ v. 17. 4. 1967, S. 12).
Die politische Ausbildung der K. ist in erster Linie Aufgabe der Schulung. Von unteren Funktionären wird mindestens der Besuch einer Kreisparteischule (Parteischulen), von leitenden Funktionären der Besuch der Parteihochschule verlangt. Über die fachliche Qualifizierung der Parteifunktionäre veröffentlichte die „Kommission für Partei- und Organisationsfragen“ beim Politbüro im Febr. 1964 einen Bericht. Die Partei hatte zum damaligen Zeitpunkt 57.198 Mitglieder und Kandidaten mit abgeschlossener Hoch- und 132.534 Mitglieder und Kandidaten mit abgeschlossener Fachschulausbildung. Und im o.a. Bericht des ZK an den VII. Parteitag heißt es über die Qualifikation der Parteifunktionäre: „Von den vor dem VII. Parteitag in den Grundorganisationen und Abteilungsparteiorganisationen gewählten Leitungsmitgliedern haben 33,7 Prozent einen Hoch- bzw. Fachschulabschluß, das heißt, jedes dritte Leitungsmitglied in den Grundorganisationen unserer Partei besitzt Hoch- oder Fachschulausbildung.“
Die Sicherung eines einheitlichen K. obliegt den K.-Abt., die mit besonders zuverlässigen SED-Mitgliedern besetzt sind. K.-Abt. bestehen in allen Organisationen, Institutionen und Betrieben. Sie müssen auch bei der Einstellung von Parteilosen und Mitgl. anderer Parteien die Genehmigung der zuständigen SED-Dienststelle einholen. Die K.-Abt. des SED-Apparates haben bestimmenden Einfluß auf die K.-Politik aller Organisationen und Institutionen, einschließlich der „Blockparteien“. (Nomenklatursystem)
Die K.-Abt. sollen die Beschäftigten hinsichtlich ihrer Einstellung überwachen. Sie führen „Entwicklungskarteien“, in die neben dem fachlichen Werdegang die Teilnahme an politischen Schulungen sowie Vermerke über das politische und „moralische“ Verhalten eingetragen werden. Regelmäßig sollen mit allen Beschäftigten „Entwicklungsgespräche“ geführt werden. Bei Arbeitsplatzwechsel wird die sog. K.-Akte des Beschäftigten der K.-Abt. des neuen Arbeitsplatzes übersandt. Schon vor Neueinstellung wird regelmäßig bei der K.-Abt. des Betriebes bzw. der Dienststelle, bei der der Betreffende bisher beschäftigt war, Nachfrage gehalten. So werden bei Kündigungen aus politischen Gründen (Kündigungsrecht) unerwünschte Neueinstellungen verhindert. Der leitende Funktionär einer K.-Abt. wird K.-Leiter genannt. Er ist verpflichtet, dem Staatssicherheitsdienst jederzeit Einblick in alle K.-Akten zu gewähren und alle gewünschten Auskünfte zu erteilen. Die große Bedeutung, die der K.-Politik zugeschrieben wird, entspricht dem militärischen Organisationsprinzip der Kommunisten: „Die Kader entscheiden alles“ (Stalin).
Literaturangaben
- Schultz, Joachim: Der Funktionär in der Einheitspartei — Kaderpolitik und Bürokratisierung in der SED (Schr. d. Inst. f. polit. Wissenschaft, Berlin, Bd. 8). Stuttgart 1956, Ring-Verlag. 285 S.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 320–321
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