Landwirtschaft (1969)
Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1975 1979 1985
Die Agrarpolitik der SED hat sich den „Aufbau des Sozialismus auf dem Lande“ und die Steigerung des Produktionspotentials der L. zur immer besseren Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen aus der Eigenproduktion zum Ziele gesetzt. Vom „Sozialisierungsprozeß“ in Mitteldeutschland wurde kaum ein anderer Berufsstand so entscheidend betroffen wie die Landwirte. In der L. sind nicht nur die Eigentumsverhältnisse und die Betriebsstruktur, sondern auch die Bewirtschaftungsform grundlegend gewandelt worden. Die Agrar[S. 365]struktur wird heute von „sozialistischen“ Betriebsformen (LPG, VEG) geprägt. Innerhalb dieser Landwirtschaftsbetriebe, zwischen ihnen und mit Betrieben anderer Wirtschaftszweige soll ein Kooperationssystem errichtet werden, das sich über die gesamte Gesellschaft erstreckt (Kooperation in der Landwirtschaft). Eng mit dieser Zielsetzung sind die Forderungen nach erhöhter Arbeitsproduktivität, Senkung der Produktionskosten und Verbesserung der Qualität der landw. Erzeugnisse verbunden. Als besonderer Produktionsfaktor zur Erreichung eines optimalen Reproduktionsprozesses der L. wird die industriemäßige Leitung der Agrarproduktion angesehen. Mit diesen Zielen wird das Weltniveau bei der Erzeugung landw. Produkte angestrebt. Dabei wird als selbstverständlich angenommen, daß der technische Fortschritt nur in großen Produktionseinheiten voll zur Entfaltung kommen kann. Ein wissenschaftlicher Nachweis, daß nur große Produktionseinheiten die höchste Produktivität haben können und welche Betriebsgrößen anzustreben sind, wird nicht erbracht.
Die Bodennutzung zeigt gegenüber der Vorkriegszeit und im Vergleich der beiden Teile Deutschlands folgendes Bild:
Die Hektarerträge der einzelnen Kulturen stiegen gegenüber dem Vorkriegsniveau in Mitteldeutschland weniger an als in Westdeutschland:
Insgesamt betrachtet blieb die Flächenproduktivität der mitteldeutschen Pflanzenproduktion beachtlich unter der des Bundesgebietes zurück, wie die Brutto-Bodenproduktion, die Summe aller auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche erzeugten und mit Getreideeinheiten (GE) bewerteten Früchte je ha LN ausweist:
Auch in der tierischen Produktion sind Leistungsrückstände gegenüber der westdeutschen L. festzustellen. Für Mitteldeutschland ist zunächst die starke Steigerung der Bestände aller wichtigen Nutzvieharten über den Vorkriegsumfang charakteristisch:
[S. 366]Die faktisch erreichte Bestandsvermehrung ist für sich allein aber noch kein Ausdruck einer ökonomisch sinnvollen tierischen Produktionssteigerung. Offenbar ist es bis heute nicht gelungen, Viehbestand und Futterversorgung miteinander in Einklang zu bringen, wie die gegenüber der L. im Bundesgebiet sehr viel geringeren Einzeltierleistungen erkennen lassen:
Berechnet man die Nahrungsmittelproduktion, d.h. die Gesamtheit der für den menschlichen Verzehr von der L. im Inland erzeugten Agrarprodukte, so weist das Mengenergebnis erhebliche Erfolgsunterschiede zwischen den beiden Teilen Deutschlands aus:
Bis zum Jahre 1967 ist die Nahrungsmittelproduktion der „DDR“ um 27 v. H., diejenige der BRD um 76 v. H. über das Vorkriegsniveaus angestiegen. In beiden Teilen Deutschlands erreichte die Nahrungsmittelproduktion im Jahre 1967 ein bisheriges Spitzenergebnis. Dabei stammten von der tierischen Produktion in Mitteldeutschland 16 v. H., im Bundesgebiet 20 v. H. aus importierten Futtermitteln.
In Mitteldeutschland war auch die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate der Nahrungsmittelproduktion kleiner als in Westdeutschland.
Auf den Kopf der Bevölkerung bezogen, liegt die Agrarproduktion der „DDR“ dennoch etwas höher als die der BRD. Das macht die wesentlich günstigeren Bedingungen Mitteldeutschlands im Nahrungsspielraum deutlich. 1967 entfielen nämlich auf 100 ha LN in der „DDR“ 269 Personen, in der BRD dagegen 428 (Bevölkerung). Dementsprechend lag der Selbstversorgungsgrad, d.h. der Anteil des Verbrauchs aus der Inlandsproduktion am Gesamtverbrauch von Nahrungs- und Futtermitteln, in Mitteldeutschland bei 86 v. H., in Westdeutschland bei 77 v. H. Eine über das Ganze des Nahrungsmittelverbrauchs gehende Kalorien- und Nährstoffberechnung ergibt, daß die „DDR“ von allen kommunistischen Volkswirtschaften den höchsten Ernährungsstandard aufweist. Wie relativ hoch dieser ist, geht auch aus einem Vergleich mit der BRD hervor. So erreicht die „DDR“ gegenwärtig in etwa den westdeutschen Durchschnittsverbrauch an Kalorien und Kohlehydraten, liegt aber im Verbrauch von Gesamteiweiß (um rd. 10 v. H.) und ins[S. 367]besondere von tierischem Eiweiß (um rd. 25 v. H.) unter dem Verbrauchsniveau der BRD. Auch im Fettverbrauch bleibt sie (um etwa 12 v. H.) darunter, was allerdings unter dem Blickpunkt der Volksgesundheit sicherlich kein Nachteil ist. Über das Ganze gesehen konnte in der mitteldeutschen L., nach vielen Wandlungen und Experimenten, das neue System zwar bis zu einem gewissen Grad konsolidiert werden, aber das Ziel des gut organisierten, spezialisierten sozialistischen Großbetriebes ist keineswegs erreicht worden. Dem stehen nicht nur Planungs- und Leitungsprobleme entgegen, sondern es gibt auch immer noch eine ganze Anzahl technischer Schwierigkeiten zu lösen. Letztere erstrecken sich vor allem auf die Schließung der eine rationelle tierische Produktion verhindernden großen Eiweißfutterlücke, während im Einsatz mineralischer ➝Düngemittel und in der Mechanisierung der L. vergleichsweise größere Fortschritte erzielt werden konnten. Mit 138.739 Schleppern und einer durchschnittlichen Motorleistung von 40,8 PS standen 1963 der L. in der „DDR“ je ha LN immerhin 0,89 Schlepper-PS zur Verfügung. Die entsprechenden Zahlen der BRD liegen bei 1.256.544 Schleppern mit durchschnittlich 23,4 PS und 2,10 Schlepper-PS je ha LN, wobei man allerdings anmerken muß, daß die westdeutsche L., bei ihren Strukturproblemen hinsichtlich des hohen Anteils von Kleinbetrieben, in manchen Produktionsvorgängen übermechanisiert ist.
Stärker als in anderen Sektoren der Volkswirtschaft wirkt sich die zentrale administrative Organisation nachteilig auf die Entwicklung der L. auch in der „DDR“ aus. Mit dem Neuen ökonomischen System bzw. dem ökonomischen System des Sozialismus ist die Planung zwar etwas effizienter geworden, was in den seit 1963 feststellbaren Fortschritten der Agrarproduktion zum Ausdruck kommt, am herrschenden Wirtschaftssystem hat sich damit jedoch für die L. und die in ihr tätigen Menschen nichts Grundsätzliches geändert.
Fundstelle: A bis Z. Elfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1969: S. 364–367
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